Süddeutsche Zeitung

DFB-Elf:Immer mehr Freiburger für Deutschland

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Von Philipp Selldorf, Dortmund

Die Worte, die Kai Havertz nach dem Spiel gegen Argentinien sprach, eigneten sich wunderbar zur Konstruktion einer Verschwörungstheorie: "Ich weiß nicht, wie oft das vorkam in den letzten Jahren, dass zwei Spieler vom SC Freiburg eingeladen wurden, und dann auch noch von Anfang an spielen", hatte Havertz gesagt.

Mit dem nötigen bösen Willen könnte man diesen Satz des Leverkusener Nationalspielers geradewegs als Aufforderung deuten, endlich mal nachzudenken und die harten Fakten zusammenzuführen. Der Fall ist ja offensichtlich: Der Bundestrainer kommt aus Freiburg, sein Assistent war dort mehrere Jahre Trainer, neuerdings kommt auch der DFB-Präsident aus Freiburg. Und auf einmal sind die Freiburger Robin Koch und Luca Waldschmidt Nationalspieler.

Tatsächlich war zuletzt in der Presse zwar öfter von der "Freiburgisierung" des DFB die Rede, aber dass Joachim Löw, Marcus Sorg und Fritz Keller an der Dreisam eine Geheimloge gegründet hätten, um das A-Nationalteam mit Spielern des Sportclubs Freiburg zu unterwandern, das geht dann doch zu weit, und das hat selbstredend auch Kai Havertz nicht gemeint.

Von einer Geheimloge kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil Jogi Löw höchst öffentlich bei Spielen im Freiburger Stadion sitzt, stets an der Seite seines Mentors aus der nahen Schweiz, Urs Siegenthaler, der täglich ein Stück blonder zu werden scheint. Zuletzt waren die beiden Augenzeugen des 2:2 zwischen dem SCF und Dortmund, und dass Löw ein paar Tage darauf den Freiburger Robin Koch nachnominierte anstelle des Dortmunders Mats Hummels, lag natürlich nicht nur daran, dass Hummels für die Länderspielpause bereits einen Kurzurlaub disponiert hatte. Es lag, wie nun gegen Argentinien zu sehen war, auch daran, dass Kochs Qualitäten als Verteidiger der Nationalelf nützen können. So wie Luca Waldschmidt in Dortmund einen sehr passablen Angreifer gab.

Vor einigen Jahren hatte Uli Hoeneß mit sich selbst eine Verschwörungsgemeinschaft gebildet, um in München einen FC Bayern Deutschland zu gründen, doch den Plan hat der Verein nicht konsequent verfolgt. Stattdessen ist nun im Südwesten der SC Freiburg Deutschland entstanden, ein Produkt des Zufalls, wie die Freiburger Verantwortlichen versichern. Schon im vorigen Jahr ist der Sportclub in der Bundesliga regelmäßig mit einer Start-Mannschaft angetreten, der elf deutsche Spieler angehörten. Im Wanderarbeiter-Geschäft, das der Profifußball ist, ist so viel nationale Homogenität in einem Team ungewöhnlich, die Freiburger haben aber mit nationaler Homogenität nichts am Hut, das darf man ihnen abnehmen. Auch in dieser Saison hat es nichts mit Politik zu tun, wenn Freiburgs Trainer Christian Streich gelegentlich elf deutsche Staatsbürger aufstellt. Aber elf Deutsche in einer Bundesligamannschaft - das ist logischerweise eine ergiebige Quelle für den Nationaltrainer.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2019
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