DFB-Elf startet in die WM-Qualifikation:Fast so berühmt wie Knudsen

Färöer-Stürmer Hjalgrim Elttör hätte beinahe mal ein Ausgleichstor gegen Deutschland erzielt. Doch er traf nur den Pfosten - und wurde trotzdem ein Held, denn die Niederlage im Fußball hat bei den Inselbewohnern eine lange Tradition. Bis auf eine berühmte Ausnahme.

Boris Herrmann, Hannover

Was weiß man über die Färöer? Dass es dort keine Bienen gibt, dass die knapp 50 000 Inselbewohner mit Vorliebe Wale jagen und Schafe hüten. Dass es in ihrer Fußball-Nationalmannschaft ein Walfänger- und Schafzüchter-Block gibt, dass sie ab und an auf Gegner wie Deutschland trifft - und dabei eigentlich schon vor dem Anpfiff verloren hat.

Deutschland Färöer 2:1

Und plötzlich wurde es ganz still: Hjalgrim Elttör (re.) blickt dem Ball nach. Doch der klatscht nur gegen den Pfosten.

Die Geschichte des Nationalspielers Hjalgrim Elttör, 28, blonder Seitenscheitel, passt nicht ganz in dieses Bild. Er hat weder mit Walen noch mit Schafen zu tun. Er besucht gerade eine weiterführende Schule, weil er sich sehr für Mathematik interessiert. Im Übrigen, das weiß Elttör aus seiner Geschichte, kann man auch gegen Deutschland gewinnen. Oder zumindest unentschieden spielen. Jedenfalls hätte man es vor zehn Jahren gekonnt. Theoretisch.

Im Leben eines Fußballer gibt es immer wieder Momente, die über eine ganze Karriere entscheiden können. Elttör sagt: "Ich hatte nur diesen einen Moment." Oktober 2002. Die Färöer spielten in Hannover gegen Deutschland. Genau wie an diesem Freitag. Das Spiel war eines der schauerlichsten in der Ära von Teamchef Rudi Völler. Die Führung durch Michael Ballack hatte Arne Friedrich mit einem Eigentor ausgeglichen. Miroslav Klose erzielte nach 60 Mistkäse-Minuten das 2:1. Immerhin.

In der 71. Minute wurde Hjalgrim Elttör eingewechselt. Er war damals 18 und Zeitungsausträger. In der 84. Minute schlug der Färinger Torhüter Jákup Mikkelsen einen langen Abschlag. Mikkelsen ist inzwischen 42 Jahre alt und wird wohl auch an diesem Freitag gegen die DFB-Auswahl wieder auf der Linie stehen. Bei seinen Landsleuten ist er ein berühmter Mann, sie sagen, er sei "der älteste Toptorhüter der Welt". Populär ist er auch wegen dieses Abschlages vor zehn Jahren. Die deutsche Abwehr verschätzte sich. Und plötzlich war der junge Stürmer Elttör ganz alleine mit dem Ball. Alleine vor Oliver Kahn. Gut dreißig Meter waren es noch bis zum Tor. Elttör sprintete los.

Und dann wurde es ganz leise im Stadion

Die Färöer stehen auf Platz 154 der Weltrangliste, zwischen den Salomon- und den Fidschi-Inseln. Das heißt aber nicht, dass sie deshalb keine Erfolge vorzuweisen hätten. Es gab mal Siege gegen Luxemburg, San Marino, Malta. Und es gab natürlich das legendäre 1:0 gegen Österreich im Jahre 1990. Elttör hat dieses Spiel als Siebenjähriger gebannt vor dem Fernseher verfolgt, er nennt es "eine Sensation dramatischen Ausmaßes". Aber was wäre es gegenüber eines Unentschiedens im Jahr 2002 gegen Deutschland gewesen? Ein Sensatiönchen. "Die Deutschen kamen damals gerade vom WM-Finale in Japan."

Elttör erinnert sich, wie es leise wurde im Stadion von Hannover, als er beim Stand von 1:2 auf Kahn zulief: "Es war so still, dass ich hören konnte, wie mir Jens Jeremies hinterherrannte", sagt er. Das war also der Moment seines Lebens, ein kleiner Zeitungsbote von einer kleinen Schafsinsel im Nordatlantik gegen die Vizeweltmeister Jeremies und Kahn. Elttör lief von halblinks auf Kahn zu, wenn ihn sein Gedächtnis nicht täuscht. Als der Welttorhüter immer größer und der Winkel immer kleiner wurde, entschied er sich für die lange Ecke.

Er nahm den Innenrist seines linken Fußes. Der linke ist ja sein starker Fuß. Aber irgendwas muss im Eifer des Gefechtes schief gelaufen sein. "Ich sah dem Ball hinterher und erschrak, weil er so langsam kullerte", sagt Elttör. Als der Ball gegen den Pfosten klatschte, wurde es wieder laut im Stadion. Kahn ballte die Faust. So, als habe er gerade die Champions-League gewonnen - in der 85. Minute gegen die Färöer. Dieses Bild hat sich bei Elttör eingebrannt. Darauf ist er bis heute stolz.

Seine Landsleute sind es offenbar auch. Immer noch bekommt Elttör Briefe, Mails und Facebook-Nachrichten. Die Leute fragen ihn, ob er noch einmal erzählen könne, wie das damals war mit seinem Pfostenschuss von Hannover. Er erzählt es gerne. Anschaulich und ausführlich. Kaum auszudenken, was mit seinem Leben passiert wäre, wenn er den Ball reingemacht hätte! Dann, sagt Elttör, wäre ich jetzt vielleicht so berühmt wie Jens Martin Knudsen.

Ein Held mit Zipfelmütze

Knudsen stand 1990 gegen Österreich im Tor. Er hatte eine Zipfelmütze auf. Und war unbezwingbar. "Knudsen kennt jeder in Europa", da ist sich Elttör ganz sicher.

Viele Pflichtspieltore hat der Stürmer Hjalgrim Elttör in seiner zehnjährigen Län-derspielkarriere bislang nicht geschossen. Um genau zu sein, waren es null. Er kann das erklären: "Wir sind eine kleine Nation, da muss man erst einmal an die Verteidigung denken."

Elttör hat die Hoffnung trotzdem nicht aufgegeben, dass ihm die Fußballgötter noch einmal die Chance geben, den Ball in dieses denkbar kleine Netz zu schießen. Und er findet, ein Spiel gegen Deutschland in Hannover wäre dafür ein ganz angemessener Anlass.

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