DFB:Ein geheimnisvolles Verfahren

DFB: Rainer Koch ist seit vielen Jahren Vize-Präsident des DFB und aktuell zum bereits dritten Mal Interimspräsident.

Rainer Koch ist seit vielen Jahren Vize-Präsident des DFB und aktuell zum bereits dritten Mal Interimspräsident.

(Foto: Sebastian Gabriel)

In der Ethiker-Affäre beim DFB dient das Hervorholen eines bereits im Mai abgelegten Vorgangs offenbar dazu, eine heikle Aussage der Verbandsspitze nachträglich abzusichern.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Es gibt eine neue Folge in der Seifenoper um den Deutschen Fußball-Bund (DFB), die Trümmer seiner Ethik-Kommission und den Beharrungskampf der Topfunktionäre um Interims-Boss Rainer Koch. Das Thema diesmal: ein mysteriöses Ethik-Verfahren, das nach Aktenlage keine Erfolgsaussichten hat, wohl aber dazu dienen könnte, manipulative Aussagen gegenüber DFB-Präsidiumsmitgliedern nachträglich abzusichern.

Als am Dienstag die Notlage für die Verbandsspitze eskalierte und die drei unter Protest abgetretenen Ethik-Kontrolleure Bernd Knobloch (Jurist), Nikolaus Schneider (ehemals Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirchen in Deutschland) und Birgit Galley (Korruptionsexpertin) peinvolle Klarstellungen zu offiziellen DFB-Behauptungen vorlegten, trat plötzlich Hans Lorenz als Vorsitzender des DFB-Sportgerichts hervor. Die verblüffende News: Es sei, teilte er mit, ein Verfahren gegen Knobloch anhängig. Genauer, präzisierte einen Tag später gegenüber der SZ: Es habe einen Antrag gegeben, das führe automatisch zu einem Verfahren und brauche keine "förmliche Eröffnung" mehr.

Was hat es auf sich mit diesem rätselhaften, nach Aktenlage sogar für den Sportgerichtschef selbst so überraschenden Verfahrens-Ansatz? Die Frage steht jetzt im Raum. Das Thema ist kompliziert, soll es wohl auch sein in Zeiten, in denen es für die DFB-Spitze um Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge um so viel geht.

Zwar erklärt DFB-Sportrichter Lorenz, dass der Antrag im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einem Verfahren gegen Ex-Präsident Fritz Keller eingegangen sei. Also schon vor Monaten. Aber Knobloch und ein anderes früheres Ethikmitglied beteuern, so ein Verfahren sei ihnen bis zum Ende der Kommission am 16. Juni nicht bekannt gewesen. Das trifft nach Lage der Dinge auch für das Sportgericht zu: Lorenz hatte damals eine Befangenheits-Causa gegen Knobloch grundsätzlich abgelehnt, der Fall galt als geklärt. Aber nun wurde er urplötzlich nochmal thematisiert, und zwar, wie die SZ erfuhr, nach der von der DFB-Spitze in Kauf genommenen Sprengung des Ethikgremiums. Und der Anstoß dazu kam: aus dem verbliebenen, nicht handlungsfähigen Ethik-Rumpfteam um die neue Wunsch-Vorsitzende der DFB-Spitze, die Personalberaterin Irina Kummert. Das könnte die Ethiker-Causa endgültig als Komplott entlarven.

Just als gegen Interimschef Koch zwei Anzeigen vorlagen, erfolgte die Sprengung der Ethikkommission

Die Abläufe sind komplex: Vergangene Woche boxte die DFB-Spitze die Wahl der innerhalb des Ethikstabs äußerst umstrittenen Kummert durch. Flott eingefädelt wurde das Ganze Anfang Juni, als den Ethikern gerade zwei heikle Anzeigen zu etwaigem Fehlverhalten von Interimschef Koch ins Haus geflattert waren. Einmal ging es um einen Vorwurf der Frauen-Initiative "Fußball kann mehr". Weit brisanter erscheint die zweite Anzeige: detaillierte Vorwürfe des früheren DFB-Präsidenten Reinhard Grindel zu Kochs Verhalten rund um die WM-2006-Affäre und seine eigene Demontage. Aus dem zerstrittenen Ethikerstab - hier Kummert, dort die anderen Drei - kandidierten nun neben der Favoritin der DFB-Spitze auch Knobloch sowie der angesehene Theologe Schneider. Dann wurde, kurz vor der Wahl, gegen die beiden letzteren mit falschen oder unangemessenen Aussagen Stimmung gemacht.

