DFB-Akademie:Pferdelobby gegen DFB

DFB-Akademie

Blick in eine - inzwischen ungewisse - Zukunft: So könnte die neue DFB-Akademie laut Computer-Simulation aussehen.

(Foto: kadawittfeldarchitektur/dpa)

Der Deutsche Fußball-Bund will in Frankfurt eine Akademie bauen - gemäß Marketing-Vokabular soll nichts Geringeres entstehen als die eigene Zukunft. Wären da nicht zwei große Probleme.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Matreas ist noch da. Teacher auch. Und Icing is her name und I go by und der kleine Dunkelbraune, der noch keinen Namen hat. Ein paar Stunden Koppel, ein paar Stunden Führmaschine und Ausritt, das ist ihr Tagesprogramm. Fünf Pferde auf dem Gelände einer Pferderennbahn, das ist nicht viel. Andererseits: Fünf Pferde sind mehr als null Bagger.

Pferde versus Fußball, Pferde versus Bagger, das ist nun schon seit geraumer Zeit das Duell auf diesem 15 Hektar großen Areal in Frankfurt-Niederrad. 150 Jahre lang gab es hier Rennklub und Pferderennen, jetzt muss der Galoppsport weichen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will hier bauen, und zwar gemäß Marketing-Vokabular nichts Geringeres als die eigene Zukunft. "Jahrhundertprojekt" oder "Sternenschmiede", darunter machen sie es nicht.

In etwas unschwärmerischerem Deutsch nennt der Verband das Neubau-Projekt "Akademie", in der sich alles ansammeln und vernetzen soll, was es für künftigen Erfolg braucht. Noch etwas unschwärmerischer ließe es sich schlicht "Verbandszentrale" nennen, weil dort auch die Büros aller Mitarbeiter hinkommen, auch die der nicht-gemeinnützigen Tochtergesellschaften im Übrigen.

Der Stall der Pferde ist wie zum Trotz mit frischer blauer Farbe überzogen

Doch die Umsetzung verzögert sich, beim DFB haben sie inzwischen zwei große Problemfelder: die Pferde-Lobby - aber auch: die steigenden Kosten. Und so ist die Geschichte des Neubaus eine Geschichte, die schon unendlich viele Wendungen genommen hat und deren Ende noch immer nicht eindeutig absehbar ist.

Am Anfang stand eine Idee der Sportlichen Leitung, und dieser Anfang ist tatsächlich schon fast ein halbes Dutzend Jahre her. Vor allem Oliver Bierhoff, Manager der Nationalelf, und seine Mitstreiter trieben das Projekt voran. Sie sahen, was die anderen Nationen hatten, Frankreich hatte das Zentrum in Clairefontaine, England den St. George's Park in Burton-upon-Trent, und irgendetwas Vergleichbares wollten sie jetzt auch gerne haben. Die erste Kritikwelle gab es intern, wegen der möglichen Kosten, wegen der befürchteten Zentralisierung, aber irgendwann stimmten die Skeptiker aus den Landesverbänden zu, und wenig später präsentierte die Stadt Frankfurt einen Vorschlag fürs Gelände: das Rennbahn-Areal.

Im März 2014 unterzeichneten der Verband und die Stadt die erste Vereinbarung. Und sie erweckten den Eindruck, als müsse die Stadt nur noch ein paar Kleinigkeiten mit den Nutzern aus Pferde- und Golfsport regeln und könne das Gelände bald dem Verband übergeben. 2016 kämen die Bagger, teilte der damalige DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock mit. Später sagte Bierhoff gar, es rollten schon die ersten Bagger. Welch ein Irrtum.

Eine Pferdefraktion gegen den Neubau

Das Gelände wittert inzwischen vor sich hin, die alte Tribüne und die diversen Überbleibsel des jahrelangen Rennbahn-Betriebs stehen noch. Die meisten Pferde mitsamt ihrer Besitzer sind längst weg. In der Mitte des Areals sind noch ein paar Golfer zu sehen; sie haben sich mit der Stadt geeinigt und gehen jetzt zum Jahresende. Aber ein Bagger ist nicht zu sehen, dafür Matreas und Teacher. Ihr Stall ist wie zum Trotz mit frischer blauer Farbe überzogen. Das letzte Rennen war 2015, für 2016 erhielt der Renn-Klub schon keine Genehmigungen mehr. Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie hier noch mal ein Rennen stattfinden soll; aber das hält Teile der Pferdefraktion nicht davon ab, immer noch gegen den Neubau weiterzukämpfen.

Die Geschichte der Pferdefraktion ist eine Geschichte für sich, Frontmänner, Zusammensetzung und Motive wechselten durchaus. Aber in jedem Fall verblüffte Stadt und Verband, wie hartnäckig der Widerstand war. So fragten sich die Galopper etwa, warum eine Koexistenz von Pferden und Kickern nicht möglich sein solle. Oder warum es in Frankfurt für den Verband nur diesen einen Standort geben soll. Und warum der DFB das wertvolle 15-Hektar-Grundstück von der Stadt zu so unfassbar günstigen Konditionen (6,8 Millionen Euro Erbpacht für 99 Jahre Nutzung, also nur 46 Euro pro Quadratmeter) erhält; und überhaupt, warum es manch andere Merkwürdigkeit gab.

