Deutsche Nationalmannschaft:Das Bild des Scheiterns wird immer klarer

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Das Unruhe-Potenzial durch Özils und Gündoğans Erdoğan-Fotos war am Ende tatsächlich größer als der innere Zusammenhalt dieser Elf. (Foto: dpa)

Toni Kroos' Aussagen zeigen erneut: Die deutschen Nationalspieler waren sich bei der WM in Russland uneins, wie sie mit Özil und Gündoğan umgehen sollen. So hat der Weltmeister das Schicksal vieler großer Teams erlitten.

Kommentar von Christof Kneer

Seit Wochen wartet die Nation auf nachträgliche Sensationsmeldungen von der Fußball-WM. Warum ist Deutschland wirklich ausgeschieden? Hat es gespukt im finsteren Birkenwald bei Watutinki? Haben die DFB-Scouts beim Versuch, Südkorea zu analysieren, versehentlich Spiele der Fidschi-Inseln geguckt? Oder wollten die Spieler nur früher in den Urlaub, und zwar an einen Ort, den sie sich, anders als Watutinki, selbst raussuchen können, wie Toni Kroos bei einer Pressekonferenz mal witzelte?

Nun ist sie raus, die Sensation, und sie hat mit Toni Kroos zu tun. Die Sensation: Toni Kroos muss sich anstrengen beim Fußball. Er mache weiter beim DFB, teilte er mit, brauche aber "mehr Ruhepausen" - eine spektakuläre Enthüllung, weil man bisher immer dachte, Kroos nehme sich seine Ruhepausen im Spiel. Er sprintet kaum, grätscht kaum und will trotzdem ruhiger machen? Uiuiui.

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Toni Kroos kritisiert die Art und Weise des Rücktritts seines Teamkollegen aus der DFB-Elf. Kroos selbst will bis zur EM 2020 weitermachen. Auch Sami Khedira signalisiert Bereitschaft.

Der Weltmeister hat das Schicksal vieler großer Teams erlitten

Toni Kroos ist ein Weltklassespieler übrigens, es ist gut, dass er weitermacht, die DFB-Elf braucht ihn noch dringend. Der wahre Nachrichtenwert steckt in seinen scharfen Sätzen über Mesut Özil - erst recht, wenn man die wohlwollenden Sätze dagegen schneidet, die kurz zuvor aus der Reisegruppe Watutinki zu hören waren. So hat Stürmer Timo Werner, auch im Namen namenloser Kollegen, ein DFB-Comeback von Mesut Özil angeregt ("ich glaube, dass viele in der Mannschaft glücklich wären, wenn Mesut sagen würde, ich mach's noch mal"). Man traut sich nicht zu viel, wenn man feststellt: Kroos gehört zu diesen "vielen" eher nicht.

Je mehr Spieler sich äußern, umso klarer wird nun das Bild dieses Scheiterns: Jogi Löw ist mit zwei Deutschlands zum Turnier gereist. Der eine Teil des Teams hat die wegen des Erdoğan-Fotos umstrittenen Mesut Özil und Ilkay Gündogan offenbar in Schutz genommen, eine andere Fraktion hat ebenso offenbar übel genommen - jeweils weniger aus konkret politischen Gründen, sondern wegen des Unruhe-Potenzials, das am Ende tatsächlich größer war als der innere Zusammenhalt dieser Elf.

So hat der Weltmeister das Schicksal vieler großer Teams erlitten: Der kleine Umbruch nach dem WM-Titel hat bewährte Hierarchien zerstört, und ohne die Debattenbeiträge von Lahm, Schweinsteiger, Mertesacker und Klose waren Team und Trainer nicht mehr in der Lage, die Kabine so zu organisieren, dass alle auf derselben Seite sitzen. Um so etwas wird sich auch Toni Kroos künftig kümmern müssen - natürlich nur, wenn er nicht gerade Pause macht.

© SZ vom 17.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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