DFB:Ein mysteriöser Zufallsfund führt zu Ermittlungen

DFB: Der ehemalige DFB-Präsident Reinhard Grindel (r.) zeigte seinen damaligen Vizepräsidenten Rainer Koch an - doch die Anzeige hat bislang keine Folgen.

Der ehemalige DFB-Präsident Reinhard Grindel (r.) zeigte seinen damaligen Vizepräsidenten Rainer Koch an - doch die Anzeige hat bislang keine Folgen.

(Foto: Jan Huebner/Hufnagel/Imago)

Bei einer Razzia fand die Staatsanwaltschaft Frankfurt eine vorformulierte Anzeige gegen DFB-Vize Rainer Koch - nun gibt es ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Anfang Oktober erschütterte eine groß angelegte Razzia den deutschen Fußball. Ermittler durchsuchten die Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), aber auch die Privaträume von sechs aktuellen und ehemaligen Spitzenfunktionären; ausgerückt waren zwei Hundertschaften. Der Anlass waren Vorwürfe in einem Steuerverfahren, dessen Verästelungen seither angewachsen sind. Unter anderem machten die Beamten im Haus des früheren DFB-Präsidenten Reinhard Grindel einen mysteriösen Zufallsfund: Bereit lagen Kuverts mit einer vorformulierten, aber nie abgeschickten Strafanzeige gegen den mächtigen DFB-Vizepräsidenten Rainer Koch - wegen des Verdachts auf Untreue, Bestechlichkeit und Betrug. Adressiert waren die Papiere an Behörden und Verbände.

Es ist eine schräge Angelegenheit. Grindel will sich bis heute nicht zu den Umständen der Anzeigen gegen Koch äußern. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ging diesen Vorwürfen nach und bestätigt der SZ nun auf Anfrage, es gebe "mittlerweile ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue" . Nähere Angaben macht die Behörde vorläufig nicht. Das ZDF hatte am Sonntag als Erstes darüber berichtet. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sagt für sich genommen nichts darüber aus, ob an dem Verdacht etwas dran ist. Die Schwelle hier ist niedrig und die Staatsanwaltschaft muss solchen Vorwürfen nachgehen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Vorgang rückt in den Kontext des DFB-Machtkampfes

Der Zufallsfund bei Grindel war schon im Dezember durch die Medien gegangen. Koch und sein Anwalt teilen auf Anfrage mit, dass sie sich zu dem Thema, der Einleitung des Ermittlungsverfahrens und entsprechenden Nachfragen nicht äußern wollen. Jedoch soll Koch sich bei der Staatsanwaltschaft dazu schon eingelassen haben, als es Mitte Dezember zu einer Einvernahme im ursprünglichen Steuerverfahren kam. Den Ermittlern soll er dargetan haben, dass nichts dran sei an den Vorwürfen in dieser Strafanzeige. Dafür soll er auch Belege präsentiert haben (SZ vom 19.12.).

Solche Vorgänge rücken nun auch in den Kontext jenes Machtkampfs, der im DFB seit Monaten zwischen Präsident Fritz Keller, 63, und Generalsekretär Friedrich Curtius, 44, tobt - und in dem mit reichlich Tricks und Fallen gearbeitet wird. Die Frontlinien erschienen dabei lange klar: Keller erhält speziell aus dem Profilager Unterstützung, Curtius wiederum von Schatzmeister Stephan Osnabrügge und eben von Vize Koch, 62, der zugleich der höchste Amateurvertreter des deutschen Fußballs ist. Und der manchen als ein zentraler Strippenzieher in diesem dauererregten Verbandsgebilde gilt.

Seit kurzem scheint die Lagerbildung etwas zu bröckeln. Koch ist es ein Anliegen, sich als Mann der Mitte zu präsentieren, wie eine Art Schiedsrichter; was er vor Beginn der Funktionärskarriere tatsächlich war. Gerade am Samstag porträtierte ihn die FAZ sehr ausführlich unter dem Titel "Der Streber". Darin teilt er mit: "Meine Rolle ist nicht in einem der beiden Lager. Meine Rolle ist es, den DFB zusammenzuhalten."