Am Vorabend der Präsidiumssitzung wurde bei der Beratung der Amateurvertreter, das bestätigen mehrere Teilnehmer, Schneiders Gesundheit thematisiert. Die Folge: Niemand schlug diese im Lande hochgeschätzte Persönlichkeit vor. Nach dem Coup stellte Schneider entsetzt klar, dass er seine Kandidatur auch aus Gesundheitsgründen voll vertreten konnte.

Zu Knobloch wiederum thematisierte Osnabrügge ein angeblich hängiges Verfahren vor dem Sportgericht - der Jurist verlor die Wahl 5:7 gegen Kummert. Knobloch, Schneider und Galley traten sofort zurück. Und: zwei von ihnen hatten das vorab schon angekündigt, falls Kummert gewählt würde. Nun ist der Ethikstab arbeitsunfähig.

Während der DFB zur Causa Schneider beharrlich schweigt, entzündete sich ein bizarres Hickhack um das angebliche Knobloch-Verfahren. Osnabrügge selbst hatte tagelang erklärt, dass er gar nicht genau wisse, was der Sachstand sei. Schon auf der Grundlage stellt sich die Frage, wie seriös derartige Spekulationen zu einem Kandidaten direkt vor einer Abstimmung sind.

Fakt ist, dass es im Frühjahr eine Beschwerde gegen Knobloch gab, die im Rahmen des Verfahrens gegen Ex-Präsident Keller zu Befangenheitsanträgen gegen den Ethik-Interimschef geführt hatten. Am 3. Mai wies Sportrichter Lorenz diesen Antrag zurück, überdies legte das Gericht ausführlich dar, warum es Knoblochs Handeln für nicht zu beanstanden hält. Diesen Beschluss übermittelte der Ethik-Sekretär Ulrich Schulte-Bunert damals an Osnabrügge. Auch legte der DFB für ein noch laufendes Knobloch-Verfahren weder im Präsidium noch bei Presseanfragen in den folgenden Tagen Belege vor. Es wurde eng. Dann kam plötzlich die Wende, als Lorenz auf einen Verfahrensansatz gestoßen wurde - im Nachhinein war eine Erklärung da.

Der Anstoß zur neuerlichen Befassung mit dem Thema soll erst nach der Wahl des Ethik-Chefs gekommen sein

Aber warum war sie plötzlich da? Lorenz schweigt zu konkreten Fragen, der DFB ebenso. Ethikchefin Kummert und ihr Geschäftsstellenleiter Schulte-Bunert stellten in den vergangenen Tagen klar, dass sie sich zu Vorgängen in der Vergangenheit nicht äußern, sondern nur nach vorne schauen wollen. Aber Knobloch erklärte am Mittwoch: "Das Gericht hat mir heute auf Nachfrage mitgeteilt, dass vor wenigen Tagen ein Schreiben eingegangen sei, welches das Urteil vom 3. Mai als unvollständig bezeichnen würde. Aber ein Verfahren ist noch nicht eröffnet."

Hochgezogen habe die Sache, so ist nun aus Kreisen der am Mittwoch tagenden Amateurvertreter zu erfahren, erst "vor einigen Tagen" ausgerechnet ein Vertreter der Ethik-Kommission: Geschäftsstellenleiter Schulte-Bunert. Der wackere Sekretär habe Lorenz darauf hingewiesen, dass im alten Verfahren noch ein isolierter Antrag enthalten sei. Der lässt sich zwar allenfalls erahnen; ist aber wohl egal, Hauptsache, jetzt wird sich die Sache noch einmal angeschaut.

Wenn Lorenz erst von Schulte-Bunert an ein Versäumnis erinnert werden muss, just im Kontext der heiklen DFB-Behauptung zu Knobloch, drängt sich der Verdacht auf: Es geht weniger um Verfahrensinhalte als vielmehr darum, dass es jetzt einfach nur formal so etwas wie ein Verfahren geben muss, egal, wie substantiell es ist. Ließe sich so im Nachhinein eine heikle Aussage glattziehen? Dass die (im damaligen Beschluss des Sportgerichtes als eher haltlos eingeschätzte) Causa zu nichts führen wird, erscheint Experten als gesichert - aber das wird halt erst in Wochen oder Monaten entschieden.

Am Mittwochnachmittag tagten die Landesfürsten mit Koch und dem neuen Ethiker-Gespann Kummert/Schulte-Bunert. Was ihnen diesmal erzählt wurde? Das könnte die nächste Folge der DFB-Seifenoper füllen.

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