Erst erreichten die Gegner auf diese Weise einen Bürgerentscheid, bei dem sie im Sommer 2015 zwar eine Mehrheit bei der Abstimmung erreichten, aber das notwendige Quorum verpassten. Und seitdem liefern sie eine juristische Dauerfehde, dessen einzelne Fäden kaum noch jemand überblickt. Im Kern geht es darum, dass ihnen nach ihrer Meinung aufgrund der Vertragslage eine längere Nutzung zusteht. Bis zu neun Verfahren liefen gleichzeitig, manche sind immer noch nicht abgeschlossen. Ein Urteil kam aber kurz vor Weihnachten: Da entschied das Landgericht Frankfurt, dass der Renn-Klub das Gelände räumen muss.

Der DFB rechnet mit weiteren 25 Millionen Euro. Hieße: Gesamkosten 135 Millionen

Der DFB-Vizepräsident Rainer Koch sprach von einem "großen Schritt", Projektinitiator Bierhoff von einem "vorgezogenen Weihnachtsgeschenk". Aber sie vermieden es diesmal, imaginär rollenden Bagger ins Feld zu führen. Die gerichtliche Situation ist komplex. Auch gegen das Urteil des Landgerichtes kann der Renn-Klub Berufung einlegen, sein Sprecher kündigte dies bereits an. Allerdings ist das Urteil "vorläufig vollstreckbar". Vereinfacht gesagt: Die Stadt muss nicht bis zum Entscheid der nächsten Instanz warten, sie kann die Räumung zu erzwingen beginnen, falls sie eine Sicherheitsleistung in Höhe von 216 000 Euro hinterlegt.

Andererseits kann der Renn-Klub auch dagegen vorgehen - und es laufen ohnehin noch weitere Verfahren.

Bei der Stadt geben sie sich zuversichtlich, dass Ende Januar, Anfang Februar tatsächlich die Bagger rollen können. "Aber wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es anders kommt", sagt Eve Koutny, die gemeinsam mit ihrem Mann Matreas & Co. betreut.

Dabei sind die juristischen Mühen längst nur das eine. Das andere sind die Kosten. Als der Neubau erstmals ein Thema war und die Stadt das Gelände vorschlug, standen zirka 40 Millionen Euro als Investition im Raum. Der offizielle Präsidiumsbeschluss im September 2014 billigte dem Projekt ein Volumen von 89 Millionen Euro zu. Ein Jahr später stieg der Etat-Ansatz auf 109 Millionen Euro, weil noch eine Ballhalle integriert werden soll. Seit ein paar Wochen ist nun klar, dass selbst diese Summe nicht mehr ausreichen wird, falls es beim Konzept des siegreichen Architektenbüros bleibt. Mit weiteren 25 Millionen Euro rechnen sie beim DFB intern. Hieße: Gesamtkosten von 135 Millionen.

Im Laufe des Jahres soll es einen außerordentlichen Bundestag geben

Der DFB-Präsident Reinhard Grindel nennt viele Gründe, warum sich die Kalkulation noch einmal so nach oben verändert hat. Die Bodenbeschaffenheit sei deutlich komplizierter als vermutet, die Erdarbeiten seien umfassender. Die Raumanforderungen der einzelnen Direktionen seien in der zweiten Runde deutlich höher als in der ersten, die dem Architektenwettbewerb zugrunde lag. Und das Architekturbüro habe auch die eine oder andere Planung erweitert, was zum Zeitpunkt des Wettbewerbs noch nicht vorgesehen war.

In jedem Fall steht nun diese Summe von 135 Millionen Euro im Raum, und das ist selbst für einen Verband wie den DFB keine Kleinigkeit mehr. Besser gesagt: gerade für einen Verband wie den DFB in seiner jetzigen Situation. Die finanziellen Folgen aus der Affäre um die WM 2006 sind noch nicht endgültig klar; noch immer ist nicht ausgeschlossen, dass der DFB wegen einer 2005 getätigten und nicht korrekt deklarierten Überweisung von 6,7 Millionen Euro an den Fußball-Weltverband (Fifa) Steuern nachzahlen muss - und die Gemeinnützigkeit verliert. Das hätte eine erhebliche Strafe zur Folge.

Also soll es wegen des Neubaus im Laufe des Jahres 2017 einen außerordentlichen Bundestag geben. Bis dahin möchte DFB-Präsident Grindel von den Planern eine belastbare Zahl vorliegen haben, und dann sollen die Delegierten entscheiden, ob sie das Projekt in der geplanten Form haben wollen oder nicht. Die DFB-Basis ist nicht gerade als revolutionäre Zelle bekannt; aber sollte sie sich einmal als eine solche erweisen, dann müsse der Verband eben neu planen und zu einer schmaleren Lösung kommen, so Grindel.

Eine schmalere Lösung, das würde dann wohl nicht nur die Pferdefraktion als eine bemerkenswerte Pointe in dieser langen Neubau-Geschichte empfinden.

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