DFB-Elf ringt Österreich nieder:Unter Augenhöhe

Trotz des gewohnten 4-2-3-1-Systems tut sich die deutsche Nationalelf schwer und gewinnt nur mit großer Mühe 2:1 gegen Österreich. Vor allem in der ersten Hälfte wirkt die Abwehr bei den Angriffen der Gastgeber bisweilen hilflos. Das zweite Spiel der WM-Qualifikation bringt zwar den zweiten Sieg - wirft aber viele Fragen auf.

Der Nationalspieler von Mainz 05 hatte den Ball abgefangen, nach einem lausigen Fehlpass des gegnerischen Verteidigers, sofort schickte der Mainzer seinen Kollegen vom VfB Stuttgart auf den Weg. Und dann wurde es gefährlich. Für die Deutschen. Denn der Mainzer Passgeber hieß Julian Baumgartlinger, der Stuttgarter Beinahe-Torschütze hieß Martin Harnik, beide trugen am Dienstagabend, am zweiten Spieltag der WM-Qualifikation, das rote Trikot von Österreich. Wie noch sieben weitere Profis, die ihr Geld bei einem deutschen Klub verdienen, in Düsseldorf, Wolfsburg, Bremen, Schalke.

9:8 für Österreich - so stand es, wenn man die Bundesligaspieler in den Startformationen der beiden Rivalen zählte. Wenn man die Tore zählte, stand es am Ende 2:1 (1:0) für die Deutschen. Aber wie hart dieser Sieg erkämpft werden musste, das zeigte sich schon in dieser 4. Minute, als wohl nur ein beherzter Sprint und die Fußspitze von Holger Badstuber Österreichs frühe Führung verhinderten gegen den frei auf Manuel Neuer zustürmenden Harnik.

"Wir hatten in der ersten Halbzeit einige Fehlpässe, die nicht passieren dürfen", sagte hinterher der Innenverteidiger Mats Hummels; der Fehlpass auf Baumgartlinger kam von ihm. "Wir haben uns heute das Leben selbst schwer gemacht", sagte, etwas grundsätzlicher, der Bundestrainer. Joachim Löw formulierte seine Spielanalyse gleich als Handlungsanweisung für die Zukunft: "Wir haben jetzt mehrere Jahre lang viel an unserer Offensive gearbeitet. Jetzt müssen wir den nächsten Schritt machen: defensiv konsequent sein, früher stören." Joachim Löw hat da in Zukunft wohl noch einiges zu tun angesichts der Verwirrung, die in seinem Abwehrverbund gerade um sich greift.

Immerhin, an der taktischen Grundvorgabe konnte die Verwirrung diesmal nicht liegen: Während beim 3:0 gegen die Färöer vergangenen Freitag noch vier offensive Mittelfeldspieler sowohl die Gegner als auch sich selbst verwirren durften, kehrte Löw nun zu jenem 4-2-3-1-System zurück, das die Nationalelf eigentlich im Schlaf spielen kann: Toni Kroos (defensiv) rückte für Mario Götze (offensiv) ins Mittelfeld. Und weil zudem der Dortmunder Marcel Schmelzer seine Fußprellung auskuriert hatte, durfte er den Linksverteidiger geben, Badstuber rückte in die Innenverteidigung, Per Mertesacker auf die Bank.

Dass Schmelzer auch in den nächsten Partien zur Stammbesetzung zählen wird, darf man allerdings bezweifeln: Während die Kollegen nach und nach wenigstens ein bisschen sicherer wurden, wurde Schmelzer eher unsicherer: Der 1:2-Anschlusstreffer durch den Bremer Zlatko Junuzovic fiel, nachdem der Bremer Marko Arnautovic Schmelzer links überlistet hatte (57.). Und als Arnautovic drei Minuten vor dem Ende den Ausgleich auf dem Fuß hatte, da war er zuvor wem weggelaufen? Schmelzer. Der Ball versprang allerdings, den Deutschen blieben die drei Punkte - aber so richtig verdient war das alles nicht.

Zwei Bremer Profis spielen Deutschland schwindelig: Damit war einiges gesagt über die zweite Halbzeit. Die wohl gruseligste erste Halbzeit der jüngeren Länderspielgeschichte hatte das DFB-Team da bereits hinter sich. Kaum dass die Partie begonnen hatte, war jedenfalls eindrucksvoll zu besichtigen, dass der Bundestrainer nicht ganz richtig gelegen hatte mit seiner Prognose, Marcel Kollers Österreicher würden in ihrem "Spiel des Jahres" einen "Abnutzungskampf auf Augenhöhe" liefern. Einen Abnutzungskampf - wenn man es denn so martialisch nennen will - sah man zwar durchaus. Aber einen, bei dem sich die Deutschen tendenziell unterhalb der Augenhöhe bewegten.

Reus trifft, ohne zum Tor zu blicken

Jedenfalls waren es - vor allem am Anfang und am Schluss der Partie - die Gastgeber, die das Spiel bestimmten: Der Mainzer Ivanschitz probierte es mit Weitschüssen (11., 15.), Harnik nutzte das Durcheinander vor dem deutschen Strafraum und schoss knapp am Pfosten vorbei (12.). Auf der anderen Seite erinnerte man sich später eigentlich nur an eine vergebene Chance von Thomas Müller aus der 10. Minute - so nahe kamen die Deutschen dem gegnerischen Tor danach lange nicht mehr.

Dass dem Bayern-Spieler Müller der Ball dabei nur zufällig vor die Füße gesprungen war, passte zu diesem Spiel, das längst befremdliche Züge angenommen hatte: Nach dem 3:0 gegen die Färöer hatten die Deutschen noch - vergleichsweise milde - über die mangelnde Chancenverwertung geklagt. Jetzt wären sie schon froh gewesen, wenn es wenigstens ein paar Chancen zum Verdaddeln gegeben hätte. Doch oft verhedderte sich der Ballführende im Dickicht der österreichischen Abwehrbeine. Ebenso häufig ging der Ball schon im Spielaufbau verloren - und darüber waren die Deutschen dann derart verdattert, dass sie die Österreicher zum Kontern geradezu ermunterten.

Dann die 44. Minute: Der sonst eher unauffällige Dortmunder Marco Reus schloss einen Sololauf aus dem Nichts zum 1:0 ab - ohne beim Schuss zum Tor zu blicken. Das war dann fast wieder lässig: in einem "Augenhöhe"-Spiel ohne Hinzugucken die Führung zu erzielen. Dann, nach der Pause, ein glücklicher Elfmeter: Kavlak hatte Müller umgerempelt, Mesut Özil verwandelte zum 2:0 (52.). "Hätten wir es danach besser gemacht", sagte Löw, "hätte Österreich keine Chance mehr gehabt. Wenn man führt, muss man doch in der Lage sein, den Ball zu behaupten." Es klang eher wie eine Frage denn wie eine Analyse.

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