Die Vorwürfe im Steuerverfahren weist Koch kategorisch zurück

Das ist eine Positionierung, über die Kochs Gegner innerhalb des deutschen Fußballs - und auch in dem von ihm geführten Bayerischen Fußballverband, wo es allerlei Ärger mit Vereinsfunktionären gibt - zumindest anzweifeln würden. Der Druck auf Koch wächst, das erscheint offenkundig. Und das neue Ermittlungsverfahren ist nun das zweite, in dem er sich erklären müsste.

Das erste ist die im Oktober eröffnete Steuer-Ermittlung. Die Behörden werfen dem DFB vor, Einnahmen aus der Bandenwerbung nicht korrekt angegeben zu haben und in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 4,7 Millionen Euro am Fiskus vorbei geschleust zu haben. Koch zählt zu den sechs Beschuldigten, weil er damals Vizepräsident und bei Abgabe der Steuererklärung für 2014 sogar interimistischer Chef des Verbandes war. Alle weisen die Vorwürfe zurück; Koch insbesondere mit dem Argument, er habe damals mit dem Thema Steuern gar nichts zu tun gehabt. "Herr Dr. Koch war und ist in Bezug auf Steuererklärungen des DFB weder zuständig, noch war er jemals in irgendeiner Art und Weise damit befasst - weder inhaltlich, noch fachlich-sachlich, noch gremienbezogen", schreibt sein Anwalt.

Operativ verantwortlich für das Steuerthema waren und sind in der Tat Schatzmeister und Generalsekretär. Beim DFB gibt es gerade nach SZ-Informationen ebenso diskrete wie massive Debatten darüber, ob der Steuerberater des Verbandes in Hinblick auf Koch und einen weiteren Ex-Funktionär von der Schweigepflicht entbunden werden könne, um bei den Behörden auszusagen, dass sie nichts mit dem Steuerthema zu tun hatten. Ein Beschluss im Präsidium hierzu, heißt es, könne schon diesen Montag fallen.

Im April will sich Koch wieder in den Uefa-Vorstand wählen lassen

Während das Steuerverfahren Koch aufgrund einer angeblich formalen Zuständigkeit betreffen soll, geht es in der neuen Untersuchung um Fragen eines möglichen persönlichen Fehlverhaltens. Koch will sich dazu nicht äußern. Als ihn die SZ vor 14 Tagen dazu befragte, dass die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben einen Vorgang mit Aktenzeichen angelegt habe, antwortete sein Anwalt, dass das bloße Anlegen eines Vorganges keine Berichterstattung erlaube. Er wies darauf hin, dass im vorliegenden Falle eine ",Strafanzeige' nicht einmal erstattet und ein Ermittlungsverfahren offensichtlich noch nicht eingeleitet worden" sei.

Nun gab es aber eine Weiterentwicklung. "Mittlerweile", so schreibt die Staatsanwaltschaft, sei "ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue" eingeleitet worden. Kochs Anwalt erklärt auf Nachfrage, dies ändere nichts an seiner Einschätzung, dass sich eine Berichterstattung verbiete. Fragen zum Ermittlungsverfahren wurden nicht beantwortet.

Es ist nun die Frage, wie heikel die Gemengelage für Koch auch in den vielzähligen Fußballämtern werden kann. Er ist nicht nur einer der Mächtigsten im DFB, sondern auch Deutschlands wichtigster Vertreter in den internationalen Föderationen. Im Fußball-Weltverband (Fifa) sitzt er im Governance-Komitee. Und bei Europas Fußball-Union (Uefa) ist er seit 2020 sogar Vorstandsmitglied. Im April will er sich erneut in dieses Amt wählen lassen.

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