Verdacht auf Steuerhinterziehung:Wie der DFB alle Alarmsignale ignorierte

Lesezeit: 3 min

Ein Polizist vor der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main. (Foto: Getty Images)

Der Deutsche Fußball-Bund hätte seine Steuerprobleme seit vielen Jahren bereinigen können. Der Fiskus soll dem Verband sogar entsprechende Vorschläge gemacht haben.

Von Thomas Kistner, Klaus Ott und Jörg Schmitt, Frankfurt/München

Die Warnung vor dem Fiskus, die innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bereits im Sommer 2013 erging, war mehr als deutlich. Der Steuerreferent des DFB meldete sich am 6. August per Mail bei Stefan Hans, einem der damaligen Direktoren in der Frankfurter Verbandszentrale. Der Referent notierte, der Fußball-Bund habe sich aus fiskalischer Sicht weiter in Richtung "wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb" entwickelt. Die Prüfer des zuständigen Finanzamtes seien der Ansicht, dass die Einnahmen aus der Bandenwerbung in den Stadien nun doch vollständig dem "steuerpflichtigen Bereich" zuzuordnen seien. Anlass für den Hinweis war der geplante neue Vertrag mit der Schweizer Sportagentur Infront über Bandenwerbung bei Länderspielen.

Die Mail lässt aus Sicht des Fiskus keinen Zweifel aufkommen, was der DFB nach Abschluss des neuen Vertrages mit Infront Ende 2013 hätte tun müssen: Einfach alle diese Einkünfte versteuern, ohne wenn und aber. Stattdessen verbuchte der DFB die Erlöse aus der Bandenwerbung in den Jahren 2014 und 2015 teilweise in seiner steuerfreien Vermögensverwaltung. Was dann letztlich die Frankfurter Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung veranlasste, in dieser Woche massiv zuzuschlagen. Gleich 200 Beamte rückten wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung in Höhe von 4,7 Millionen Euro zu einer Razzia in der Verbandszentrale und bei drei führenden und drei früheren Funktionären aus. Auch bei Reinhard Rauball, der vor einigen Jahren nach der Affäre um die WM 2006 als kommissarischer Präsident geholfen hatte, den Verband vorübergehend in ein ruhigeres Fahrwasser zu bringen.

Verdacht auf Steuerhinterziehung
:Erstaunliche Großoffensive gegen den DFB

Der Deutsche Fußball-Bund soll dem Fiskus 4,7 Millionen Euro vorenthalten haben. Laut Staatsanwaltschaft geht es um einen Pachtvertrag für Bandenwerbung. Aber geht es vielleicht auch um etwas anderes?

Von Thomas Kistner

Damit ist es wieder einmal vorbei. Die Razzia führt zu der Kernfrage, die den Verband seit Jahren belastet und seine Spitzenleute immer wieder schlecht aussehen lässt: Warum schafft es eine der größten und bedeutendsten Sportorganisationen der Welt nicht, Altlasten gründlich zu bereinigen und sauber zu wirtschaften? Sieben Jahre - das ist eine lange Zeit. Der DFB hätte den Streit mit dem Fiskus um die Besteuerung der Bandenwerbung längst beilegen können. Zumal nicht nur der eigene Steuerreferent frühzeitig gewarnt hatte, sondern auch der Fiskus selbst.

Das für den DFB zuständige Finanzamt Frankfurt am Main III soll bei einer Besprechung im November 2017 sogar selbst einen Vorschlag unterbreitet haben, wie der Verband seine Steuerprobleme lösen könne. Der DFB könne ja seinen Spielbetrieb, gemeint war wohl der Profisport mit den Nationalteams, in eine "gewerbliche Körperschaft" ausgliedern. Nach dem Vorbild vieler Bundesligaklubs wäre es dem Verband auf diese Weise möglich, den "Elitensport" wirtschaftlich so zu betreiben, dass die (steuerlich sehr vorteilhafte) Gemeinnützigkeit nicht gefährdet wäre.

