DFB-Elf: Miroslav Klose:Der altgediente Zimmermann

Miroslav Klose wird Gerd Müller bald als deutschen Rekordtorschützen ablösen. Das liegt nicht an Gegnern wie Kasachstan oder Aserbaidschan, sondern an der erfolgreichen Verweigerungstaktik des Bundestrainers.

Carsten Eberts, Kaiserslautern

Die Legitimation für sein Vorhaben hat er sich längst eingeholt, Miroslav Klose ist schließlich ein freundlicher Mensch. "Ich habe mit Gerd gesprochen", verriet er am Samstagabend in Kaiserslautern, frisch geduscht und mit einem Lächeln im Gesicht, das er all die Wochen zuvor in München versteckt hatte: "Gerd ist nicht böse, wenn ich ihn überhole. Er würde sich sogar freuen."

Germany v Kazakhstan - EURO 2012 Qualifier

Auch ein Meister in der Disziplin "Hochhüpfen nach Tor": Miroslav Klose.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es besteht kein Zweifel mehr, dass Klose Gerd Müller als deutschen Rekordtorschützen ablösen wird. Zwei Tore gegen Kasachstan ließen sein Länderspiel-Konto auf 61 Treffer anschwellen, bis zu Müller (68 Tore) sind es nur noch sieben. Die Rechnung ist nicht schwer: Zehn Länderspiele hat die deutsche Nationalmannschaft 2011 noch geplant, da sind sieben Tore ein realistisches Ziel. Anfang Juni geht es in Baku auch noch gegen Aserbaidschan. Was soll da schiefgehen?

Auch Klose, 32, ist mittlerweile soweit, dieses Ziel offen zu formulieren. "Klar, jetzt bin ich schon so weit gekommen, dann will ich natürlich auch ganz vorne stehen", verkündete er, "und wenn ich Gerd einholen oder überholen sollte, wäre das faszinierend für mich." Seinen Mitspielern geht es ähnlich, etwa Dennis Aogo, der orakelte: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er sich den Rekord auch noch holt." Wa soll da bitte noch schiefgehen?

Sollte Klose bis zur EM 2012 deutscher Rekordtorschütze werden, liegt das gewiss nicht nur an Mannschaften wie Kasachstan oder Aserbaidschan. Es liegt vor allem an Bundestrainer Joachim Löw und dessen notorischer Verweigerungshaltung, offensive Tendenzen aus der Bundesliga automatisch in die Nationalmannschaft zu übertragen. Beim FC Bayern stand Klose letztmals im September 2010 in der Startelf, wurde zuletzt achtmal in Serie eingewechselt, stets erst nach der 65. Minute. Auf seiner Position spielt Mario Gomez, der in schöner Regelmäßigkeit für den FC Bayern trifft.

In Kaiserslautern sagte Löw dennoch: "Miro hat über Jahre hinweg herausragende Leistungen gezeigt. So lange er bei uns trifft, ist klar, dass er bei uns spielt." Genau wie sich Louis van Gaal in München auf Gomez als prägende Offensivkraft festgelegt hat, verfährt Löw exakt andersherum. Er vertraut Klose, weil dieser ihm keinen Anlass gibt, es nicht zu tun.

Vor allem die erste Halbzeit hatte Löw in seinem Denken bestätigt. Klose legte los, als wolle er Müllers Rekord schon an diesem Samstagabend egalisieren. Nach drei Minuten hielt er seinen Fuß in einen Schweinsteiger-Freistoß, es war sein 60. Länderspieltor. Natürlich war es eine nette Geschichte, dass Klose ausgerechnet in Kaiserslautern traf, wo er einst als Fan in der Westkurve stand, vor zehn Jahren Nationalspieler wurde und in späteren Karrierejahren vielleicht noch einmal hinwechseln wird.

Variante mit zwei Stürmern

Klose hätte anschließend erhöhen können, legte sich den Ball erst zu weit vor (20.), scheiterte dann aus kurzer Distanz gleich doppelt am kasachischen Keeper Dawid Lorija (28.). Sein zweiter Treffer, Nummer 61 im DFB-Trikot, gelang ihm auf beste Vorarbeit von Sami Khedira schließlich zwei Minuten vor Schluss. Klose stand richtig, und verwertete sicher. Wie ein altgedienter Zimmermann, dem an der Säge in der heimischen Werkstatt niemand etwas vormacht.

Löws Festlegung auf Klose wurde Mitte der zweiten Halbzeit noch untermauert - just, als er mit Mario Gomez dessen nominell ärgsten Stammplatzkonkurrenten ins Spiel brachte. Gomez kam in der 65. Minute, nicht etwa für Klose, wie es dem Spielsystem entsprochen hätte, sondern zusätzlich als zweiter Stürmer. Klose ließ sich folglich etwas zurückfallen, Offensivkoordinator Mesut Özil agierte plötzlich über links, was weder Özil, Gomez noch Klose guttat.

Es wäre zu kurz gegriffen, die Hereinnahme von Gomez alleine für das mangelnde Spektakel in der zweiten Halbzeit verantwortlich zu machen. Es war die Phase des Spiel, als das deutsche Team einen Großteil der Arbeit bereits als verrichtet betrachtete, gar die Pfiffe des Publikums ertragen musste, das sich auch in der zweiten Hälfte ein torreiches Spektakel versprochen hatte. Gomez mühte sich, erkämpfte sich Halbchancen, vergab diese, klaute Klose einmal den Ball, der sich hinter ihm einschussbereit positioniert hatte.

"Was wir uns vorwerfen müssen, ist, dass wir die Chancen unklar gespielt haben", sagte Klose hinterher. Im Grunde war das eine freundliche Umschreibung dafür, dass der großangelegte Rollentausch dem zuvor funktionierenden deutschen Offensivspiel nicht gutgetan hatte. In Verbindung mit der Herausnahme des Tempos ergab sich die Langeweile, die in der zweiten Halbzeit zu beobachten war.

Einen ebenfalls unglücklichen Abend erlebte Lukas Podolski - jener verkappte Stürmer auf der linken Außenbahn, der gegen minderbemittelte Gegner der Marke Kasachstan eigentlich besonders gerne trifft. Der schoss in den ersten 20 Minuten auffallend häufig aufs Tor, verlor in den folgenden 45 Minuten bis zu seiner Auswechslung auffallend häufig den Ball. Es war kein guter Tag für Podolski.

Löw verkündete zwar noch, dass er die Variante mit Klose und Gomez auch künftig nicht ausschließen will. Er sagte: "Das gibt es immer mal, dass man auf ein 4-4-2-System umstellt, wenn man zwei solche Topstürmer hat." Vielleicht sogar im Juni in Baku, wenn Deutschland gegen Aserbaidschan bereits eine sichere Führung herausgeschossen hat. Und Miroslav Klose bis dahin noch ein wenig nachhaltiger an Gerd Müllers ehrwürdiger Marke kratzen konnte.

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