Süddeutsche Zeitung

DFB-Elf besiegt Schweden:Spiegelbild von Berlin

Wie schon im Hinspiel gibt es auch diesmal acht Tore zwischen Schweden und Deutschland. Der Unterschied: Nach einer fulminanten zweiten Halbzeit und drei Toren von André Schürrle gewinnt die deutsche Mannschaft mit 5:3. Damit bleibt die Löw-Elf in der Qualifikation für die WM 2014 unbesiegt.

Letzte WM-Qualifikationsspiele sind selten brisant, wenn der schon feststehende Gruppenerste gegen den feststehenden Gruppenzweiten spielt. Die Parteien können noch so viele künstliche Gründe bemühen, die Spannung bleibt überschaubar. Vor der letzten Quali-Partie der Deutschen bei den Schweden gab es zwar exakt diese Konstellation und doch war alles anders. Die Partie galt trotz bereits bestandener Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien aus verschiedenen Gründen als Bewährungsprobe für einzelne Mannschaftsteile von Bundestrainer Joachim Löw. Sie war zudem unterhaltsam, es ging hin und her, und am Ende stand es durchaus verdient 5:3 (1:2) für die Deutschen.

Weit mehr als ein gewöhnlicher Rausschmeißer für eine Qualifikationsrunde war das Spiel in Solna also, aber das war ja schon seit mehr als einem Jahr klar. Da hatte Löws Elf in Berlin das legendäre 4:4 nach 4:0-Führung gegen Schweden hinnehmen müssen, und deutlicher denn je vorgeführt, wo die Schwächen liegen: In der Abwehrarbeit, deren Unsicherheiten das ganze Gefüge des schönen Löw-Fußballs auseinanderreißen können.

Ohne verbesserte Abwehr würde es nichts mit dem Titel in Brasilien, das war die Botschaft. Solna bei Stockholm bot also die Chance zur Revanche, und die deutsche Elf hat sie nach schleppendem Beginn genutzt. Am Ende war es das Spiegelbild von Berlin. Diesmal begann Löws Elf verunsichert, lag 0:2 zurück, erholte sich dann recht plötzlich und zauberte erst am Ende, wobei sich André Schürrle besonders hervortat. "Die drei Gegentore sind ärgerlich, aber man hat gesehen, welche Kraft wir nach vorne haben", sagte Schürrle.

Eine persönliche Bewährungsprobe hatte auch Mats Hummels bekommen, Löw hatte zuvor erklärt, der Kampf um die WM-Plätze in der Innenverteidigung werde hart, und diesmal ersetzte Hummels Per Mertesacker. Manch gelungene Szene hatte er, aber in den entscheidenden Situationen klappte die Absprache mit Innen-Kollege Jérôme Boateng nicht, zudem erfuhr die Viererkette dabei auch keine Entlastung. Im defensiven Mittelfeld fühlte man sich nicht zuständig, gefährliche Pässe zu unterbinden. Schweden zeigte dagegen, dass es den Punkt noch holen wollte, der ein letztes Kleinstrisiko ausschließen würde, als schlechtester Gruppenzweiter noch durchs Raster zu fallen.

Das Team setzte den Deutschen zu, und es demonstrierte in der sechsten Minute, wie man eine mäßig abgestimmte Verteidigungskette ausspielt: mit einem überraschenden langen Torwartpass ins Mittelfeld; einem gewonnenen Kopfballduell gegen einen verdutzten Mittelfeldspieler Toni Kroos; und einem Steilpass zwischen Hummels und Boateng hindurch auf den durchstartenden Tobias Hysén. Neuer, der schon in Berlin keinen schwedischen Schuss halten konnte, hatte keine Chance. Es stand 1:0, immerhin - die Gefahr, dass sich Löws Team abermals von einem großen Vorsprung einlullen lassen würde, bestand diesmal nicht.

Der gelbgesperrte Zlatan Ibrahimovic, der das Verteidigungsproblem der Deutschen in Berlin maßgeblich mit aufgedeckt hatte, saß oben auf der Ehrentribüne und schaute auch in der Folge genüsslich zu. Denn die Schweden hatten zwar kaum den Ball, dafür aber fast die komplette erste Halbzeit über die Kontrolle. Sie störten früh und verdichteten den Raum hinten, wenn Mesut Özil, Philipp Lahm oder Schürrle sich über lange Kombinationen nach vorne spielten. Einen Lattentreffer von Thomas Müller sah Ibrahimovic, sonst keine zwingende deutsche Chance, dafür aber in der 42. Minute das 2:0 für seine Schweden. Es war eine Art schlechte Kopie des 1:0: Ballverlust im Mittelfeld, langer Pass durch die Mitte zu Kacaniklic, zweiter Schuss, zweiter Treffer gegen Neuer.

Gekippt ist das Spiel dann in der zweiten Hälfte, doch ein erstes Hoffnungszeichen hatte Mesut Özil schon kurz vor der Pause gegeben. Denn er setzte endlich das um, was Joachim Löw sich von seinem Team außerdem dringend erwünscht: mehr Torgefährlichkeit. Die Schweden, vor der Pause vielleicht schon ein wenig eingelullt, verteidigten nun schlecht, Özil schnappte sich einen querspringenden Ball auf Höhe des Sechzehners und zog tatsächlich nach Art eines Torjägers ab.

1:2, Freude stand noch nicht in den Gesichtern, erst als der eingewechselte Mario Götze in der 53. Minute nach einer Kombination über Schürrle, Kruse und Özil den Ball zum Ausgleich in den Winkel setzte, da ahnten sie wohl auch auf dem Platz: Die Revanche könnte gelingen. Und in der Tat: In den folgenden Minuten entwickelte sich wieder eine verrückte Dynamik wie vor einem Jahr.

Die Deutschen wirbelten in der Offensive und behielten trotz eines weiteren Tores für Schweden das Spiel diesmal unter Kontrolle. Sie verteidigten früh, agierten im Mittelfeld konzentrierter und entlasteten somit die eigene Abwehr. Und vorne nutzte Schürrle seine Chance, sich um einen WM-Platz auf der linken Seite zu bewerben. Drei Treffer gelangen ihm, und jedes mal zeigte der Stürmer vom FC Chelsea dabei den Willen, mit dem Ball nicht nur technisch perfekt zu kombinieren, sondern sich beherzt durchzusetzen (57.), überlegt zu vollenden (66.) oder aus der Distanz zu schnibbeln (76.).

Die Deutschen waren erleichtert, aber sie behalten weiterhin einigen Diskussionsstoff und viel Arbeit. Jubilar Bastian Schweinsteiger sagte nach seinem 100. Länderspiel: "5:3 ist kein gutes Ergebnis, 2:0 ist mir lieber." Löw lobte Ballbesitz und bessere Torschuss-Effizienz, erkannte aber auch, dass sich sein Team noch steigern muss: "Wir wissen, dass wir in der Defensive solche Fehler nicht machen können. Aber immer klappt das nicht."

Eher nebenbei konnten auch die Statistiker Positives aus deutscher Sicht aufschreiben: Manuel Neuer hielt doch noch einige schwedische Schüsse, einen davon sogar mit starkem Reflex. Und die gute alte deutsche Serie hält auch an. Es gilt weiterhin: Noch nie hat eine DFB-Elf ein WM-Qualifikationsspiel auswärts verloren. Nicht mal das in Solna.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2013
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