DFB-Elf bei Fußball-WM:Wenn die Jungen Routinier spielen müssen

Women's World Cup - Group B - Germany v China

Stütze des Teams: Giulia Gwinn.

(Foto: REUTERS)
  • Die DFB-Fußballerinnen gewinnen zum WM-Auftakt gegen China.
  • Während die erfahrenen Spieler Probleme haben, glänzen die Jungen.
  • Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg richtet deutliche Worte an das Team.

Von Anna Dreher, Rennes

Der Blick von Martina Voss-Tecklenburg ging in den Himmel, die Hände hatte sie vor dem Gesicht zusammengefaltet, ein paar Sekunden stand sie so auf dem Platz im Stadion Roazhon Park. Eben war das erste Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Frankreich zu Ende gegangen, mit einem schwer erarbeiteten 1:0 (0:0) gegen China. In diesem Moment, sagte die Bundestrainerin später, als sie auf dem Podium bei der Pressekonferenz saß, habe sie sich einfach nur für die drei Punkte bedanken wollen. Wenig später dürfte sie das auch gegenüber ihren Spielerinnen geäußert haben, begleitet allerdings von Kritik: "Wir haben uns heute selbst rausgebracht. Zu sagen, dass es nur an der Zweikampfhärte des Gegners lag, wäre zu einfach. Das lag auch an unseren Fehlern."

Wie wichtig ein guter Start in dieses Turnier ist, war in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder von den Deutschen betont worden. Und es war keine Fußballerplattitüde. Es ist die aktuelle Konstellation, die einen Auftaktsieg noch wichtiger gemacht hat, als dieser ohnehin sein kann. Erst seit einem halben Jahr arbeitet Voss-Tecklenburg, 51, mit der umstrukturierten und verjüngten Nationalmannschaft zusammen, von der 15 Spielerinnen noch nie an einer WM teilgenommen hatten. Am Samstagnachmittag aber war es dann ausgerechnet einer dieser Neulinge, der den wichtigsten Unterschied ausmachte.

"Das Tor war ein Stück weit eine Erlösung"

In der 66. Minute wurde eine Ecke von Dzsenifer Marozsán vermeintlich aus der Gefahrenzone gelenkt - landete dann aber bei Giulia Gwinn. Die erst 19-Jährige zögerte in ihrem neunten Länderspiel nicht lange und schoss aus 18 Metern ins linke Eck zu ihrem zweiten DFB-Tor. Sie war die Einzige, die aus den durchaus vorhandenen Möglichkeiten etwas machte und dafür sorgte, dass die deutsche Mannschaft bei WM-Auftaktspielen weiterhin ungeschlagen bleibt. "Das Tor war ein Stück weit eine Erlösung", sagte Gwinn, die Augen noch glänzend vor Freude. "Ich hatte ein bisschen Platz und dachte, ich zieh einfach mal ab. Ich weiß nicht, ob mir so etwas noch ein zweites Mal gelingen wird."

Was für ein unangenehmer Gegner China sein könnte, wusste die Mannschaft. Wie unangenehm, das überraschte dann aber doch. Nachdem die Deutschen offensiv mutig gestartet waren und mehrmals vor den 15 238 Zuschauern in Führung hätten gehen können, schlichen sich Fehler und Ungenauigkeiten ein, auch provoziert von der Härte des Gegners. Aber daran lag es ja eben nicht ausschließlich. In der 14. Minute beispielsweise spielte Innenverteidigerin Sara Doorsoun - die sich später sehr selbstkritisch zeigte - einen Querpass, der einen gefährlichen Angriff der Chinesinnen einleitete. Mehrmals kam es zu solchen Situationen. "Von außen gibt es wenig Erklärungen, wie das so passieren konnte", sagte Voss-Tecklenburg. "Zumal wir davor gesagt haben, Querpässe sind ein No-Go, wir wollen ein klares Spiel."

"Kaum eine Spielerin, die ohne Blessuren vom Platz gegangen ist"

Vor dem Auftakt hatte die Bundestrainerin betont, man wolle versuchen, den offensiv starken Gegner nicht zur Entfaltung kommen zu lassen - stattdessen waren es dann die Chinesinnen, die ihre Spielerinnen daran hinderten und, selbstbewusster durch die Fehler der Deutschen, auch mit cleverer eingesetzten langen Bällen den Druck erhöhten. Erst nach der Pause konnte sich die Mannschaft um Kapitänin Alexandra Popp wieder besser daraus befreien, deutlich gezeichnet von der häufig grenzwertigen Härte der Chinesinnen in den Zweikämpfen. "Es gibt eigentlich kaum eine Spielerin, die ohne Blessuren vom Platz gegangen ist heute", sagte Voss-Tecklenburg. "Bei Dzsenifer Marozsán müssen wir abwarten, was bei genaueren Untersuchungen rauskommt. Der Fuß sah nicht gut aus bei ihr."

"Das ist ein Signal"

Deutschlands Ausnahmekönnerin hatte im Mittelfeld mit Sara Däbritz und Melanie Leupolz das Spiel gelenkt, bis sie nach zwölf Minuten derart aufs Sprunggelenk getreten worden war, dass sie nur mit Mühe bis zum Schluss weitermachen konnte. Und Voss-Tecklenburg klang durchaus besorgt, ob Marozán am Mittwoch in Valenciennes gegen Spanien (18 Uhr) voll einsatzfähig sein würde.

Umso erleichterter dürfte sie über die Leistung ihrer jungen Spielerinnen gewesen sein. Gwinn zeigte erst rechts außen und später links hinten eine gute Leistung und sagte später wie ein Routinier: "Ich habe ja schon auf mehreren Positionen gespielt, das war keine große Umstellung, ich habe mich schnell eingefunden." Und dann gab es da noch die 17-jährige Lena Oberdorf, die zur Halbzeit zu ihrem WM-Debüt kam, als nun jüngste deutsche Teilnehmerin überhaupt, und mit einer Ruhe und Klarheit auffiel, die manch erfahrenerer Spielerin an diesem Tag abging. "Es war nicht das schönste Spiel, aber vielleicht war der Start mit Widerständen sogar gut", sagte Martina Voss-Tecklenburg noch. "Positiv ist doch, dass wir uns durchgekämpft haben und uns aus einem Tief heraus gesteigert haben. Das ist ein Signal."

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