DFB-Elf in der Confed-Cup-Einzelkritik:Haken-Hasen im Confeddi-Regen

Cheffigkeit in der Abwehr, ein neuer Aggressive Leader und weitere Attraktionen für die Zukunft. Die DFB-Elf beim Confed Cup in der Turnier-Einzelkritik.

Von Martin Schneider, Sankt Petersburg

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Marc-André ter Stegen

Chile - Deutschland

Quelle: dpa

Ist in seinem wahren Leben - man vergisst das in Deutschland sehr leicht - Stammtorwart des FC Barcelona. Hütet somit das Tor eines der vier besten Vereine der Welt, hatte aber vor dem Confed Cup noch nicht mal die Stelle des Ersatztorwarts beim DFB sicher. Bekam nach dem ersten Chile-Spiel hochoffiziell vom Bundestrainer die Zusage, jetzt nach Manuel Neuer der Beste hinter dem Besten zu sein. Man konnte ihm ansehen, wie sein Pulsschlag um 20 Schläge pro Minute runterging, weil er wusste, dass nun nicht mehr jeder Fehler gegen ihn verwendet werden wird. Überzeugendes Turnier der neuen deutschen Nummer zwei.

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Bernd Leno

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Quelle: AFP

Wenn man es hart formulieren will: Einer der wenigen Verlierer des Confed Cups. Hatte nach der arg mittelmäßigen Saison in Leverkusen sowieso nur noch geringe Chancen, sein seit der Jugend ausgefochtenes Privat-Duell mit ter Stegen zu gewinnen. Bekam dann gegen Australien seine Chance und verschuldete mehr oder weniger beide Gegentore. Ein schwarzer Tag am Schwarzen Meer.

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Kevin Trapp

Chile v Germany - FIFA Confederations Cup Russia 2017 - Final

Quelle: REUTERS

Der einzige deutsche Spieler, der keine Sekunde spielte. Das ist meist das Schicksal von dritten Torhütern, eine Rolle wie das zweite Ersatzrad. Durfte die Zeit immerhin meist im sehr sonnigen Sotschi verbringen, was einem Urlaub nahe kam. Darf sich außerdem sicher sein, dass das Trainer-Team ihn stärker sieht als Ralf Fährmann, Timo Horn oder Oliver Baumann. Wer die drei regelmäßig in der Bundesliga sieht, der weiß: Das ist keine kleine Leistung.

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Shkodran Mustafi

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Quelle: AP

Produzierte den Fehler des Turniers, als er auf die Wahnsinnsidee kam, als letzter Mann einen flachen Pass zwischen Arturo Vidal und Alexis Sanchez spielen zu wollen. Die Lücke war höchstens so breit wie das Land Chile, der Pass blieb hängen, Sanchez traf. Im Finale dafür einer der besten Spieler auf dem Platz. Stopfte Lücken, statt sie zu suchen. Kühlte die Gemüter der Mannschaft, als Chile den Ofen in der zweiten Halbzeit richtig anfeuerte. Cheffigster der drei getesteten Abwehrchefs. Wäre im Moment noch erste Alternative zu Boateng, Hummels und Höwedes - oder erster Kandidat für eine Dreierkette.

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Antonio Rüdiger

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Quelle: AFP

Rappte bei der Siegerfeier in erstaunlichem Tempo. Aufgewachsen an der Sonnenallee in Neukölln und allein deswegen schon mit natürlichem Swag gesegnet. Athletisch mit Sicherheit der beste deutsche Verteidiger und so schnell, dass er erst noch "dabben" könnte, bevor er manchen Stürmern hinterhersprintet. Sein Problem: Der Spielaufbau. Hat im Passspiel nicht die Fähigkeiten seiner Konkurrenten, verliert den Ball oft wie das Mikro beim Drop. Kam ihm zu Gute, dass Deutschland im Halbfinale und im Finale früh traf und verteidigen konnte. Hatte starke Momente - und wohl ein Angebot vom Chelsea.

