DFB:Der Amateur-Fußball fühlt sich um Millionen geprellt

DFB-Präsident Grindel

Reinhard Grindel: Muss sich Fragen stellen lassen

(Foto: dpa)
  • Zu dem Grundlagenvertrag, der seit 2001 die Finanzbeziehung zwischen dem Verband und seiner ausgegliederten Liga regelt, existiert eine Zusatzvereinbarung, von der der ohnehin gut betuchte Liga-Betrieb profitiert.
  • Im offiziellen Vertrag ist weiter von drei Prozent Pacht aus den Liga-Einkünften die Rede, eine Zusatzvereinbarung regele die Einzelheiten. Und darin begrenzt die Liga ihre Pachtzahlungen auf 26 Millionen Euro jährlich.
  • Diverse DFB-Führungen haben bei der Festlegung der Klausel mitgewirkt, darunter die aktuelle, und so muss sich auch Reinhard Grindel heiklen Fragen stellen.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Als der Segen des Bundestags in der üblichen Einstimmigkeit erteilt war, sparte Reinhard Grindel nicht mit frommen Worten. "Dieser Vertrag", tat der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bei der Vollversammlung im Herbst kund, "dokumentiert die Einheit des deutschen Fußballs." Gemeint war der Grundlagenvertrag, der seit 2001 die Finanzbeziehung zwischen dem Verband und seiner ausgegliederten Liga regelt. Dabei betrachten viele Vertreter des Amateurfußballs das Papier nicht als Dokument der Einheit - sondern als Spaltpilz. Und nun fühlen sie sich sogar um viele Millionen Euro geprellt.

Denn es zeigt sich, dass die Geldflüsse in Hinterzimmer-Runden so festgelegt wurden, dass unter dem Strich der ohnehin gut betuchte Liga-Betrieb (DFL) profitiert. Diverse DFB-Führungen haben dabei mitgewirkt, darunter die aktuelle, und so muss sich auch Grindel heiklen Fragen stellen.

Es geht im Kern um zwei Finanzströme zwischen beiden Häusern. Die Liga zahlt dem DFB einen jährlichen Pachtzins von drei Prozent ihrer Erlöse aus nationalen TV-Rechten und Kartenverkauf. Im Gegenzug zahlt der DFB der Liga aus den Vermarktungserlösen der Nationalelf zwischen "15 und 30 Prozent". So steht es im Vertrag. Angesichts der steten Zuwächse in der TV-Vermarktung fühlen sich ohnehin viele Vertreter des sieben Millionen Mitglieder starken Amateurlagers unfair behandelt: Nur drei Prozent für so ein teures Gut, das ohne Basisarbeit nie funktionieren würde?

Erst nach hartnäckigen Anfragen gibt der DFB die Vereinbarung an die Landesverbände

Nun zeigt sich, wie eine Zusatzvereinbarung den offiziellen Text aushöhlt. Denn erstens begrenzen die stillen Absprachen die tatsächliche Zahlung aus dem Profilager. Und zweitens wusste das kaum jemand. Erst nach Medienberichten und hartnäckigen Anfragen gibt der DFB die Vereinbarung nun an die Landesverbände, auch die SZ sah sie ein. Beides wirft Fragen auf: der Inhalt, aber auch der Umgang damit gegenüber Öffentlichkeit und Verbandsmitgliedern. Das sieht nun auch Grindel so: Künftig sollen die Absprachedetails anders dargestellt werden.

Die erste Zusatzvereinbarung zum internen Finanzaustausch datiert von 2009. Reinhard Rauball, damals wie heute Liga-Präsident, wurde beim Abschluss mit dem Satz zitiert, die Abgaben würden nun "gedeckelt". Zwar wurde da noch kein konkreter Deckel für die Abgaben der Liga verfügt, diese betrugen weiter exakt drei Prozent. Indirekt aber gab es eine Begrenzung - das verrät der Jahresbericht 2013. Dort schrieb der Schatzmeister Horst R. Schmidt, in der abgelaufenen Geschäftsperiode seien die folgenden "verabredeten Beträge" als Saldo geflossen: jeweils 4,75 Millionen Euro für 2009/10 und 2010/11, danach sechs Millionen für 2011/12. So spiegelglatte Beträge sind nur möglich, wenn sie vereinbart waren und die Höhe der DFB-Zahlung für die Liga an die Höhe der Liga-Zahlung für den DFB angepasst wurde.

2013 erfolgte ebenso diskret eine gravierende Änderung: Seitdem gibt es für beide Ströme eine Obergrenze. Im offiziellen Vertrag ist weiter von drei Prozent Pacht aus den Liga-Einkünften die Rede, eine Zusatzvereinbarung regele die Einzelheiten. Und darin begrenzt die Liga ihre Pachtzahlungen auf 26 Millionen Euro jährlich. Wobei es heißt: "Ausgehend von drei Prozent auf Erlöse von höchstens 866,66 Millionen Euro." Umgekehrt wurde vereinbart, dass der DFB 25 Prozent seiner Nationalelf-Erlöse abtritt, höchstens aber 20 Millionen Euro.

