DFB-Elf in der Einzelkritik:Lahm überhitzt, Götze wurstelt

Philipp Lahm wird erst spät zum Spieler, den die Welt unter "Philipp Lahm" kennt. Thomas Müller schießt ein schrulliges Tor nach dem anderen - und Mario Götze gewinnt tatsächlich ein Kopfballduell. Die DFB-Elf beim 4:0 gegen Portugal in der Einzelkritik.

Von Christof Kneer und Philipp Selldorf, Salvador

DFB-Elf in der Einzelkritik

Manuel Neuer

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(Foto: AFP)

Philipp Lahm wird erst spät zum Spieler, den die Welt unter "Philipp Lahm" kennt. Thomas Müller schießt ein schrulliges Tor nach dem anderen - und Mario Götze gewinnt tatsächlich ein Kopfballduell. Die DFB-Elf beim 4:0 gegen Portugal in der Einzelkritik. Manuel Neuer: Nach fünf Minuten gab es den Beweis: Neuer griff sich Hugo Almeidas Schuss über Schulterhöhe, und: Die Schulter hielt. Es wurde aufgrund der frühen deutschen Führung nicht das befürchtete Torwartspiel, und so durfte sich Neuers Schulter relativ stressfrei an die Bedingungen in Brasilien gewöhnen. In der Nachspielzeit hielt seine Schulter sogar einem Ronaldo-Freistoß stand.

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Jérôme Boateng

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(Foto: dpa)

Jérôme Boateng: Es wurde aufgrund der frühen deutschen Führung auch nicht das befürchtete Cristiano-Ronaldo-Spiel, und so durfte sich der als Gegenspieler ausersehene Boateng überraschend stressfrei an die Bedingungen in Brasilien gewöhnen. Diesen Luxus muss man sich ja erst mal leisten wollen: den besten Zweikämpfer im Team auf die rechte Abwehrseite zu stellen. Löw leistete sich den Luxus, und es ging gut. Ronaldo sei Dank, aber auch: Boateng sei Dank.

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Per Mertesacker

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(Foto: AFP)

Per Mertesacker: Konnte nicht verbergen, dass es ihm erheblich zu heiß war. Nutzte die Pausen, die sich in seiner Region relativ oft ergaben, um einen völligen Stillstand herbeizuführen oder in nicht wahrnehmbarem Tempo in Position zu traben. Verpasste trotzdem nicht die Momente, die seine Teilnahme erforderten. Rückte zum gelegentlichen Pressing bis tief in die gegnerische Hälfte vor. Muss damit leben, dass er im Laufe der WM nicht kleiner und vermutlich auch nicht viel leichter werden wird. Ist aber erfahren genug, um mit diesem Wissen zu leben.

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Mats Hummels

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Mats Hummels: Hatte mehr Arbeit zu erledigen als sein Nebenmann in der Abwehrmitte. Im defensiven Kopfballspiel eine überlegene Instanz, im offensiven Kopfballspiel ebenso - was ihn zum Schützen des wegweisenden 2:0 beförderte. Beinahe hätte er noch ein weiteres Tor geschossen, ein Eigentor allerdings. Beim Verteilen langer Bälle in die vorderen Linien war Hummels noch nicht auf seiner Höhe, die Franz-Beckenbauer-Pässe sahen meistens eher wie Paul-Steiner-Pässe aus. Musste später humpelnd raus, nachdem er sich am Oberschenkel wehgetan hatte. Scheint aber nicht so schlimm zu sein - ein Schlag, mehr nicht, wie später zu hören war.

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Benedikt Höwedes

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(Foto: AFP)

Benedikt Höwedes: Bevorzugte das Kurzpass-Spiel, jedoch nicht nach spanischer Art im Tiki-Taka-Verfahren, sondern nach guter alter Schule: lieber einen Sicherheitspass zu viel als einen Risikopass zu wenig. Dieses Denken beruhte einerseits auf den Anweisungen des Trainers, denn Höwedes sollte vor allem die Stabilität der Deckung gewährleisten; andererseits auf der Einsicht in die eigenen Grenzen und somit auf freiwilliger Selbstbeschränkung. Bei seinen raren Ausflügen in den Angriff versuchte er meist Götze zu unterstützen. Als dieser ihn ins filigrane Kombinationsspiel einzubeziehen versuchte, befand sich Höwedes jedoch in Schwierigkeiten. Einmal wurde er frech und machte einen Hackentrick auf Götze, der sogar ankam. Aber leider: Götze stand im Abseits. Defensiv hatte er zwar mitunter seine Nöte mit Nani und anderen flinken Portugiesen, letztlich erfüllte er aber seine Aufgabe im Kollektiv der linken Vorstopper.

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Philipp Lahm

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(Foto: AP)

Philipp Lahm: Man werde überraschende Dinge bei dieser WM sehen, hieß es vorher. Das überraschendste Ding gab es nach acht Minuten zu sehen: Lahm verlor in zentraler Position den Ball. Ansonsten für sein angeborenes Timing gerühmt, fiel der Kapitän anfangs einige Male durch zu späte Abspiele auf. Gedanklich nicht ganz gegenwärtig, Lahm wirkte überhitzt und überlastet. Verschaffte sich dann Genugtuung, als er Nanis schwungvolles Solo stoppte, indem er höchst gegenwärtig im genau richtigen Moment zu Boden ging und im Liegen den Ball angelte. Wurde anschließend wieder der Spieler, den die Welt unter dem Namen "Philipp Lahm" kennt: souverän, immer einen Blick voraus. Seine leise Führungskraft ergänzte sich gut mit der physischen Präsenz von Sami Khedira. Traute sich am Ende sogar in die Offensive.