Gewinnausschüttungen aus der neuen Körperschaft könnten dann dem Amateursport zugute kommen. So könnte sich auch "transparente Trennung" zwischen Fußball-Elite und Amateuren herstellen lassen. Das steht in einem Vermerk über die Besprechung im November 2017. Und selbst das war nicht der einzige Hinweis an den DFB oder innerhalb des Verbandes, seinen Frieden mit dem Fiskus zu machen. Verbandspräsident Fritz Keller, seit etwas mehr als einem Jahr im Amt, hat stets und unermüdlich Transparenz angekündigt. Nach der Razzia am Mittwoch bekannte er, er müsse sich in dem Steuerfall erst einmal selbst einen Überblick verschaffen.

Das hätte freilich auch der Verbandspräsident Keller längst tun können, beispielsweise durch genaue Lektüre eines 34-seitigen Grundsatzpapiers von Anfang 2018. Darin hatte der damalige Finanzdirektor und Compliance-Beauftragte des DFB, Ulrich Bergmoser, alles aufgeschrieben, was für ein sauberes Wirtschaften unabdingbar sei. Dafür steht der Begriff Compliance. Und: Finanzchef Bergmoser wies ausdrücklich auch auf Steuerrisiken hin. Die verschiedenen Bereiche beim DFB müssten klar getrennt werden. Das Papier liest sich wie eine letzte Warnung, bevor Schlimmeres passieren könnte. Bergmoser notierte, durch falsche Erklärungen beim Fiskus ausgelöste Steuerverkürzungen würden unter bestimmten Voraussetzungen als Straftat gewertet werden.

Um Schaden vom Verband abzuwenden, müsse durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass "grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Steuerverkürzungen unbedingt vermieden werden". Bergmoser verwies sogar auf die Pflicht des DFB, bei Bekanntwerden falscher Steuererklärungen diese zu korrigieren. Auch Selbstanzeigen könnten nötig sein, um sich vor Bußgeldern und Strafen zu schützen. Hat das von den Verbandsoberen niemand gelesen?

Fühlten sich die Behörden vom DFB provoziert?

Ermittelt wird nun gegen DFB-Vizepräsident Rainer Koch, Generalsekretär Friedrich Curtius, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Ex-Präsident Reinhard Grindel. Sie werden der "fremdnützigen Steuerhinterziehung" zu Gunsten des DFB beschuldigt; ebenso wie Reinhard Rauball und der frühere Generalsekretär Helmut Sandrock. Doch diese beiden waren längst nicht mehr in ihren Ämtern, als Bergmoser sein Grundlagenpapier verfertigte. Alle sechs Beschuldigten sollen für die mutmaßlich falschen Steuererklärungen verantwortlich oder mitverantwortlich gewesen sein. Der Verband wolle, sagt Präsident Keller, umfassend mit den Behörden kooperieren. Vielleicht ist die Razzia ja nur deshalb so opulent und Aufsehen erregend ausgefallen, weil die Behörden sich vom DFB provoziert fühlten.

Die Sache selbst, die Versteuerung von Werbeerlösen bei Heimspielen der Nationalelf, hätte sich bestimmt auch anders lösen lassen. So aber muss auch der DFB aufpassen, dass sich Fußball und Fans angesichts wirtschaftlicher Nöte einerseits und extrem hoher Saläre und Ablösesummen andererseits nicht entfremden. Der ehemalige Nationalspieler Jürgen Kohler warnt, Nachrichten wie die von einer Steuer-Razzia beim DFB würden "in dieser Gemengelage nicht unbedingt zur Besserung" beitragen.

© SZ vom 10.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungRazzia beim DFB
:Der Affärenverband aus Frankfurt

Seit Jahren reiht sich beim Deutschen Fußball-Bund eine Affäre an die andere. Die Dimension der neuesten Razzia lässt einige Rückschlüsse zu.

Kommentar von Claudio Catuogno

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: