Süddeutsche Zeitung

Fritz Keller:Mit dem Nahverkehr in die DFB-Zentrale

  • Der Freiburger Fritz Keller wird aller Voraussicht nach Reinhard Grindel als DFB-Präsident nachfolgen.
  • Am Mittwoch wurde er von den Vertretern der 36 Profiklubs der ersten und zweiten Liga einerseits sowie von den Landesverbänden des DFB andererseits zum gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten gekürt.
  • Mit programmatischen Äußerungen hielt sich Keller bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Kandidat noch weitgehend zurück.

Von Javier Cáceres, Berlin

Ob das schon ein Zeichen für einen kleinen Kulturwandel ist? Kurz nach halb zwei traf der künftige starke Mann des deutschen Fußballs, Fritz Keller, bei seinem mittwöchlichen Luxushotel-Hopping in Berlin am Tagungsort der Deutschen Fußball Liga (DFL) ein - und sah sich umringt von Fotografen. Ob er den Rucksack, den er über der linken Schulter trug, nicht ablegen könne, fragten ihn die Bildreporter. Dann würden die Fotos besser ausschauen. "Nee, wieso?", entgegnete Keller, 62, der bisherige Präsident des Bundesligisten SC Freiburg. "Der gehört dazu."

Seit Mittwoch weiß der Winzer aus Baden endgültig: Es gibt keinen vernünftigen Zweifel mehr daran, dass er am 27. September, also fast sechs Monate nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel, vom DFB-Bundestag zum neuen Vorsitzenden gewählt wird. Keller wurde von den Vertretern der 36 Profiklubs der ersten und zweiten Liga einerseits sowie von der Konferenz der Regional- und Landesverbandspräsidenten des DFB andererseits zum gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten gekürt.

"Diese Aufgabe stand nicht in meiner Lebensplanung, weil ich eigentlich sehr glücklich bin und war mit dem, was ich mit meinen Kollegen in Freiburg und in meinem Familienbetrieb erreicht habe", sagte Keller am Mittwoch bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Kandidat. Dass die Aufgabe an ihn herangetragen wurde, sei "zunächst mal ein kleiner Schock" gewesen. "Wenn die alle glauben, dass ich da was verbessern kann, dann mach' ich das gerne", sei seine Antwort gewesen.

Keller war am vergangenen Donnerstag durch die DFB-Findungskommission nominiert worden. Am Rekrutierungsprozess war auch eine Personalberatungsagentur beteiligt. DFB-Vize Rainer Koch sagte, dass Keller von den Namen, die auf einer Shortlist übrig geblieben waren, "der mit Abstand am besten geeignete Kandidat war". Wie viele weitere Kandidaten infrage gekommen waren, behielt Koch für sich. Keller sei der einzige Ansprechpartner gewesen. Keller kenne die Strukturen, werde allseits respektiert, verfüge über unternehmerische Kenntnisse und habe Sportbezug. Kritik am Prozedere wies Koch zurück: "Es gab hier keine Mauscheleien."

Mit programmatischen Äußerungen hält sich Keller zurück

Die Einbindung einer Personalberatungsagentur wiederum, die ebenfalls zu Irritationen geführt hatte, hielt DFL-Chef Christian Seifert für notwendig. Der DFB sei nicht nur Verband, sondern auch ein Wirtschaftsunternehmen, das 400 Millionen Euro umsetze. Und die Besetzung der DFB-Spitze sei bei allen Vorzügen, die die letzten drei DFB-Präsidenten (Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach, Reinhard Grindel) gehabt hätten, in den vergangenen Jahren "nicht sehr erfolgreich" gewesen. Nun sei auf hochprofessionelle Weise ein Kandidat gefunden worden. "Das war keine Instagram- oder Twitterabstimmung."

Mit programmatischen Äußerungen hielt sich Keller am Mittwoch noch weitgehend zurück. Allerdings kündigte er an, auf eine größere Zahl an Frauen in den DFB-Gremien zählen zu wollen. Er selbst strebt nicht in die - erheblich dotierten - Gremien des europäischen Verbandes Uefa und des Weltverbandes Fifa, diese Aufgabe würde Rainer Koch übernehmen. Für Keller ist das auch eine Zeitfrage. Er wolle weiterhin auf den Plätzen "eine Schorle oder ein Bier trinken" können. "Das Präsidenten-Amt wird ein Full-Time-Job", sagte Keller.

Auf die Frage, wie er der häufig lamentierten Abkapselung der Nationalmannschaft entgegenwirken wolle, sagte Keller, dass er konkreten Vorstellungen eine Analyse voranstellen wolle. Zu den anstehenden Strukturänderungen ließ er sich ebenfalls noch nicht abschließend ein. "Wir werden relativ schnell eine Kommission bilden, die Vorschläge macht, wie wir diese Struktur entwickeln. Wir haben entschieden, dass ich so lange auch im operativen Geschäft bleibe." Gleichwohl werde er weiter in Freiburg wohnen. Es gebe eine gute ICE-Verbindung zum Frankfurter Flughafen, wo er in die S-Bahn-Linie 9 umsteigen könne, vom Stadion in Frankfurt seien es dann nur noch fünf Minuten zu Fuß bis zur DFB-Zentrale. Ein DFB-Präsident im Nahverkehr - es scheint sich doch etwas zu ändern beim größten Einzelsportverband der Welt.

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SZ vom 22.08.2019/jki
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