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Matthias Ginter

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Quelle: AFP

Erlebte ein Horrorspiel in der Gruppenphase gegen Chile, als er von Alexis Sanchez von links nach rechts und von oben nach unten gedreht und gewendet wurde. Schon in Dortmund mit ein paar schwindeligen Spielen, insofern erstaunlich, dass er sich in den folgenden Partien fing und zu einem stabilen Teil der Abwehrkette wurde. Zuweilen mit Pässen, die erahnen lassen, dass er in Freiburg mal als defensiver Mittelfeldspieler begonnen hat. Hat nun drei Sommer in Folge ein Turnier gespielt und ist damit Weltmeister, Olympia-Medaillen-Gewinner und Confed-Cup-Sieger. Eine Titelsammlung, die Alexis Sanchez schwindelig macht.

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Niklas Süle

Germany Training and Press Conference - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Quelle: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty

Sprach freizügig über seine kulinarischen Vorlieben (u.a. Tacos, Burritos und Burger), sagte, er habe 95 Kilo reine Muskelmasse und sei außerdem ein Lebemann. Bei seinen Auftritten gegen Chile und Kamerun überzeugend. Rotierte gegen Mexiko aus der Mannschaft, weil der Bundestrainer Benjamin Henrichs reinrotieren wollte. Bekam dann, durchaus zur Überraschung einiger, keinen Startplatz im Finale. Warum, das hat der Bundestrainer noch nicht erklärt. Hat jetzt beim FC Bayern Mats Hummels und Jérôme Boateng vor der Nase. Wenn er sich da durchsetzt, spielt er auch Nationalmannschaft.

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Jonas Hector

Chile - Deutschland

Quelle: dpa

Die treue Seele des deutschen Spiels. Spielt (fast) immer und (fast) immer sehr gut. Besitzt Dynamik, Zweikampfhärte, Schnelligkeit und vor allem Spielverständnis. Mehrfach Initiator des letzten oder vorletzten Passes vor einem Tor, defensiv nur im Finale mit kleinen Wacklern. Joachim Löw sagte mal den berühmten Satz, er könne sich ja auch keinen Außenverteidiger schnitzen. Dann kam irgendwann Jonas Hector. Wenn er sich nicht verletzt, wird er bei der WM jedes Spiel machen.

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Joshua Kimmich

Chile v Germany: Final - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Quelle: Getty Images

Kam als Bankdrücker des FC Bayern, ging als Führungsspieler der Nationalmannschaft. Einer von fünf klaren Gewinnern des Turniers, zweimal sogar Kapitän. Soll in München die Nachfolge von Philipp Lahm antreten und tat alles, um diese unmögliche Aufgabe tatsächlich zu packen. Stets der Aggressive Leader auf dem Platz, oft als Rechtsverteidiger Initiator von Angriffen. Wie Lahm in der Lage, seine taktische Rolle zu verlassen, und ins kalkulierte Risiko zu gehen. Spielte drei Postionen, nur nicht im defensiven Mittelfeld, wo er eigentlich am stärksten ist. Auch außerhalb des Platzes ein sehr kluger Zeitgenosse. Löw prophezeite ihm eine "Riesenkarriere". Und meistens hat der Bundestrainer ja recht.

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Benjamin Henrichs

Germany v Mexico: Semi-Final - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Quelle: Bongarts/Getty Images

Jüngster in einer jungen Mannschaft und als keiner mehr damit gerechnet hat, dass er Einsatzminuten bekommt, warf ihn der Bundestrainer ins Halbfinale gegen Mexiko. Zeigte sein enormes Talent und bereitete direkt mal ein Tor von Leon Goretzka vor. Erinnert in manchen Situationen an den jungen David Alaba. Braucht aber noch ein bisschen, um sich an Tempo und Härte des höchsten Niveaus zu gewöhnen. Hat dazu aber alle Werkzeuge im Werkzeugkasten.

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Marvin Plattenhardt

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Quelle: AFP

Kam hauptsächlich deswegen mit, weil Außenverteidiger immer noch ein rares Gut sind und man sie sich bekanntlich nicht schnitzen kann. Ist in Berlin ein überdurchschnittlich guter Bundesligaspieler und zeigt Kante gegen die AfD. Bei seinem Einsatz gegen Kamerun mit nervösem Beginn, dann immer besser. Wird für ihn schwierig, tatsächlich einen WM-Platz zu bekommen. Aber ein Jahr ist noch Zeit und die Konkurrenz ist überschaubar.

