Süddeutsche Zeitung

DFB:Es riecht nach heißer Luft

Der Bericht des DFB-Dienstleiters Esecon zur Sommermärchen-Affäre wird nicht publiziert - alle Fragen bleiben offen. Und auch beim Thema Infront-Trennung besteht weiter Erklärungsbedarf.

Von Thomas Kistner, München

Neue Folge der Seifenoper um den Deutschen Fußball-Bund: Der Bericht zur heiß erwarteten, mit Fanfaren begleiteten Sommermärchen-Aufklärung der Forensik-Firma Esecon liegt nun vor. Die Dienstleister sollten für ihre Millionen-Vergütungen vom DFB auch die letzten Geheimnisse der Sommermärchen-Affäre lüften: die Frage, wie die WM 2006 nach Deutschland kam. Jetzt ist der Report da. Er wird aber nicht, wie die Vorgänger-Untersuchung der Kanzlei Freshfields im März 2016, auf einer opulenten Pressekonferenz der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Vielmehr landet das 125-seitige Werk, das höchste Erwartungen geschürt hatte, in der Tonne: Abteilung Altpapier. Der Report wird weder präsentiert noch publiziert, nur den "Behörden vollumfänglich zur Verfügung" gestellt, heißt es. Wie die damit verfahren dürften? Siehe oben.

Den Schluss, dass da für viel Geld viel heiße Luft produziert worden sein könnte, legt auch die DFB-Mitteilung nahe, sie umfasst schlanke 14 Zeilen. Der Esecon-Bericht zur WM-Vergabe 2006 sei wochenlang "intensiv geprüft" worden. Am Freitag entschied das Verbands-Präsidium, auf die Veröffentlichung sei zu verzichten. Der DFB habe Esecon nicht freistellen wollen von der Haftung für Berichtsinhalte gegenüber Dritten, wie es die Forensiker gewünscht hatten - und weil der DFB "auch selbst keine Haftung für den Inhalt des Berichtes und die Darstellung externer Personen und Organisationen übernehmen" wolle.

Präsidiumsmitglieder diskutieren nun, warum die Esecon-Ermittler nicht selbst Verantwortung für ihre Arbeit tragen wollten. Sind die Befunde zu wackelig? Zur Substanz teilt der DFB nur mit, dass die Erkenntnisse "überwiegend auf der Grundlage von Indizien basieren". Indizien, Fingerzeige, sogar handfeste Hinweise für Stimmenkäufe bei dieser korrupten WM-Vergabe gibt es aber schon seit 20 Jahren. Im Zuge der Esecon-Untersuchung waren immer wieder klare Beweise angekündigt worden.

Kenner diskutieren nun die Substanz der teuren Arbeiten. Und darüber, ob betroffene Dritte, die sich hinter der kryptischen Bemerkung, sie seien "nicht dem Umfeld des DFB zuzuordnen", verbergen, womöglich ihren Unmut signalisiert haben könnten, nachdem sie einige der "überwiegend Indizien-basierten" Passagen studieren durften. Zu besagten Dritten im Bericht zählen nach SZ-Informationen ein Sportausrüster und ein ehemaliger hoher Klub-Manager.

Dass der sündteure, nicht publizierbare Papierkram an die Behörden geht, dürfte, falls es so geschieht, nur eine Formsache sein: Ermittler werden da rasch durchgeblättert haben. Der Berichtsgegenstand reicht ja "zum Teil weit in die Vergangenheit zurück", und Behörden haben die engen zeitlichen Fristen zu beachten: fünf Jahre strafrechtlich, zehn Jahre steuerlich. Aber sie sind ja auch so schon gut beschäftigt mit anderen DFB-Verfahren und -Untersuchungen.

