DFB-Elf unterliegt USA:Weltmeister im Urlaubsmodus

Die erste Halbzeit ist ordentlich, dann schwächelt die deutsche Nationalelf - und verliert das Test-Länderspiel gegen die USA mit 1:2. Um die EM-Qualifikation muss sich aber niemand sorgen, verspricht Kapitän Schweinsteiger.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Sein überschwängliches Hymne auf den aufblühenden US-Fußball unter dem schwäbischen Nationaltrainer Jürgen Klinsmann hatte der Badener Joachim Löw bereits vor dem Spiel gestenreich formuliert. Löw hatte den Weltranglisten-27. vorsorglich aufs Höchste komplimentiert - doch dass er die Niederlage vorhersah, die sich der Weltmeister daheim beim 1:2 gegen die USA leistete, wird kaum seriös zu belegen sein.

Die frühe 1:0-Führung durch den WM-Titeltorschützen Mario Götze hatten die US-Amerikaner kurz vor der Pause egalisiert, drei Minuten vor Schluss erzielte Bobby Wood, der im Sommer vom Zweitligisten Aue zu 1860 München zurückkehrt, den 2:1-Siegtreffer für die Gäste.

"Mit der ersten Halbzeit war ich sehr, sehr zufrieden, in der zweiten Hälfte sind uns zunehmend die Kräfte geschwunden", sagte Löw. "Die Amerikaner waren bissig." Sorgen macht sich der Bundestrainer vor der EM-Qualifikationspartie am kommenden Samstag gegen den sieglosen Fußballzwerg Gibraltar im portugiesischen Faro nicht. Löw versprach, die letzte Aufgabe vor der Sommerpause "mit Konzentration und Seriosität" anzugehen: "Wir werden die Spannung aufrecht erhalten und das Spiel mit Sicherheit gewinnen. Und dann geht es in den wohl verdienten Urlaub."

Löw werden also trotz der Testspielniederlage gegen die USA mit Blick auf Gibraltar keine grauen Haare wachsen. Graue Haare waren im Nationalteam überraschenderweise gerade ein Thema, seit Lukas Podolski kürzlich das 30. Lebensjahr vollendet hat. Bastian Schweinsteiger, der bald sogar 31 wird und im dieswöchigen Kader das zweitälteste Mitglied hinter dem Torwart Roman Weidenfeller, 34, ist, hat beim Blick auf Podolskis juvenilen Schopf behauptet: "Der Lukas hat weniger graue Haare als ich - vielleicht, weil er mehr Spaß am Leben hat."

Solche Vermutungen überraschen ja über einen Fußballer, der beim FC Arsenal in London und bei Internazionale in Mailand zuletzt kaum Gelegenheit zum Spaß besaß und vom treuen Bundestrainer Löw am Mittwochabend ausgerechnet in Köln zunächst auch nur auf die Bank beordert wurde.

Deshalb war Schweinsteiger in der deutschen Startelf der deutlich älteste Spieler. Der Gladbacher Patrick Herrmann feierte auf der rechten Außenbahn sein Länderspiel-Debüt (Löw: "Er hat es sehr gut gemacht") und fügte sich gleich nahtlos in die hohe Qualität der Angriffsreihe mit Mesut Özil, André Schürrle und Mario Götze ein.

In der 12. Minute wedelte der freche Herrmann wie ein Slalomfahrer durch die gegnerische Abwehr, um am Ende mit großer Übersicht Götze zu bedienen. Der Münchner schob zum 1:0 ein, was die fröhlichen US-Boys in statistische Rücklage, aber nicht in Verdruss brachte. Stattdessen brachten sie die junge und international unerfahrene deutsche Abwehrreihe mit Sebastian Rudy, 25, Shkodran Mustafi, 23, Antonio Rüdiger, 22, und Jonas Hector, 25, leicht und häufig in die Bredouille. Es dauerte aber bis zur 41. Minute, bevor der New Yorker Mikkel Diskerud zum verdienten 1:1-Pausenstand ausglich. Diese erste Halbzeit durfte man auch in Übersee als gutes Entertainment bezeichnen.

Khedira trifft nur die Latte

Neulich ist der US-Trainer Klinsmann drüben in seiner Wahlheimat extra früh aufgestanden, "schon um halb Sieben", wie er mit ernster Miene berichtete, um sich ein Fußballspiel in Paderborn im Fernsehen anzuschauen. Es ist in diesem Spiel nämlich um das Schicksal seines Herzensklubs VfB Stuttgart gegangen (mit gutem Ausgang). Klinsmann ist seit vier Jahren Nationaltrainer der USA, er wünscht sich, dass in den USA öfter mal jemand extra früh aufsteht, um sich ein Fußballspiel anzuschauen. "Aber im Land des American Footballs, des Baseballs, des Basketballs und des Eishockeys kommen wir Fußballer weiter hinten." Das Länderspiel in Köln begann in Klinsmanns Bundesstaat Kalifornien um 11.45 Uhr und bot ein perfektes Passiv-Workout für die Mittagspause.

Zumal die US-Spieler mit der Unterstützung ihrer Bundesliga-Profis Timothy Chandler (Frankfurt), John Brooks (Berlin) und Fabian Johnson (Gladbach) sowie dem Auer Bobby Wood ihre deutschen Kontrahenten auch nach der Pause weiter bedrängten. Daran konnte der für Schürrle eingewechselte Kölner Lokalheld Lukas Podolski wenig ändern. Der künftige Juventus-Mann Sami Khedira ersetzte vor der Abwehr Schweinsteiger, aber die Klinsmannschaft kontrollierte das Spiel und gewährte Löws Mannen allenfalls noch Konterchancen, die von den 40 000 Zuschauern lautstark beraunt wurden.

Gute Chancen gab es gegen Ende noch auf beiden Seiten, und so wäre ein durchaus unterhaltsames Unentschieden wohl der passendere Ausgang gewesen für die Männerfreundschaft zwischen Löw und Klinsmann - die beiden Baden-Württemberger, die 2006 Seite an Seite als Assistenz- und Cheftrainer das deutsche Sommermärchen bei der WM erlebt hatten und sich noch heute in den höchsten Tönen für ihre gegenseitigen Kompetenzen loben.

Insofern war Löws explizites Lob für die Amerikaner vor dem Spiel zwar durchaus angemessen, aber natürlich auch ein Akt der Freundlichkeit gewesen - genauso wie das eher gequälte Lächeln, mit dem der Bundestrainer nach Schlusspfiff seinem Spezl zum Sieg gratulierte. "Das war ein unterhaltsames Spielchen mit einem guten Ende für uns", sagte Klinsmann danach. Meine Spieler waren in der Kabine richtig happy. Dieser Erfolg gibt dem amerikanischen Fußball noch mehr Aufmerksamkeit."

Und der Weltmeister? Muss man sich sorgen vor dem EM-Qualifikationsspiel am Samstag gegen Gibraltar? "Ich würde jetzt nicht von einem Warnschuss sprechen", sagte Kapitän Bastian Schweinsteiger, "ich gehe davon aus, dass wir in der Qualifikation ein gutes Spiel zeigen werden". Wenn es wieder um mehr geht als Freundschaft und Freundlichkeit.

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