DFB-Elf: Kapitän Lahm:Neuer Anfang mit Freude

DFB-Spieler Philipp Lahm nennt Depressionen eine "Krankheit der Gesellschaft und nicht des Fußballs". Und freut sich trotz halbleeren Stadions auf den Test gegen die Elfenbeinküste.

Thomas Hummel

Philipp Lahm freut sich auf das nächste Fußballspiel. Was sonst der selbstverständlichste Satz wäre, musste der Nationalspieler am Dienstag laut betonen. "Ich freue mich, morgen zu spielen. Es muss irgendwie wieder losgehen", sagte der Nationalspieler bei einer DFB-Pressekonferenz.

DFB-Elf: Kapitän Lahm: "Man trauert auch, um dann einen neuen Anfang zu machen": Philipp Lahm.

"Man trauert auch, um dann einen neuen Anfang zu machen": Philipp Lahm.

(Foto: Foto: Getty)

Der Außenverteidiger des FC Bayern wird gegen die Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) als Kapitän ins Gelsenkirchener Stadion gehen, weil Michael Ballack wegen einer Knieverletzung pausieren muss. Lahm äußerte sich als einer der ersten Nationalspieler nach dem Tod von Robert Enke öffentlich und unterstrich, dass es den Profis nicht möglich gewesen sei, das Länderspiel am Samstag gegen Chile auszutragen. "Es war für die Mannschaft sehr wichtig, am Sonntag nach Hannover zu fliegen und sich bei der Trauerfeier zu verabschieden. Es war sehr gut, die Zeit zu haben, um zu trauern", sagte Lahm. Aber: "Man trauert auch, um dann einen neuen Anfang zu machen."

Die Nationalmannschaft wird also am Mittwoch um 20:45 Uhr in der Schalke-Arena die Zeit nach dem Torhüter Enke beginnen. Teammanager Oliver Bierhoff berichtet davon, dass sich "die Stimmung langsam auflockert", und hofft, dass die Mannschaft mit Elan und Freude spiele, weil das "wäre auch Roberts Wunsch gewesen".

Wiese beginnt im Tor

Der Anfang wird dann also so aussehen, dass die DFB-Elf ein Trikot von Robert Enke mit auf die Ersatzbank nimmt, dass Bilder aus Enkes Karriere über den Videowürfel flimmern und die Teams in einer Schweigeminute verharren. Lahm fürchtet zwar, dass es "sicher schwer werden wird, danach umzuschalten", aber jeder werde sein Bestes geben, "jeder kämpft ja auch um die Plätze". Die elf Plätze in der Mannschaft.

Die schwierige Aufgabe, das Nationaltor nach Enkes Tod zu hüten, übernimmt in der ersten Halbzeit Tim Wiese. Der Bremer wird damit sein erstes Länderspiel von Beginn an bestreiten, in der Pause löst ihn der Schalker Lokalmatador Manuel Neuer ab. Außerdem steht fest, dass im Angriff der Leverkusener Stefan Kießling beginnen wird. "Für mich ist es eine Chance, mich da zu zeigen", sagte Kießling, der derzeit die Torschützenliste der Bundesliga anführt.

Ungewohnt wird das Spiel gegen die Elfenbeinküste indes auch wegen der zu erwartenden leeren Ränge: Stand 12:04 Uhr am Dienstag wurden erst 25.904 der 53.000 Karten verkauft. Nach vielen Jahren, in denen selbst Länderspiele gegen Amateurteams stets ausverkauft waren und vom Publikum zumindest vor dem Spiel zu einem Volksfest gemacht wurden, scheint der DFB nun die Auswirkungen der zuletzt schwachen Auftritte bei Testspielen zu spüren. Vor allem die Niederlage gegen Norwegen zu Jahresbeginn verursachte Missstimmung, weil einige Nationalspieler danach um Verständnis baten, solche Partien etwas langsamer angehen zu lassen. Nun lassen es offenbar die Zuschauer etwas langsamer angehen.

Elfenbeinküste ohne Drogba

Dabei könnten sie sich auf einen attraktiven Gegner freuen. Zwar fehlt der Elfenbeinküste Starstürmer Didier Drogba vom FC Chelsea wegen einer Rippenverletzung, doch mit Salomon Kalou (Chelsea), Eboué (FC Arsenal), Yaya Touré (Barcelona), Zokora, Romaric (beide FC Sevilla) und den Bundesliga-Spielern Arthur Boka (Stuttgart) und Guy Demel (Hamburg) haben die Westafrikaner prominente Akteure dabei. Die Qualifikation für die WM in Südafrika schaffte die Elfenbeinküste vorzeitig. "Die Afrikaner sind gut besetzt, aber wir haben auch schon gegen andere gute Mannschaften gespielt und tun uns vielleicht gegen solche Gegner leichter", sagte Bierhoff. Leichter als gegen defensive Außenseiter.

Am Ende aber, so schloss der Teammanager, "weiß keiner, wie das am Mittwoch ausgeht". Wie die Erinnerungen an den Tod des Mitspielers Robert Enke die Leistungen der Spieler beeinflussen. Vielleicht könne jeder Profi "eine eigene, persönliche Motivation für sich finden".

Und manchmal scheint es, als haben Gespräche in den vergangenen Tagen dazu geführt, dass sich der Fußball, oder zumindest die Nationalmannschaft psychologisch abgrenzen kann vom Schicksal Robert Enkes. Bundestrainer Joachim Löw hatte am Montag gesagt, man dürfe sich etwa wegen der Nichtnominierung Enkes für die Länderspiele "keine Vorwürfe machen", weil die Depressionen des Torwarts damit nicht behoben gewesen wären. Lahm betonte nun: Depressionen seien "eine Krankheit der Gesellschaft und nicht des Fußballs". Durch die große Anteilnahme der Menschen am Tod Enkes habe sich aber gezeigt, dass sich die Gesellschaft diesem Tabuthema etwas öffnet und "man vielleicht doch mehr über Probleme sprechen kann, als man glaubt".

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