8:0-Sieg der DFB-Elf:"Wir konnten sie niederspielen"

Germany v Estonia - UEFA Euro 2020 Qualifier

Durfte ganz spät doch noch jubeln: Leroy Sané (rechts).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Johannes Aumüller, Mainz

Der eine Trainer hatte irgendwann genug gesehen. Er verließ die Seitenlinie, setzte sich auf die Ersatzbank und ward den Rest der ersten Hälfte nicht mehr gesehen. Der andere Trainer aber hatte seiner Mannschaft noch ein bisschen was mitzuteilen. Des Öfteren stand er in der Coaching-Zone, fuchtelte mit seinen Händen herum oder stemmte sie angestrengt in die Hüfte, um einen gegnerischen Freistoß mitzuverfolgen. Der erste Trainer, das war Martin Reim, seines Zeichens verantwortlich für Estlands Nationalelf. Der zweite, das war Marcus Sorg, in seinem zweiten Spiel als Vertretung von Bundestrainer Joachim Löw. Und der Spielstand, der lautete in diesem Moment 5:0 für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Es ist ein ziemlich einseitiges Spiel gewesen an diesem Dienstagabend in Mainz. Fünf deutsche Tore in der ersten Hälfte, noch drei weitere in der zweiten - und damit war der überzeugende 8:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft perfekt. Es war der dritte Sieg im dritten Spiel der Qualifikationsrunde für die EM 2020, bei der es nach menschlichen Ermessen ja ohnehin nicht darum geht, ob sich die deutsche Mannschaft fürs Turnier qualifiziert, sondern nur, ob sie dies als Gruppenerster oder als Gruppenzweiter tut.

Für die Beantwortung dieser Frage dürfte das nächste Spiel dann etwas aussagekräftiger sein als der Kick gegen die zeitweise bemitleidenswerten Esten am Dienstag. Im September geht es gegen die Niederlande, den klar stärksten Gruppengegner, und dann wird auch Bundestrainer Löw nach seiner verletzungsbedingten Auszeit wieder zurückerwartet - "mit voller Kraft ", wie der Nationalelf-Verantwortliche Oliver Bierhoff in Mainz schon mal verkündete.

Kehrer und Goretzka rücken in die Startelf

Zwei personelle und eine taktische Änderung hatte sich das Trainerteam des DFB nach dem 2:0 gegen Weißrussland am Samstag überlegt. Thilo Kehrer und Leon Goretzka kamen für Lukas Klostermann und Jonathan Tah in die Mannschaft, und diese Personalwahl führte in der Folge auch dazu, dass die Nationalelf nicht wie zuletzt mit drei Innenverteidigern agierte, sondern stattdessen mit einer Viererkette und einem Akteur mehr im Mittelfeld. Das sollte seinen Teil dazu beitragen, den Gegner besser zu überspielen als noch gegen Weißrussland.

"Wir haben uns natürlich vorgenommen, mehr Tore zu schießen als gegen Weißrussland", sagte Marco Reus.

Die Esten, in der Weltrangliste auf Rang 96 geführt, versuchten zwar, sich als großer blauer Block zu formieren: fünf Mann hinten, vier davor, und vorne einzig Sergei Zenjov, ein Spieler von Schachtjor Qaraghandy. Aber davon ließ sich die DFB-Elf nicht irritieren. Von Beginn an zeigte die Nationalelf viel Tempo und Raffinesse, und es dauerte auch nicht lange, bis aus diesem Ansatz ein paar Tore resultierten.

Erst leitete İlkay Gündoğan mit einem sehenswerten Diagonalball eine Kombination ein, die Reus zum 1:0 (10.) vollendete. Kurz danach leitete Gündoğan mit einem genauso sehenswerten Lupfer eine Kombination ein, die Serge Gnabry zum 2:0 nutzte (17.). Wenig später flankte Joshua Kimmich so genau auf Goretzka, dass der einnicken konnte.

Kurz vor der Pause muss Neuer tatsächlich einen Ball halten

Drei zu null nach 20 Minuten, da konnte es fortan nur noch um die Frage gehen, ob es auf den höchsten deutschen Sieg der Länderspiel-Historie gegen Estland hinauslaufen würde (bisherige Bestmarke in der bis Dienstag drei Spiele beinhaltenden Bilanz: ein 5:0 anno 1935).

Die Deutschen wirkten jedenfalls nie so, als hätten sie genug. Gündoğan erhöhte per Elfmeter auf 4:0 (26., Foul an Goretzka), Sané kam zu einem gefährlichen Abschluss, Reus traf die Latte, Gnabry schoss knapp drüber - und dann markierte Reus via Freistoß sein nächstes Tor.

Auch die Esten haben ein paar Abschlüsse

Fünf zu null nach 37 Minuten, da konnte es fortan nur noch um die Frage gehen, ob es an diesem Abend auf den höchsten deutschen Länderspiel-Sieg in dieser Dekade hinauslaufen würde (bisherige Bestmarke: 8:0 gegen San Marino im November 2016).

Zwar folgte danach eine kurze Phase, in der die Esten tatsächlich mal ein paar Abschlüsse hatten. Kurz vor dem Pausenpfiff musste Manuel Neuer einen Freistoß von Konstantin Vassiljev halten. Aber nach einer kurzen Verschnaufpause übernahm die DFB-Elf wieder. Gnabry vollendete eine Kombination zum 6:0 (62.). "Wir konnten sie niederspielen", sagte Neuer. Reus sagte aber auch ehrlich, Estland sei nun mal "nicht der Gradmesser für uns". Zum Schluss ergaben sich noch zwei besondere Geschichten.

Die eine betraf Timo Werner, den Mann, um den es zuletzt ein paar Debatten gab, weil er sich ob der Personalprioritäten des Trainerteams als Verlierer fühlen musste. Er kam ins Spiel, und nach einer vertanen Chance markierte er das 7:0 (79.). Die zweite Geschichte war die von Leroy Sané: Gleich zwei Mal brachte er den Ball im Tor unter, zwei Mal ließ der Schiedsrichter den Treffer nicht gelten. Beim dritten Mal, hatte er nichts auszusetzen. Es war der 8:0-Schlusspunkt unter einen einseitigen Fußballabend (88.).

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