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Sebastian Rudy

Chile v Germany: Final - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Quelle: Getty Images

Zu den besonderen Eigenschaften von Sebastian Rudy gehört, dass er keine besonderen Eigenschaften hat. Ruhig ist er außerhalb des Platzes. Auf dem Platz hat er allerdings spektakulär viel zu tun. Als Stamm-Sechser musste er die sehr große Fläche vor der Dreier- beziehungsweise Fünferkette beackern. Hatte leider immer die undankbarste Aufgabe. In den Spielen, in denen Deutschland dominierte, übernahmen andere die genialen Offensiv-Aktionen. In Spielen, in denen Deutschland dominiert wurde, zeigte sich, dass er in diesem Leben kein Tackle-König und Ballklau-Fuchs mehr wird. Wobei, im Finale, seinem besten Spiel, hatte er auch das plötzlich drauf. Will sich im Mittelfeld des FC Bayern durchsetzen. Da darf man vor schweren Aufgaben nicht zurückschrecken.

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Emre Can

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Quelle: AFP

Besitzt ein beeindruckendes Selbstbewusstsein und ist als Jürgen-Klopp-Schüler und Premier-League-Gladiator in den Disziplinen Ballgewinnen und Tackeln natürlich besser als Sebastian Rudy. Zuweilen mit der Wucht eines D-Zuges unterwegs, etwa, als er den Ball vor dem 1:1 gegen Chile in der Gruppenphase über den ganzen Platz führte und so den Hauptanteil am Ausgleich hatte. Warum hatte er dann im Finale das Nachsehen gegen Rudy? Hat kaum zu leugnende Schwächen im Passspiel und Joachim Löw schätzt das kultivierte Spiel nun einmal mehr als einen herzhaften Zweikampf.

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Leon Goretzka

Chile - Deutschland

Quelle: dpa

Erst wussten sie in Bochum, was er kann, dann auf Schalke, jetzt weiß es die ganze Welt. Schon in der Bundesliga-Rückrunde mit bärenstarken Leistungen, mit einer funktionierenden Mannschaft um ihn herum zuweilen schlicht brillant. Viele hätten ihn statt Julian Draxler zum besten Spieler des Turniers gewählt - natürlich auch er damit einer der fünf Gewinner. Seine stärkste Waffe sind seine Läufe aus der Tiefe des Mittelfeldes. Kombiniert dann körperliche Wucht (er ist fast 1,90 Meter groß) mit technischer Eleganz, wie man sie so eher bei Handballern sieht. Spielt dazu Pässe, die man auch auf der Tribüne nicht vorhergesehen hätte. Defensiv mit Schwächen, aber die hat ein Toni Kroos auch. Wird irgendwann zu einem Top-Acht-Klub in Europa wechseln.

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Julian Brandt

Germany v Mexico: Semi-Final - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Quelle: Bongarts/Getty Images

Muss ein bisschen aufpassen, dass er nicht im Talent-Status hängen bleibt. Hat erkennbar auch die Anlagen für ganz nach oben. Technik, Schnelligkeit, Spielintelligenz, alles da, aber man hat das Gefühl, dass ihm jeweils zehn oder auch nur fünf Prozent fehlen. Schleppte die Müdigkeit des Olympia-Turniers in Rio relativ lange durch die Bundesliga-Saison, dann auch Opfer des Leverkusener Abwärtsstrudels. Man würde ihn mal gerne mit vollem Akku sehen. Um seine Konkurrenten auf den Außen-Positionen auszustechen, braucht er den auch.

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Julian Draxler

Nationalmannschaft zurück in Deutschland

Quelle: dpa

Bat den Bundestrainer darum, ihn doch bitte mit nach Russland zu nehmen. Bewarb sich damit für ein Turnier, dem die meisten entfliehen wollten. Hat nach seiner Flucht aus Wolfsburg Lust, wieder als Fußballer wahrgenommen zu werden. Der Spieler im deutschen Confed-Cup-Kader, der die größte Packung Talent abbekommen hat. Zuweilen weiß er das auch, verlässt sich zu sehr darauf, und verliert die letzten Prozent Körperspannung und Ernsthaftigkeit. Früher war dieser Larifari-Modus in seinem Spiel die Regel, jetzt ist es die Ausnahme. Wenn er aufs Gaspedal tippt, beschleunigt er das ganze Spiel einer Mannschaft. Als Kapitän zudem persönlich gereift. Dritter von fünf Gewinnern und der strahlendste im "Confeddi"-Regen.

