DFB-Elf beim Confed Cup:Schöne Aussicht bei den Schweinswalen

  • Mit einem 3:1 gegen Kamerun schafft es die deutsche Nationalelf beim Confed Cup ins Halbfinale.
  • Gegen die Afrikaner tun sich besonders Timo Werner und Kerem Demirbay hervor.
  • Nächster Gegner ist am Donnerstag Mexiko.

Von Philipp Selldorf, Sotschi

Ein Zitterspiel blieb es bis zum Schluss, auch wenn die Deutschen in der dritten Vorrundenpartie gegen Kamerun nicht mehr um den Einzug ins Halbfinale des Confed Cups zittern mussten. Wohl aber um die schöne Aussicht. Es sei ja "nicht das Verkehrteste in der Welt, wenn man beim Essen aufs Meer guckt", hatte Leon Goretzka tags zuvor nicht nur eine Lebensweisheit, sondern auch das Motto des Spiels geprägt.

Erstens ging es also für die stellvertretenden Weltmeister darum, im Turnier zu bleiben, und zweitens darum, als Gruppensieger bis Freitag in Sotschi campieren zu dürfen. Dort hat die DFB-Delegation das Meer und braun- bis rotgebrannte Badegäste vor Augen sowie ab und zu ein paar lustige Schweinswale, die ihre dunklen Leiber aus dem Wasser wälzen.

Kamerun erwies sich bei dieser Mission als dankbarer Gegner, obwohl die DFB-Elf einen doppelten Stellvertreter-Stempel trug, nachdem Joachim Löw den aktuellen Confed-Cup-Stammkräften Jonas Hector, Shkodran Mustafi, Leon Goretzka und Lars Stindl eine Pause gewährte. Trotzdem reichte es bei Löws 150. Einsatz als Bundestrainer zum 100. Jubiläumssieg - zu einem erst in der zweiten Hälfte unterhaltsamen 3:1, bei dem sich Timo Werner als Doppel-Torschütze hervortat. Donnerstagabend geht es nun im Halbfinale gegen Mexiko - es wird ein Heimspiel in Sotschi. "Hochachtung und Riesenrespekt! Das ist etwas sehr Außergewöhnliches hier mit dieser Mannschaft", schwärmte Löw nach dem Spiel über seine junge, auf diesem Niveau und vor allem in dieser Zusammensetzung bislang völlig unerprobte Mannschaft. Er sei "sehr stolz auf die Jungs", sagte Löw, "das konnte man vielleicht vorher so nicht unbedingt erwarten in dieser Konstellation, mit dieser Mannschaft".

Löw hatte eine Aufstellung gewählt, für die wahrscheinlich mancher deutsche Zuschauer das kicker-Sonderheft "Confed Cup" zu Hilfe nehmen wollte. Problem: Ein solches Heft existiert nicht. Auch orthodoxe Traditionalisten guckten vermutlich verstört drein: Außer dem Leipziger Timo Werner gehörten nicht weniger als drei Spieler der TSG Hoffenheim der Nationalmannschaft an. Ein Trost für Nörgler: Sebastian Rudy und Niklas Süle treten in ein paar Tagen zum FC Bayern über, und Kerem Demirbay spielte in Schalkes B-Jugend mit Julian Draxler zusammen.

Schon nach zirka einer Minute war es ein ganz anderes Spiel als gegen Chile, die Kameruner ließen es ungleich gemächlicher angehen als die zudringlichen Chilenen, die Deutschen bekamen Zeit, um zueinander zu finden. Dafür brauchten sie jedoch länger als vorgesehen. Es war offensichtlich, dass ein nie erprobtes Spezialrezept sie zusammengeführt hatte, auch nach einer Viertelstunde knirschte und hakte es im Gefüge.

Ein konzertiertes Miteinander kam kaum in Gang, weil den Männern vom DFB bei Ballbesitz die Anspielstationen fehlten. Emre Can fiel eher unfreiwillig die Rolle des Lenkers und Gestalters zu, da Demirbay als Partner zunächst ausfiel (wegen heftigen Lampenfiebers, wie es schien) und Draxler auf der linken Halbposition eine Randerscheinung blieb. Auch Plattenhardt und Joshua Kimmich blieben als Flügelläufer erst mal unbeachtet.

Zeit fürs Kennenlernen

"Das war ein K.-o.-Spiel, nach Hause oder im Turnier bleiben, diese Anspannung hat man unserer jungen Mannschaft in der ersten Halbzeit angemerkt", meinte Löw.

Diese Orientierungssuche nutzte Kamerun zu interessanten Vorstößen, Arnaud Djoum verschaffte sich am Strafraum dreimal trickreich Platz für einen Torschuss, verpasste aber dreimal den richtigen Moment dafür. Den deutschen Abwehrspielern kamen Kameruns Abschlussschwächen zugute, die Dreierreihe mit Ginter, Süle und Rüdiger brauchte Zeit, um sich besser kennenzulernen. Zuweilen agierten sie wie Zufallsbekanntschaften, doch Süle führte mit seiner zupackenden Art die Einzelteile allmählich zusammen. So nahmen dann auch die von den Kamerunern inszenierten Überraschungsmomente vor Marc-André ter Stegens Tor ab.

Kamerun war für die unfertige DFB-Elf ein entgegenkommender Gegner, weder zwangen die angeblich unbezwingbaren Löwen ihrem Widersacher körperliche Härte auf, noch irritierten sie ihn mit stürmischer Emotion. So durfte das Publikum während der ersten Halbzeit nicht mehr als zwei bis drei ernstzunehmende Torszenen bestaunen.

Kimmich mit einem Kopfball nach Plattenhardts Flanke (24.), und Zambos Torschuss mit ter Stegens Blitz-Parade (45.) weckten größeres Interesse. Letzteren Ball hätten wohl nicht viele Torhüter auf der Welt abgewehrt, aber ter Stegen jubelte nicht. Seine Miene verkündete folgende Botschaft: Na und? Auch eine Form von Stolz.

Die zweite Halbzeit sollte dann mehr Attraktionen bieten, den Anfang setzten Draxler und Demirbay, die im Doppelpass, vermutlich eingeübt einst in Schalkes B-Jugend, das 1:0 produzierten (48.).

Für die Entscheidung sorgte der kolumbianische Schiedsrichter Roldan, der Kameruns Mabouka wegen einer harten, aber nicht überharten Aktion vom Platz stellte (65.); zunächst hatte er fälschlicherweise Siani des Feldes verwiesen. Aber der Video-Referee, der zuvor bereits statt der gelben die rote Karte verhängt hatte, korrigierte im zweiten Schritt auch den Sünder. Zwei Minuten später schoss Werner nach Kimmichs Flanke das 2:0. Ter Stegen machte es noch mal ein bisschen spannend, als er bei Aboubakars 1:2 eine Fehlberechnung anstellte, aber Werner sorgte mit dem 3:1 wieder für Beruhigung. Deutschland darf also weiterhin seine schönen Aussichten genießen: "Am Pool liegen und sich ein bisschen bräunen, ist immer schöner als im Hotelzimmer sitzen", sagte Timo Werner. Da hat er vermutlich recht.

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