Im Klartext: Es gab jährlich eine feste Differenz von sechs Millionen Euro - vereinbart zwischen den Spitzen der Liga und dem damals noch von Wolfgang Niersbach geleiteten DFB. Seltsamerweise war im Pressetext zum Grundlagenvertrag weiter nur von der Drei-Prozent-Vereinbarung die Rede - und kein Wort von der neu verfügten Deckelung. Die war, ausweislich des Protokolls, auch beim Bundestag kein Thema. Nur in Schmidts schriftlichem Jahresbericht taucht sie auf; das Delta werde "auf sechs Millionen Euro fixiert", hieß es.

Der DFB verteidigt grundsätzlich, dass er sich auf diese Konstruktion einließ.

Nächstes Fragezeichen: die Verlängerung des Grundlagenvertrags im Herbst 2016, DFB und DFL hatten gerade Verträge über immense Zuwächse abgeschlossen. Der Verband erhält von Adidas künftig 50 Millionen per annum, jedoch erst ab 2019. Und die Liga besiegelte einen TV-Deal, der ihr ab 2017 bis 2021 im Schnitt 1,16 Milliarden Euro jährlich für die Rechte beschert. Als aber die Vertreter der DFL und des DFB unter Grindels Führung den Grundlagenvertrag unterschrieben, wurde nichts geändert. Nichts im Vertragstext, nichts an der Hin- und Her-Zahlung von 20 bzw. 26 Millionen Euro, nichts am Saldo von sechs Millionen. Und auch nichts an der Zahl von 866,66 Millionen Euro als Bemessungsgrenze für die von der Liga abzuführende Pacht.

Dabei fallen deren Erlöse bald um einige Hundert Millionen Euro höher aus. Insofern profitiert das Profilager von der Regel noch einmal besonders in den Spielzeiten 2017/18 und 2018/19, wenn der neue TV-Vertrag schon gilt, die Einnahmen auf DFB-Seite aber noch nicht gestiegen sind.

Der DFB verteidigt grundsätzlich, dass er sich auf diese Konstruktion einließ. Grindels Argumentation geht so: Die Konstellation mit den beiden Finanzsträngen sei elementar, und das damit verbundene Recht, die Nationalelf zu vermarkten, bilde die wirtschaftliche Basis für die vielfältigen Aufgaben des DFB. Die Deckelung gebe Planungssicherheit. Und angesichts zu erwartender Marketingerlöse, die sich womöglich sogar besser als die Liga-Einnahmen entwickeln könnten, sei dies auch unter kaufmännischen Gesichtspunkten im Interesse des DFB. Allerdings weisen rückläufige Zuschauerzahlen bei Länderspielen auch in eine andere Richtung.

Zudem sind steuerliche Aspekte wichtig. Der Pachterlös fällt in die sogenannte Vermögensverwaltung, für die der DFB keine Steuern zahlen muss; die Abgabe an die Liga indes fällt als Betriebsausgabe in den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Die Ausgaben, so Grindel, dürften nicht zu groß werden, weil sonst ein Minus in dem Bereich drohe. Den DFB-Chef bringt das Thema dennoch in Erklärungsnot. Bis 2013 war er Compliance-Beauftragter; die Zusatzvereinbarung, sagt er, habe er da aber nicht gekannt. Erst nach der Wahl zum Schatzmeister 2013 sei er von Vorgänger Schmidt darüber in Kenntnis gesetzt worden. Im April 2016 kam er nach Niersbachs Rücktritt ins Chefamt, trotz Vorbehalten im Profilager. Eines seiner Versprechen war mehr Transparenz. Doch an der Zusatzvereinbarung und am Sechs-Millionen-Fixum änderte sich nichts: Der Saldo zwischen den Deckelungen sei "das Ergebnis einer Zusage von Wolfgang Niersbach, an die ich mich bei Amtsantritt gebunden gefühlt habe".

Kein DFB-Präsident informierte den Bundestag über das Dokument, auch nicht Grindel

Der Transparenz-Verfechter Grindel legte die Vereinbarung auch nicht offen. Befragt, warum er das nicht getan habe, sagt er: "Es gab und gibt keine Geheimdiplomatie, die 2009 eingeführte Zusatzvereinbarung habe ich stets als Anlage verstanden, die dem DFB-Präsidium bekannt war. Sie hätte selbstverständlich auch dem DFB-Bundestag vorgelegt werden können." Wurde sie aber nicht.

Das Ja des Bundestags zum Grundlagenvertrag erfolgte ohne Kenntnis der Zusatzvereinbarung.

Künftig, sagt Grindel, soll es die Zusatzabsprache nicht mehr geben und ihr Inhalt direkt in den Grundlagenvertrag fließen. Ob sich aber am umstrittenen Inhalt etwas ändert, ist Sache der nächsten Verhandlungsrunde. Bis dahin dauert es; der aktuelle Vertrag läuft bis 2023. So lange profitiert das Profilager, das seine Milliarden ganz überwiegend in ständig wachsende Traumgagen, in Transfer-Karussells und Beraterhonorare versenkt, auf die bewährte Art.

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