DFB-Bundestag:Die Chance auf einen Neuanfang ist da

DFB-Bundestag: Rainer Koch beim DFB-Bundestag.

Rainer Koch beim DFB-Bundestag.

(Foto: Alexander Scheuber/Getty Images for DFB)

Die erdrutschartige Abwahl des umstrittenen Rainer Koch markiert einen Kulturbruch im Deutschen Fußball-Bund - und damit eine echte Möglichkeit. Die Priorität muss nun klar sein: Aufräumen.

Kommentar von Thomas Kistner

Das System Rainer Koch im Deutschen Fußball-Bund ist abgewählt. Der langjährige Vizepräsident, Herr über die Amateure und - vor allem - über die Satzungswerke des DFB, hat sich mit seinem letzten Schachzug selbst ins Aus befördert. Darauf vertrauend, dass er seine verbandsinternen Kritiker auf bewährte Art schon vor einer Kampfabstimmung zermürben würde, hat sich Koch wohl überhaupt nur auf ein Duell mit geheimem Votum eingelassen; sein bayerischer Landesverband hatte die Gegenkandidatin Silke Sinning sogar gönnerhaft nominiert. Und dann zeigte Sinning, im DFB eine veritable Quereinsteigerin, dass niemand in diesem Laden sie einschüchtern kann.

Sie marschierte in die Bütt, und sie sagte es den Delegierten ins Gesicht: dass es nun allein an ihnen allen liege, für klare Verhältnisse im Chaosverband zu sorgen. In einem Affärenstadl, den mittlerweile 95 Prozent der Fußballbasis missbilligen, in dem die Staatsanwaltschaft Dauergast ist - und Rainer Koch, klar erkennbar, im Zentrum der Beben steht.

Keine Ausflüchte mehr, war ihre Botschaft. Koch oder Sinning. Und siehe an, die weitgehend unbekannte Professorin für Sportwissenschaft landete einen Erdrutschsieg, mit 163 zu 68 Stimmen. Das zeigt zweierlei: Es ist höchste Zeit, den Kameradenverbund mit Frauen zu konfrontieren. Das hatte dieser Männerklüngel ja sogar noch in der Wahlkampfzeit erfolgreich zu verhindern gewusst; die Frauen-Initiative um Katja Kraus und Co. gab schließlich genervt auf.

Zweitens zeigt dieser Erdrutsch, wie groß die Ablehnung gegen Koch im DFB tatsächlich war, und wie enorm folglich der Druck des omnipräsenten Strippenziehers auf Verbände, Funktionäre und Hauptamtliche gewesen sein musste. Nun konnte sich alles in einem gewaltigen Läuterungsprozess entladen, den die unverhoffte Möglichkeit einer geheimen Abstimmung eröffnet hatte: Alle trauten sich plötzlich, endlich das auszudrücken, was sie einander sonst stets nur hinter vorgehaltener Hand zugeflüstert hatten.

Alle Akten, jeder interne Zahlvorgang der vergangenen Jahre gehört auf den Tisch

Der DFB steckt nun im Vakuum, aber in diesem Fall ist das gut so. Monatelang hatten Koch und Co. alles zurechtgeruckelt, Leute ihres Vertrauens durften in teils alte, oft neue Ämter gleiten wie das Messer durch die Butter. Jetzt fährt der Zug, den Koch aufgegleist hat, ohne den Schaffner ab. Das ist im DFB ein Kulturbruch. Ob es auch ein Neuanfang wird, den sich der Millionenverband ja wie stets aufs Banner geschrieben hatte, wird sich weisen. Aber Koch ist weg, und die Chance ist da.

DFB-Bundestag: Die neue DFB-Vizepräsidentin: Silke Sinning.

Die neue DFB-Vizepräsidentin: Silke Sinning.

(Foto: Simon Hofmann/Getty Images for DFB)

Ohne den großen Schattenstrategen muss sich auch das verbandsinterne Team Koch neu orientieren. Diesem Team ist der frisch gekürte erste Vizepräsident Ronny Zimmermann zuzurechnen, ein Funktionär mit interessanter DFB-Vita; aber auch der neue Präsident Bernd Neuendorf. Er muss jetzt aus dem Stand zeigen, dass er den Verband wirklich in die Zukunft führen kann; so, wie er es dem Kongress dargelegt hatte, als mit Kochs Abgang wohl noch kaum jemand rechnete.

Viel Arbeit liegt also vor Neuendorf. Aber die oberste Priorität ist klar. Denn nicht nur der K.-o.-Schlag für Koch, auch der angekündigte Rückzug des Schatzmeisters Stephan Osnabrügge (gegen den weiter ermittelt wird) ist ja ein klares Statement aus dem Inneren des Verbandes: Aufräumen! Alle Akten, jeder interne Zahlvorgang der vergangenen Jahre gehört auf den Tisch. Das Augenmerk liegt auf dem neuen Schatzmeister Stephan Grunwald.

Zum Aufbruch in den neuen DFB gehört, nicht zuletzt, auch eine genaue Begutachtung jener Hauptamtlichen, die im Affärenstadl trotz gut dotierter Ämter mit hoher Verantwortung nie mäßigend, schon gar nicht kritisch aufgefallen sind. Gerade in Generalsekretariat und Justiziariat sollte eiserne Treue eine gewisse Flughöhe nicht überschreiten. Sonst wird auch Loyalität zur Belastung. In heiklen Fällen sogar über Nacht.

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