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Sami Khedira

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(Foto: AFP)

Sami Khedira: Schoss in der achten Minute aus 20 Metern am Tor vorbei, das kann mal passieren. Was allerdings nicht passieren darf: dass ein Spitzenprofi am leeren Tor vorbeischießt, wie es Khedira nach dem Zauberpass von Portugals Torwart Rui Patricio tat. Ansonsten eine beeindruckende Leistung des Mannes, den Joachim Löw zum Máximo Líder des Teams ernannt hat. Genoss es von Anfang an, dass Philipp Lahm hinter ihm stand: Konnte sein offensives Temperament ausleben. Interpretierte die Rolle anfangs wie bei der WM in Südafrika, als er einen halben Spielmacher gab. Immer und immer unterwegs, war oft sogar vor Toni Kroos anzutreffen. In seinen vorwitzigsten Momenten preschte er sogar in jene Räume, die dank des Mittelstürmermangels immer wieder unbesetzt waren. Der gebürtige Sechser erfand also einen falschen Zehner, der dann den falschen Neuner gab. Spritzigkeitsdefizite waren mitunter unverkennbar, das ist nach einem Kreuzbandriss mit sieben Monaten Pause aber keine krasse Überraschung. Dank des früh entschiedenen Spiels konnte Löw es sich sogar leisten, seine Wuchtbrumme 90 Minuten spielen zu lassen. Für die kommenden deutschen Gegner ist das keine gute Nachricht: Khedira tut jede Spielminute gut.

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Toni Kroos

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(Foto: AFP)

Toni Kroos: Verzichtete auf Eitelkeiten und nahm einen Platz im Hintergrund des deutschen Spiels ein. Seine Fähigkeiten prädestinieren ihn zum Spielmacher und zum Erfinder von berauschenden Momenten, aber die spektakulären Szenen entfielen vorwiegend auf den unternehmungslustigen Sami Khedira, während Kroos in dessen Rücken zunächst die unauffälligeren Pflichten erledigte. Ab und zu sah man ihn sogar kämpfen und schuften wie Steffen Freund oder Heinz Simmet. Je länger das Spiel dauerte und je mehr Lücken auf dem Platz entstanden, desto mehr Unterhaltung bot er dem Publikum. Spielte einige feine Steilpässe und mikromillimetergenaue Diagonalbälle, von denen Steffen Freund und Heinz Simmet, bei allem Respekt, nicht mal träumen durften.

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Mesut Özil

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(Foto: dpa)

Mesut Özil: Machte nach einer guten Stunde Platz für André Schürrle, und der erste, der ihm zu seiner Leistung gratulierte, war Sami Khedira, der zu diesem Zweck den halben Platz überquerte. Dies war der Versuch und der Wunsch, Özil für größere Taten in den kommenden Tagen zu ermutigen. Die Geste zeigte: Hier braucht ein Spitzentalent Pflege. Am Montag war seine Leistung nicht brillant. Sie war aber auch nicht so verzagt und verschüchtert wie bei den vorigen Länderspielen.

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Mario Götze

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(Foto: Dylan Martinez/Reuters)

Mario Götze: Kurz nach Beginn, in der zweiten Minute, gab es eine Sensation zu bestaunen: Götze gewann ein Kopfballduell. Ansonsten in den Nahtstellen als Wühler und Wurstler unterwegs. Wühlte und wurstelte mal mehr, mal weniger geschickt, eine seiner gelungenen Wühl- und Wurstelaktionen führte gleich zum Elfmeter. Anders als dies zuletzt beim FC Bayern der Fall war, fand Götze immer wieder den Weg in die gefährlichen Räume. Mit zunehmender Spieldauer verwurstelte er sich allerdings immer mehr.

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Thomas Müller

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(Foto: Getty Images)

Thomas Müller: Manche Spieler rennen elf, zwölf, vielleicht sogar 13 Kilometer pro Spiel, bei Müller hatte es den Anschein, als hätte er die 13 Kilometer schon nach 20 Minuten auf dem Tacho. War trotzdem fit genug, um den Elfmeter im schrulligen Müller-Style zu verwandeln. Agierte hin und wieder als Pressing-Abteilung und schreckte auch vor dem Zweikampf mit Pepe nicht zurück. Das hatte Folgen - für Pepe. Kurz vor der Pause legte Müller ein weiteres schrulliges Müller-Tor nach. In der zweiten Halbzeit noch ein Abstauber-Tor nach Art seines Namensvetters Gerd. Wer sagt eigentlich, dass Deutschland keine Stürmer hat?

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André Schürrle

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(Foto: dpa)

André Schürrle: War von Löw als Joker für die entscheidende Spielphase eingeplant. Kam dann auch als Joker, aber das Spiel war längst entschieden.

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Shkodran Mustafi

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(Foto: AFP)

Shkodran Mustafi: Nicht Großkreutz, sondern Mustafi ersetzte Hummels, rückte nach hinten rechts. Eine Beförderung, mit der vor sechs Wochen niemand gerechnet hatte. Am wenigsten Mustafi.

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Lukas Podolski

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Lukas Podolski: War von Löw als Joker für die entscheidenden Spielphase eingeplant, aber - siehe: Schürrle. (Archivbild)

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