Süddeutsche Zeitung

DFB bei der Frauenfußball-WM:Ungeheuer retten Gruppensieg

  • Drei Kopfballtore entscheiden das Spiel gegen Thailand - doch trotz des 4:0 im letzten WM-Gruppenspiel ist die Stimmung im DFB-Team der Frauen gedämpft.
  • Die Chancenverwertung macht Bundestrainerin Neid Sorgen.
  • Im Achtelfinale wartet ein stärkerer Gegner.
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Von Jonas Beckenkamp

Zu den Wesenszügen des sogenannten "Kopfballungeheuers" zählt gemeinhin, dass es sich bei dieser Spezies gerne um Männer handelt. Vertreter dieser Art tragen das Haar wuschelig oder in anderer Ausprägung des Mähnenhaften. Sie sind furchtlose Krieger der Lüfte, können sich in bemerkenswerte Höhen schrauben und hören auf klingende Namen wie Kalle "Air" Riedle oder - ohne Kosename - Horst Hrubesch. Eher nicht mit ausgeprägter Ungeheuerlichkeit in Erscheinung getreten sind bislang die Fußballerinnen Melanie Leupolz und Lena Petermann.

Diese Wahrnehmung dürfte sich nach dem 4:0 der deutschen Fußballfrauen bei der WM gegen Thailand bald ändern. Aus Sicht der eher klein gewachsenen Asiatinnen fegte am Montag in Winnipeg nämlich ein Flugmonster in DFB-Kleidung über den Rasen - gegen das höchstens ein kurzfristig erwirktes Flankenverbot geholfen hätte. In Ermangelung einer solchen Richtlinie erlebten Thailands Frauen wie das so ist, wenn der Gegner eine Etage höher Fußball spielt. Wenn der Größenvorteil sich ungeheuerlich auswirkt.

Drei Kopfballtore erzielte die körperlich überlegene Elf von Bundestrainerin Silvia Neid - eines durch die Münchnerin Leupolz (24. Minute), zwei durch die Freiburgerin Petermann (56., 58.) und schließlich traf auch noch ihre Vereinskollegin Sara Däbritz. Immerhin, die 20-Jährige benutzte für ihr zweites Turniertor den Fuß. Nach zähem Vortrag in der ersten Hälfte war die deutsche Auswahl auf eine Steigerung nach der Pause angewiesen, um die Vorrunde positiv abzuschließen. "In der zweiten Halbzeit haben wir geradliniger, mehr in die Tiefe gespielt", sagte die Bundestrainerin, die vor allem mit den Schluffigkeiten vor dem Tor haderte.

"Wenn wir gegen stärkere Gegner spielen, können wir uns das nicht leisten. Da bekommst du weniger Chancen. Die musst du dann machen. Sonst ist es vorbei." Das Stimmungsbild gestaltete sich entsprechend gedämpft, richtig freuen wollte sich über den Gruppensieg mit insgesamt 15:1 Treffern niemand. Platz eins vor den Norwegerinnen (sie gewannen 3:1 gegen die Elfenbeinküste) nehmen die Deutschen zwar gerne mit - er verringert Reise-Strapazen und hält fürs Erste größere Kaliber des Welt-Frauenfußballs als Widersacher fern. Aber längst geht es dieser ehrgeizigen Gruppe ja um mehr. Gewinnen und gleichzeitig gut Fußball spielen, dieses Ziel sahen viele als verfehlt an.

"Ich bin glücklich, dass wir gewonnen haben und Gruppenerster sind", erklärte Leupolz, die als Frau des Tages ausgezeichnet wurde, "aber wir wissen selber, dass wir nicht gut gespielt haben." So war bei den Deutschen kaum ein Lächeln in den Gesichtern zu erkennen - wohlgemerkt, nach einer Begegnung mit 38:2 Torschüssen, mehr als 70 Prozent Ballbesitz und Chancen für ein ganzes Fußballerinnenleben. Neids Rochaden auf sieben Positionen führten dazu, dass ihre Europameisterinnen zwar verbissen angriffen, aber kaum Durchdachtes zustande brachten. Torhüterin Nadine Angerer fällte das härteste Urteil, sie sprach gar von "Standfußball" in der ersten Hälfte, die Darbietung könne man "in die Tonne kloppen".

Dass es irgendwann besser wurde, lag auch an einer simplen Einsicht: Wenn mit Kombinationsfußball wenig herausspringt, müssen halt elementare Dinge her - zum Beispiel aus der Kategorie "hoch und weit". Mit den Thailänderinnen brauchten sich die Deutschen nicht allzu sehr beschäftigen. Sie schafften es im Grunde nur ein einziges Mal in die gegnerische Gefahrenzone. So entwickelte sich die Partie zu einer Art Torschusstraining unter Wettkampfbedingungen. Weil aber zahlreiche Schüsse ihr Ziel verfehlten, musste es schließlich die deutsche Kopfballungeheuerlichkeit regeln. Leupolz köpfelte eine Behringer-Ecke per Bogenlampe ins Gehäuse der Asiatinnen, dann gelang Silvia Neid mit der Einwechslung von Stürmerin Petermann der entscheidende Griff.

Dass die Juniorenweltmeisterin stattliche 1,74 Meter misst und in der Luft klare Vorteile besitzt, dürfte die Bundestrainerin sicher bedacht haben. Die Freiburgerin war kaum im Spiel, da segelten ihr schon mehrere hübsche Flanken entgegen. Zweimal konnten die Thailänderinnen nur aus tieferen Gefilden zuschauen. "In der zweiten Halbzeit haben wir die Tore auch erzwungen", stellte Angerer fest, während Neid dozierte, dass Chancenverwertung "auch etwas mit Kaltschnäuzigkeit und Konzentration" zu tun habe.

Die fehlende Effizienz treibt das deutsche Team seit Turnierbeginn um. Schon beim 10:0 gegen die viertklassige Elfenbeinküste blieben reihenweise Möglichkeiten ungenutzt - ein ähnliches Bild ergab sich auch beim 1:1 gegen Norwegen. Im Achtelfinale warten nun Gegnerinnen, die die deutschen Frauen deutlich mehr fordern werden als Thailand. Infrage kommt nur ein Vorrunden-Dritter aus den Gruppen A (Niederlande), C oder D. Beim DFB wäre sie gut beraten, sich nicht auf die neu entdeckte Kopfballungeheuerlichkeit allein zu verlassen.

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