Es ist guter Brauch in Edmonton, dass die Einstimmung auf eine Partie dieser Frauen-WM stets mit Hardrock-Klängen erfolgt. "Thunderstruck" von AC/DC dröhnt über die Lautsprecher, was auch die deutsche Frauen-Nationalmannschaft beim Einlauf zum kleinen Finale gegen England ein bisschen verwundert hat. Letztlich hat dann aber auch am Ende die Tonlage nicht ganz gepasst. Mit der 0:1 (0:0)-Niederlage nach Verlängerung muss sich der Europameister mit dem undankbaren vierten Platz begnügen bei dieser WM. "Wenn ich keine Chancen reinmache und kein Tor schieße, hab ich keine Chance zu gewinnen", sagte Silvia Neid.
Die Bundestrainerin kann nun kein versöhnliches Fazit des Turniers ziehen. Abermals fand ihr Team keine spielerische Lösung - diesmal allerdings gegen einen klar limitierten Gegner. Zwar schossen die deutschen Frauen am Samstag immerhin einige Male aufs Tor - das war ja zuletzt das Manko gewesen - doch die Chancenverwertung war katastrophal. In der anstehenden Aufarbeitung täte gut, einen selbstkritischen Ansatz zu wählen. Am Sonntag, mit Zwischenstopp im Finalort Vancouver, wird die Mannschaft den Heimflug antreten, allerdings in getrennten Maschinen: ein Flieger geht nach Frankfurt, der andere nach München. Die Stimmung wird in beiden Flugzeugen eher mau sein.
Angerer hat noch keine Zeit für Wehmut
Die viel diskutierte Schlüsselszene des Spiels ereignete sich in der 108. Minute, als sich Tabea Kemme nicht eben geschickt anstellte beim Versuch, die eingewechselten Lianne Sanderson zu stoppen. Die deutsche Linksverteidigerin zerrte am Trikot, die Engländerin sank zu Boden. Elfmeter. Auch die heftigen deutschen Proteste nützten wenig: Die Entscheidung von Schiedsrichterin von Ri Hyang Ok (Nordkorea) war hart, aber vertretbar. "Der Elfmeter geht in Ordnung", sagte Neid, "da waren wir ein bisschen naiv im Sechzehner."

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Fara Williams ließ sich nicht bitten und schickte Torhüterin Nadine Angerer in die falsche Ecke. Die Engländerinnen konnten ihr Glück über den unverhofften Bronze-Platz kaum fassen. Dass vor allem Kapitänin Nadine Angerer wie ein Rohrspatz über die Unparteiische schimpfte, war verständlich: Die 36-Jährige bestritt ihr 146. und letztes Länderspiel und wollte so ganz gewiss nicht abtreten. "Man kann der Mannschaft aber nichts vorwerfen", sagte Angerer unmittelbar nach Abpfiff. "Ich habe noch keine Zeit für Wehmut gehabt, aber das wird mit Sicherheit kommen."
Dass es in diesem Spiel schwierig werden würde, Spannung aufzubauen, lag auch am etwas absonderlichen Ambiente: Die Provinzhauptstadt von Alberta hat sich nie richtig auf diese Frauen-WM eingelassen. Und so besuchten nur 21.483 Zuschauer das nicht überdachte Betonmonstrum mit seinen gelben und grünen Sitzschalen, von denen die Mehrzahl an diesem Nachmittag verwaist blieb.
Bundestrainerin Silvia Neid hatte Personal und System verändert, um im kleinen Finale erfolgreich zu sein. Bianca Schmidt und Babett Peter ersetzten in der Abwehr Leonie Maier und Annike Krahn, im Mittelfeld spielte Melanie Behringer für Melanie Leupolz, Sara Däbritz rückte für Alexandra Popp auf die linke Seite und anstelle von Anja Mittag begann Lena Petermann. Getreu Neids Prämisse: "Nur wer sich fit fühlt, fängt auch an."
Es begann dann gleich gut für die DFB-Auswahl, die bislang noch nie in einem Vergleich gegen die "Three Lionesses" unterlegen war. Bereits nach 40 Sekunde zwang ein Kopfball von Petermann die englische Torhüterin Karen Bardsley zum Eingreifen. Vor allem die kecke Sara Dabritz erwies sich am linken Flügel als belebend. In der Folgezeit gab immer die 20-jährige Mittelfeldspielerin vom SC Freiburg gescheite Impulse. Das Manko war ein ähnliches wie im Halbfinale gegen die USA: Meist ging der letzte Pass oder auch die Ballannahme vor dem Torschuss schief. Auch der später noch in der regulären Spielzeit ausgewechselten Mittelstürmerin Celia Sasic wollte der Durchbruch nicht gelingen.
Neid sorgt für belebende Elemente, die im Halbfinale fehlten
Die Cheftrainerin reagierte auf das teils zu planlose Offensivspiel mit der Hereinnahme von Melanie Leupolz für die blasse Melanie Behringer. Däbritz scheiterte mit einer Direktabnahme (53.). Angesichts solcher Szenen musste die Frage erlaubt sein, warum solche belebenden Momente der U 20-Weltmeisterinnen Däbritz oder Petermann nicht schon dem deutschen Spiel am vergangenen Dienstag in Montreal zugeführt wurden, als die Mannschaft im Halbfinale ausschied.

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Einen relativ geruhsamen Nachmittag erlebte weitgehend Torfrau Nadine Angerer, ehe sie kurz vor dem Ende in eine schmerzhafte Begegnung mit Eniola Aluko verwickelt wurde (83.). Phasenweise dominierte das deutsche Team den Gegner zeitweise klar. Linksverteidigerin Tabea Kemme verfehlte das Tor aus 17 Metern nur knapp (69.). Die Schlussphase gestaltete sich dann hektischer, nachdem Jill Scott nach einer kuriosen Szene beinahe die Engländerinnen in Führung geschossen hätte (75.). Nun geriet auch die deutsche Abwehr zunehmend unter Druck - die Verlängerung war folgerichtig.
Da änderte sich nicht viel. Deutschland blieb spielbestimmend, doch nicht so, dass es richtig für Torgefahr sorgte. Und dann kam Kemmes ungeschicktes Zerren. Dann kam der Elfmeter. Dann kamen die Niederlage und die Tränen der deutschen Fußballerinnen.