Süddeutsche Zeitung

DFB-Elf beim Confed Cup:Plötzlich sind alle Zweifler elektrisiert

Der Confed Cup wurde in Deutschland arg gescholten - jetzt wird er mächtig gefeiert. Warum das Turnier trotzdem noch lange keine erhaltenswerte Einrichtung ist.

Kommentar von Johannes Aumüller

Die Deutschen und der Confed Cup, dieses Verhältnis entbehrt nicht einer gewissen Ironie. In keinem anderen Land ist der Sinn des Turniers so stark in Frage gestellt worden - nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Herzen des Fußballs. Reinhard Grindel, Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und Mitglied im Rat des Weltverbandes Fifa, plädierte nachdrücklich für eine Abschaffung. Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff stufte ihn als "terminlich unglückliches Turnier" ein. Und Bundestrainer Joachim Löw gab sich eher als Pragmatiker denn als Fan: "Fakt ist, der Confed Cup findet statt."

Es gab und gibt viele gute Gründe für diese Haltung, der übervolle Terminkalender des Fußballs mit allen Folgen ist einer davon. Aber ein paar Tage mit vier guten deutschen Spielen genügen, schon hat sich die Einstellung gewandelt. Die Leitung der Nationalelf freut sich über die Auftritte ihres Zweitteams, das den Binnendruck auf das geschonte Erstteam stark erhöht. Im Fernsehen schauten beim Halbfinale mehr als elf Millionen zu. Und die Spieler geben sich ob der Aussicht auf den Confed-Cup-Titel so elektrisiert, dass Angreifer Timo Werner "für so ein Endspiel auch nach Madagaskar oder ans Ende der Welt" fahren würde.

Russland nutzte das Turnier auch fürs Testen heikler Aspekte

Ist der Confed Cup also doch eine gute, höchst erhaltenswerte Einrichtung?

Vielleicht ist ein Blick auf den Ausrichter erhellender als ein Blick auf die Teilnehmer. Der Confed Cup bietet eine gute Gelegenheit für den angehenden WM-Gastgeber, technische und administrative Abläufe des Turniers auszuprobieren. Das ist sinnvoll und notwendig. Und Russland kann ja nun darauf verweisen, dass logistisch und organisatorisch alles gut geklappt habe und nicht einmal die im Westen so gefürchteten Hooligans Ärger gemacht hätten. Aber: Wer hätte ernsthaft etwas anderes erwartet?

Zugleich hat die Moskauer Führung den Confed Cup noch in einem anderen, heikleren Bereich als Test aufgefasst: in der Frage nämlich, wie sich ein solches Turnier im eigenen Sinne steuern lässt. Staatspräsident Wladimir Putin nutzte vor dem Auftaktspiel die Bühne zur großen Selbstinszenierung. Demonstrationsrechte waren vom Kreml eigens für das Turnier eingeschränkt und Oppositionelle passgenau in Arrest genommen worden. Die Polizeipräsenz, etwa auf den Straßen in Kasan, war irritierend groß.

Den Datenschützern graust es

Ausländische Fans konnten zwar mit einem Ticket visafrei ins Land einreisen, für den Erhalt der sogenannten "Fan-ID" waren aber so viele Informationen zu hinterlegen, dass es Datenschützern graust. Zudem mussten sich die Besucher bei der Ankunft oder einem Ortswechsel binnen eines einziges Tages bei der Polizei (beziehungsweise durch das Hotel) registrieren lassen, damit die Behörden allzeit genau wussten, wo sich der Einzelne aufhält. Und es ist nicht davon auszugehen, dass sich an diesen Punkten im nächsten Jahr etwas verbessert.

Eine weitere Debatte über den sportfachlichen Sinn des Turniers übrigens dürfte vorerst überflüssig sein - unabhängig vom schwankenden Beziehungsverhältnis zwischen Deutschland und dem Confed Cup. Es fehlt, das merkt DFB-Chef Grindel zu Recht an, die Phantasie, wie sich ein solches Turnier ins Jahr vor die WM 2022 in Katar legen lässt. Im Sommer sind Fußballspiele dort aufgrund der klimatischen Verhältnisse nicht möglich. Und schon die WM, die im November/Dezember 2022 stattfindet, beschert bei der Planung des internationalen Spielkalenders vielfältige Probleme. Da erscheint es aus heutiger Sicht undenkbar, dass die Fifa im Jahr 2021 auch noch einen Confed Cup in der bisherigen Form in die Adventszeit zwängt. Es wird wohl eher eine Junioren-Mannschaft sein, die nach Doha oder ans Ende der Welt fliegt, um so ein WM-Testturnier zu gewinnen.

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SZ vom 01.07.2017/sonn
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