Tief enttäuscht sind nun willige Aufklärer wie der frühere DFB-Boss Theo Zwanziger, der Esecon wiederholt für Befragungen zur Verfügung stand. "Entweder ist der Bericht inhaltlich so dünn, dass der Revisions-Ausschuss das Präsidium auffordern müsste, Vergütungen von Esecon zurückzufordern" schimpft der Alt-Präsident des Verbands: "Oder der Bericht enthält substantiell relevante Inhalte: dann würde die Nichtveröffentlichung all den vollmundigen Erklärungen von Rainer Koch zu Transparenz und Aufklärung widersprechen, die er bei der Präsentation des Freshfields-Reports 2016 abgab. Ich erinnere daran, dass Koch die Publikation damals als weltweiten Musterfall für Transparenz gefeiert hat", sagt Zwanziger. Tatsächlich griff Koch, der aktuell zum dritten Mal DFB-Interimspräsident ist, beim Verbands-Bundestag damals ins oberste Regal: Ihm sei "in der Welt des Sports keine vergleichbar transparente und selbstkritische Aufarbeitung sportpolitischer, die eigene Organisation betreffender Vorwürfe bekannt". Der Freshfields-Report wurde ins Netz gestellt.

Mit dem nächsten unrühmlichen Abschluss sehr teurer Dienstleistungen rückt nun Esecons Wirken stärker in den Fokus. Auch steht ja noch die Schlussrechnung in einem anderen Feld aus, in dem angeblich äußerst werthaltige Dienste für den DFB erbracht wurden: der Jahresabschluss 2020, der die Trennung des DFB vom Langzeit-Vermarkter Infront bilanziert. Meist liegt die Bilanz bis Juni vor, um diese wird noch gerungen. Dabei hatte Koch Anfang Mai im ZDF-Sportstudio einen "immensen wirtschaftlichen Erfolg" für den DFB beim Geschacher mit Infront verkündet - laut seiner Darstellung dank der Aktivitäten Esecons und des umstrittenen Kommunikationsberaters Kurt Diekmann. Nun braucht es wirklich einen wirtschaftlichen Millionen-Erfolg, um die satt siebenstelligen Gesamtausgaben des DFB für seine Dienstleister plus weitere Akteure im Infront-Kontext zu rechtfertigen. Wobei auffällt, dass die Schweizer Agentur mit Blick auf den erzielten Vergleich keineswegs den Eindruck erweckt, dass dieser deutlich anders ausgefallen wäre, als wenn Infront die Trennung mit dem DFB direkt vollzogen hätte.

Bisher haben die in- und externen Prüfer die DFB-Jahresbilanz noch immer nicht testiert; einiges weist darauf hin, dass die Revisoren den Infront-Abschluss nicht sportpolitisch, sondern bilanzwirtschaftlich betrachten. Daneben wird unter Präsidiumsmitgliedern bereits von einem strukturellen Defizit von bis zu acht Millionen Euro geraunt. Es sieht mau aus an der Sponsor-Front des DFB.

Umso betrüblicher, dass der Sponsor-Deal mit Qatar Airways nicht geklappt hat. Nachdem die SZ die Planspiele publiziert hatte, war eine öffentliche Debatte ausgebrochen, die der Staatskonzern nach einer Woche mit der Erklärung beendete, der DFB habe angefragt, man selbst sei nie interessiert gewesen. Hingegen soll im Präsidium nun auf Presseberichte von Januar verwiesen worden sein, in denen tatsächlich ein Qatar-Topmanager äußerte, man würde gerne die deutsche Auswahl 2022 zur WM nach Katar fliegen. Der DFB, erfuhr die SZ, habe daher nachgefragt, wie ernst diese Aussage gemeint war. Es wurde also geredet, mithin wohl auch eine Dimension von 34 Millionen Euro über mehrere Jahre angedacht.

Der Geldsegen bleibt aus, die DFB-Spitze muss auf Wunsch des Präsidiums wieder mit Altpartner Lufthansa verhandeln. Der überweist nicht mal eine Million pro Jahr - und ist seit Mitte 2020 säumig. Auch, weil der DFB die Lufthansa-Dienste nicht nutzte, weshalb es keine Werbeeffekte gab. Aber jetzt will die Linie, wie ein Sprecher sagt, "die Zusammenarbeit mit dem DFB langfristig fortsetzen".

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