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Kerem Demirbay

Germany Training - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Quelle: REUTERS

Schoss das Traumtor des Turniers, als er mit seinem schwachen Fuß den Ball gegen Kamerun in den Winkel jagte. Das wahrgewordene Versprechen von Joachim Löw, dass wirklich jeder seine Spielzeiten bekommen sollte. Wird aber, um ehrlich zu sein, nur dann eine Chance auf den WM-Kader haben, wenn die Seuchen-Welle des Jahrhunderts die Offensive der Nationalmannschaft befällt und er in Hoffenheim noch sechs bis sieben dieser Tore schießt, am besten in der Champions League. Immerhin: War vorher wegen eines blöden Spruchs gegen Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus bekannt, bleibt nun als Nationalspieler und Kunstschütze im Gedächtnis.

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Amin Younes

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Quelle: AFP

Wusel-Fuchs und Haken-Hase. Technisch super, wahnsinnig flink und mit einem Tor gegen Mexiko. Kann sich aber keine großen Hoffnungen machen: Angesichts von Marco Reus, Mario Götze, Julian Draxler und Mesut Özil als Konkurrenten wird er erstmal keinen Platz von Bedeutung in der Nationalmannschaft bekommen. Wenn man aber bedenkt, dass er 2015 noch manches Spiel für Kaiserslautern II gemacht hat, ein Wahnsinns-Sprung.

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Lars Stindl

-

Quelle: AFP

Ging die weitesten Wege aller deutschen Spieler. Wanderte wie ein Rentier in der Taiga über die Spielfelder des Confederations Cup. Suchte sich mit Geduld, Ruhe und unglaublicher Ausdauer die freien Räume, kam so zu drei Turnier-Toren und schoss Deutschland zum Titel. Den Ball musste er zwar nur noch reinschieben, aber die Kunst war es natürlich, in der Sekunde dort zu stehen. Spielt nicht den Hochbegabten-Fußball eines Draxlers oder eines Goretzkas, benutzt aber seine Fähigkeiten, um für die Mannschaft mindestens genauso wertvoll zu sein. Vierter Gewinner.

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Sandro Wagner

Australia v Germany: Group B - FIFA Confederations Cup Russia 2017

Quelle: Bongarts/Getty Images

Schoss gegen San Marino drei Tore und war erkennbar stolz, es nochmal zur Nationalmannschaft geschafft zu haben. War darüber so glücklich, dass er sogar mit einer gewissen Demut auftrat. Gegen Australien mit einem guten Spiel, aber ohne Glück im Abschluss. Wurde dann Opfer der Taktik. Gegen Chile spielte der Bundestrainer ohne echten Stürmer, gegen Kamerun gab Joachim Löw Timo Werner seine Chance. Gegen Mexiko war die Kombination Stindl/Werner optimal und klappte so gut, dass der Bundestrainer im Finale nicht darauf verzichten wollte. Muss sich nichts vorwerfen.

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Timo Werner

Chile - Deutschland

Quelle: dpa

Wurde in Nürnberg von den eigenen Fans ausgepfiffen, weil sie ihm seine Schwalbe gegen Schalke immer noch nicht verziehen. Wenn diese Fans das durchziehen wollen, werden sie einen sehr langen Atem brauchen. Wird sich so schnell nicht mehr aus der Nationalelf verabschieden und ist damit der fünfte klare Gewinner des Turniers. Ist fast schon wettbewerbsverzerrend schnell, trotzdem in der Lage, den Ball in hohem Tempo zu kontrollieren. Außerdem extrem gallig auf Tore und derjenige, der es in Sachen Ehrgeiz mit Joshua Kimmich aufnehmen kann. Hat außerdem seine Lektion gelernt. Hätte gegen Mexiko nach einem Schubser einen berechtigten Elfmeter rausholen können. Blieb trotz Fouls stehen. Im Finale dann sogar standhaft gegen Gonzalo Jaras Eisenellbogen.

© SZ.de/sonn/mane
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