DFB-Elf gegen Chile:Sieg mit vielen Pfiffen

Germany v Chile - International Friendly

Ein schöner Treffer ist nicht genug: Mario Götze

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das wunderbare Tor von Mario Götze zeigt eindrucksvoll, was die deutsche Nationalmannschaft spielerisch zu leisten vermag. Doch 99 Tage vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft bleibt der 1:0-Siegtreffer gegen starke Chilenen ein Ausnahmemoment. Die Zuschauer pfeifen, der Bundestrainer tobt.

Am 20. Juni 1982 war alles einfach, Kopfball, Schuss, Tor, 4:1 am Ende, so war das damals. Ein Blondschopf namens Karl-Heinz Rummenigge tat sich an jenem Tag als dreifacher Torschütze hervor, und weil im Sport doch immer alles mit allem zusammenhängt, muss man gar nicht lange suchen, um eine Verbindung zwischen dem 20. Juni 1982 und dem 5. März 2014 zu finden. Beide Male spielte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen Chile, beide Male gewann sie, diesmal zwar nur mühevoll 1:0, aber diesmal schoss Mario Götze das 1:0, im Hauptberuf beim FC Bayern angestellt, dessen Chef Karl-Heinz Rummenigge ist.

Seit fast 32 Jahren hat Deutschland nicht mehr gegen Chile Fußball gespielt, und weil es manchmal ziemlich egal ist, was womit zusammenhängt, kann man nach dem 5. März 2014 auch einfach festhalten: Chile war der richtige Gegner zur richtigen Zeit für die Deutschen.

Das Testspiel gegen Chile war der Auftakt in das Länderspieljahr für die Elf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), es war das 103. Länderspiel des Bundestrainers Joachim Löw, vor allem aber war es die letzte Möglichkeit der Sichtung vor der Nominierung des WM-Kaders am 8. Mai.

Eine Art Finalrunde im Casting also, was zum Beispiel Lukas Podolski als besonders spannend empfand: Es sei "gut für den deutschen Fußball", dass es deutlich mehr Kandidaten als Plätze gebe, sagte Podolski vor dem Spiel, seiner Meinung nach müsse "jeder um seinen Platz bangen". Man braucht nicht meinen, dass das auch wirklich so ist, "mein Plan hat nichts mit diesem Spiel zu tun", sagt Löw in der Sache nach dem Auftritt gegen Chile.

Eine gute Gelegenheit der Überprüfung seiner Vorstellung aber war der Abend schon. Chile ist keine von den Mannschaften, die Deutschland wirklich fürchten muss; aber auch keine von denen, die überhaupt keine Bedrohung darstellen. Chile ist ein Gegner, der eine ambitionierte Mannschaft wie Deutschland fordert, Chile hat Spieler wie den leichtfüßigen Grätscher Arturo Vidal und den beschwingten Dribbler Alexis Sanchez. Einer wie Sanchez kann einen wie Marcell Jansen nahezu immer ausspielen, wenn er nur will, und zum Beispiel nach sieben Minuten wollte er.

Löw verlässt oft schreiend die Coaching Zone

Sanchez hielt den Ball da am Strafraum der Deutschen, nachdem er ihn zuvor Jansen abgeluchst hatte, dann verdrehte er Jansen mit ein paar Übersteigern den Kopf. Seine Flanke danach brachte zwar nichts ein, aber die frühe Botschaft war angekommen. Eine Minute später war Jansen zu weit von Sanchez' Kollegen Isla entfernt, um dessen ebenfalls schnellen Füßen folgen zu können, Islas Hereingabe klärte Jansens Kollege Boateng zur Ecke.

Als die Chilenen die Ecke ausführten, flog der Ball in den Strafraum, Vidal schraubte sich in die Luft, alleine, und hätte nicht Lahm auf der Linie seinen Fuß in die Flugkurve gehalten, wäre Chile in Führung gegangen.Es sei "immer ganz gut", so formulierte es später Löw, "wenn man sieht, dass es nicht nur in Deutschland gute Fußballer gibt." Chile sei stark gewesen, "wir hatten zu viele Ballverluste, und dann wird es auf diesem Niveau schwer".

Aber Testspiele sind am Ende eben genau das, und auch in Testspielen kann sich das Momentum schnell von einer auf die andere Seite schlagen. Zumal Deutschland ja auch in Testspielen den Vorteil genießt, über Spieler wie Mario Götze und Mesut Özil zu verfügen, die das Momentum an sich nehmen können, wenn sich die Möglichkeit bietet. Nach 16 Minuten spielte Özil einen Doppelpass mit Bastian Schweinsteiger - der neben Lahm im Mittelfeldzentrum auflief -, im Sechzehnmeterraum legte er den Ball ab auf Götze, und der zirkelte den Ball mit links ins Netz. Das 1:0 war ein Tor, das eindrucksvoll zeigte, was Deutschland kann. Es blieb nur an diesem Abend ein Ausnahmemoment.

Schweinsteiger erkennt "viele Fehler"

"Wir haben schon viele Fehler gemacht", sagte danach Bastian Schweinsteiger; "wir haben es nicht geschafft, unsere Stärken in die Wagschale zu werfen", sagte Per Mertesacker. In der Tat: Chile dribbelte sich immer wieder vor das deutsche Tor, die vom Mittelfeld im Stich gelassene Verteidigung um Mertesacker und Boateng sah immer wieder aus wie am Boden festgeschraubt. Chile blieb nur deshalb torlos, weil es mit seinen Chancen zu fahrlässig umging, etwa Vidal, der in der 26. Minute aus acht Metern freistehend direkt auf Torhüter Manuel Neuer zielte, oder auch Vargas, der in der 62. Minute nur die Unterkante der Latte traf. Kurz vorher hatte Joachim Löw seine Coaching Zone verlassen, schreiend, gestikulierend. Schimpfend.

In der 89. Minute verließ Mesut Özil das Spielfeld, Löw wechselte den Freiburger Matthias Ginter für ihn ein und verhalf dem Verteidiger damit zu seinem Debüt in der Nationalelf. Das Stuttgarter Publikum pfiff, es war nicht zufrieden mit Özils Leistung. Wenig später war die Partie zu Ende, da wurde es erneut laut auf den Rängen, und die gute Nachricht für Mesut Özil war dann: Er war nicht der einzige, der an diesem Abend ausgepfiffen wurde. "Das muss man verstehen, die Leute zahlen Eintritt", sagte Kapitän Philipp Lahm. "Dass wir noch viel Arbeit vor uns haben, das wissen wir schon."

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