Süddeutsche Zeitung

DFB-Elf vor dem Irland-Spiel:"Ich kann sie mir auch nicht schnitzen"

Joachim Löw widerspricht Bastian Schweinsteiger in der Teamgeist-Debatte und erwartet gegen Irland ein kompliziertes Spiel. Sorgen bereitet die zuletzt wackelige Defensive: Den Ausfall des gesperrten Philipp Lahm muss der Bundestrainer mit den Leuten kompensieren, die ihm zur Verfügung stehen - glücklich ist Löw darüber nicht.

Philipp Selldorf, Dublin

Selbstverständlich regnete es angemessen aus einem vorbildlich grauen Himmel, als das deutsche Nationalteam in Dublin landete, der Vorfreude des Bundestrainers auf den Freitagabend tat das aber keinen Abbruch. Joachim Löw hat schon beim 0:0 vor vier Jahren die Atmosphäre auf den Rängen mehr genossen als die Show auf dem Spielfeld, und er ist sich sicher, dass er auch die nächste Begegnung mit dem irischen Publikum als Erlebnis in Erinnerung behalten wird.

Außer der notorischen, selbst durch 1000 Quer- und Fehlpässe nicht zu trübenden Begeisterung für ihr Team bewundert Löw vor allem die sportliche Haltung der Fans. "Immer absolut fair, sogar für den Gegner gibt es Beifall", betont er. Löw weiß solche kulturellen Eigenheiten zu schätzen.

Auch in Irland macht aber die Zeit nicht halt. Das Stadion an der Lansdowne Road, wie es früher hieß, als noch die komplette Tribüne wackelte, sobald auf den nahen Gleisen die Vorortzüge vorbeiratterten, trägt jetzt den Namen einer Hightechfirma und ist ein Designobjekt. Es wurde an alter Stelle neu errichtet, die Glasverkleidung wölbt sich eindrucksvoll über die alten Wohnhäuser aus rotem Ziegel.

Auch diese spezielle Note hat Löw gewürdigt, bevor er schließlich genug hatte vom Geplauder, seine Zuhörer eigenhändig zur Pressekonferenz in den Saal trieb ("Los! Los!") und den dringenden Hinweis hinterließ: "Ich hab' noch einiges zu tun."

Worin seine Pflichten außer Mittagessen, Espressotrinken und Abschlusstraining bestanden, hat er nicht verraten. Aber ein Bundestrainer ist wohl immer beschäftigt, selbst wenn er die Aufstellung und die Taktik ("müssen uns auf einen Kampf einstellen, der 90 Minuten dauert") bereits entworfen und die vertrauensvollen Gespräche mit seinen wichtigsten Spielern längst geführt hat. Mit Bastian Schweinsteiger hat sich Löw, wie er erzählte, eine halbe Stunde unterhalten, um zu erfahren, was ihn gestört hat während der EM.

Der Münchner hatte ja kürzlich erklärt, er habe im Team den vollendet guten Geist vermisst in Polen. "Er hat mir seine Gefühle geschildert", berichtete Löw. Offenbar war man sich aber nicht ganz einig, Löw befand rückblickend: "Die Grundstimmung war gut. Nicht so gut wie 2010 bei der WM. Aber gut."

Allerdings räumte er ein, dass nicht alle Spieler immer fröhlich waren, was er mit deren Reservistenschicksal begründet: "Per Mertesacker und einige andere waren natürlich nicht zufrieden, aber sie haben immer die Mannschaft unterstützt."

Wieder mit Schmelzer auf Links

Mertesacker darf das am Freitag wieder auf dem Feld tun, als Partner von Holger Badstuber in der Abwehrzentrale. Die Deckungsreihe ergibt sich durch das Fehlen von Mats Hummels (verletzt) und Philipp Lahm (gesperrt) quasi von selbst. Wobei Löw seinen Innenverteidigern offenbar mehr Vertrauen schenkt als den Männern auf den Außenposten.

Rechts stehen Jérôme Boateng und Benedikt Höwedes zur Verfügung, "die auf der Position, sagen wir mal, Erfahrungen gemacht haben", wie Löw vorsichtig Gründe für Zuversicht formulierte. Links sieht er zu Marcel Schmelzer "keine Alternative", jedoch eher aus Verlegenheit als aus Überzeugung, was durch die Anmerkung "ich kann sie mir auch nicht schnitzen" offenbar wurde.

Schmelzer habe in Wien zuletzt "kein gutes Spiel gemacht", ihm fehle womöglich noch die Praxis höchster internationaler Ansprüche, mutmaßte Löw, was man in Dortmund sicher wieder mit Ärger vernimmt. Erst recht, wenn sie dort hören, dass Löw unter Verweis auf den deutschen Linksverteidigermangel feststellte: "Also müssen wir mit dem Marcel Schmelzer weitermachen."

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SZ vom 12.10.2012/mem
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