DFB-Elf beim Confed Cup:Souverän wie die Weltmeister

Lesezeit: 3 min

Torschütze zum zwischenzeitlichen 3:0: Timo Werner (M.) feiert mit Lars Stindl und Jonas Hector. (Foto: AFP)
  • Das DFB-Team gewinnt im Halbfinale des Confed Cups 4:1 gegen Mexiko.
  • Zwei Mal Goretzka, Werner und Younes treffen für Deutschland, Fabian für Mexiko.
  • Hier gibt es den SZ-Liveticker zum Nachlesen.

Von Philipp Selldorf, Sotschi

Das dritte Spiel für Deutschland im Fisht-Stadion in Sotschi, und auch diesmal nahm die Delegation des DFB den Bus, obwohl der Weg vom Hotel zu Fuß kaum eine Viertelstunde gedauert und Aussicht auf einen romantischen Sonnenuntergang geboten hätte. Allerdings herrschte entlang der Küsten-Promenade ein ziemliches Gewusel. Jetzt, da der Confed Cup zum letzten Mal Station in Sotschi machte, füllten die russischen Zuschauer die bisher spärlich belegten Ränge. Häufig feuerten sie Russland an, obwohl es die Mexikaner auf dem Rasen nötiger hatten.

Sie taten, was sie konnten gegen eine deutsche Elf, die nicht perfekt spielte und manchmal defensiv in Not geriet, die aber einen glänzenden Torwart Marc-André ter Stegen auf ihrer Seite hatte. Sie gewann hochverdient 4:1 und erreichte erstmals das Endspiel eines Confed Cups. Dort gibt es am Sonntag in Sankt Petersburg ein Wiedersehen mit Chile. "Sowas erhofft man sich natürlich vor einem Turnier, dass man ins Finale kommt", sagte Bundestrainer Joachim Löw: "Aber erwarten konnte man es nicht."

Im EM-Halbfinale 2012 hatte Joachim Löw mit seiner Aufstellung Publikum und Gegner Italien verblüfft - allerdings auch die eigene Mannschaft ausgetrickst. Diese Aufstellung war der Sündenfall schlechthin in seiner Bundestrainerzeit, und nun, vier Jahre später und wieder in einem Halbfinale, ließ sich Löw erneut etwas einfallen, womit keiner gerechnet hatte: Benjamin Henrichs, bisher vornehmlich ein stolzer Turniertourist ("gibt Schlimmeres für einen 20-Jährigen, als bei der Nationalmannschaft auf der Bank zu sitzen"), rotierte in die Elf, was zur Folge hatte, dass Joshua Kimmich eine neue Aufgabe erhielt. Aber welche? Das gab manchem Betrachter im Laufe der Partie Rätsel auf - Kimmich inbegriffen, wie es schien.

Der Münchner versah eine Art Doppelrolle, in bestimmten Situationen rückte er auf die rechte Seite, auf seine Stammposition in der DFB-Elf; meistens aber bezog er in der Abwehrmitte Posten. Kimmich ist, wie sein Vorgänger Philipp Lahm, taktisch versiert und mit Spielintelligenz gesegnet - diesmal aber wirkte er ab und zu überfordert mit seinem Programm. Dass Mexiko doppelt so viele Torschüsse verzeichnete wie Deutschland hing auch mit der oft ungeordneten Abwehrformation zusammen.

Auch Henrichs fand keinen guten Einstieg in das Examen. Die gesamte Mannschaft musste sich in Bewegung setzen, nachdem der Leverkusener Verteidiger im Vorwärtsgang den Ball an Giovani dos Santos verloren hatte (4. Minute). Die Szene hatte den Charakter eines Anfängerfehlers, doch wie soll man dann seine brillante Vorarbeit zum 1:0 bezeichnen, das Leon Goretzka zwei Minuten später erzielte - durch eine nicht minder brillante Direktabnahme?

Die Mexikaner hatten den Rückstand noch nicht verkraftet, da stand es schon 0:2. Goretzka war in die Tiefe gelaufen, ein kurzer Pass von Timo Werner folgte - und der nächste präzise Treffer in die Ecke. "Die spielen mir zweimal die Bälle sehr gut rein", lobte der Schalker seine Mitspieler. Bundestrainer Löw indes schwärmte über Goretzka: "Er hat eine große Form und eine große fußballerische Klasse." Die jugendlich bewegte deutsche Ersatz-Mannschaft agierte in der Anfangsphase mindestens so souverän wie der amtierende Weltmeister. "Das war wichtig, dass wir am Anfang gezeigt haben: Sobald es los geht, sind wir da", fand Löw. Timo Werner stimmte zu: "Ich glaube, wir haben das Spiel relativ schnell in unsere Richtung gezogen." Vor allem der Angriff präsentierte sich hochflexibel und supermobil, die Kombination der Spitzen Stindl und Werner passte, in deren Rücken setzten Goretzka und Draxler wirkungsvoll nach.

Erst allmählich versuchten die Mexikaner dann ihren Gegner einzuschnüren, und das gelang ihnen auch, weil sich die Deutschen passiv verhielten und dem Druck unterwarfen. Erschwerend kamen individuelle Fehler hinzu. Rudy versäumte es, Herrera an der Flanke zu hindern; Draxler träumte mit Ball am eigenen Strafraum, und wachte erst auf, als Jimenez zum Torschuss ansetzte; auch Kimmich und Henrichs ließen mehrmals das Timing vermissen. So ergaben sich für Mexiko ein paar halbe Chancen plus eine kapitale Gelegenheit für "Chicharito" Hernandez, der aber den Ball übers Tor setzte.

Antonio Rüdiger bilanzierte am Ende erleichtert: "Vielleicht musste ich etwas lauter werden. Aber insgesamt haben wir es zusammen gemeistert."

Die zweite Hälfte begann ähnlich wie die erste: Mit einem Konter der Deutschen über Goretzka, Stindl und Werner, der im Strafraum unsauber gestört wurde, aber sich das Fallen verkniff; und mit einem weiteren schnellen Wirkungstreffer. Werner war als Mittelstürmer passend zur Stelle, um den Querpass von Jonas Hector aufzunehmen, den Draxler mit einem Steilpass freigespielt hatte. 3:0 - die Mexikaner verzweifelten an diesem schrecklichen Gegner.

Auch in der zweiten Halbzeit machten sie gegen ein recht unruhig agierendes Deutschland vorwiegend das Spiel; sie hatten wieder einige Torgelegenheiten, aber entweder stand ter Stegen im Weg oder der Ball donnerte wie bei Jimenez' Kopfball gegen den Pfosten (75.). Trainer Carlos Osorio guckte überaus frustriert drein, das Ende der Partie musste er als höhnische Pointe begreifen. Erst verkürzte Marco Fabian mit einem Gewaltschuss auf 1:3, quasi im Gegenzug erzielte der eingewechselte Amin Younes das 4:1. Dieses Deutschland hatte einfach zu jeder Zeit die richtigen Argumente.

"Es war ein klasse Spiel, unheimlich intensiv", lobte Löw.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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