Süddeutsche Zeitung

Vorwürfe um WM-Vergabe:Zwanzigers alte Rechnung mit Niersbach

  • Der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger unterzeichnete selbst jene ominöse Überweisung über 6,7 Millionen Euro an die Fifa.
  • Jetzt wird sein Name als Quelle für die Berichterstattung über die mutmaßliche Bestechung im Zuge der Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland genannt.
  • Zwanziger und der amtierende Präsident Wolfgang Niersbach sind seit langem zerstritten.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Seit Freitag ist das Geraune groß in der Szene. Viele geben sich überzeugt, dass der frühere Chef des Deutschen Fußball-Bundes, Theo Zwanziger, maßgeblichen Anteil an der Berichterstattung des Spiegels habe. Im ZDF-Sportstudio zum Beispiel zeigte sich im Interview mit Guido Tognoni, dem einstigen Mediendirektor des Weltverbandes Fifa, dass sich diese Sichtweise bis in die Schweiz herumgesprochen hat.

"Die undichte Stelle" sei möglicherweise Zwanziger, schlussfolgerte Tognoni. Zwanziger konterte am Sonntag mit einer Stellungnahme über seinen Anwalt: "Die abenteuerlichen Vorwürfe von Herrn Tognoni" seien "weder begründet" noch "geeignet, der Wahrheitsfindung zu dienen". Fakt allerdings ist: Das Verhältnis zwischen dem früheren DFB-Chef Zwanziger und seinem Nachfolger Wolfgang Niersbach, der durch die nun aufgedeckten Vorgänge massiv unter Druck gerät, ist seit Langem zerrüttet. Das begann schon rund um den Rückzug Zwanzigers 2011/12, als er im letzten Moment versuchte, Niersbach als Nachfolger zu verhindern. Kurz darauf erschien seine Biografie, die viel Verwunderung hervorrief - und den Autoren innerhalb Fußball-Deutschlands "in die Isolation" trieb, wie der damalige FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß sagte.

Die Situation war paradox: Zwanziger war der offizielle deutsche Vertreter in der Fifa, aber er hatte kein Vertrauensverhältnis zu seinem Heimatverband. Just in diese Phase des gegenseitigen Ignorierens fällt im Juli 2013 jene wichtige Zusammenkunft am Frankfurter Flughafen von Zwanziger, Niersbach und den anderen Mitgliedern des Organisationskomitees der WM 2006.

Die Eskalation des Verhältnisses folgte während der Fußball-WM 2014. Zwanziger thematisierte nachdrücklich einen merkwürdigen Vorgang rund um Niersbachs Aufstieg. Als hauptamtlicher General hatte dieser ordentlich verdient, von 300 000 Euro jährlich war in bisher nie dementierten Berichten die Rede, als ehrenamtlicher Präsident stand ihm aber nur eine Aufwandsentschädigung von geschätzt 70 000 bis 80 000 Euro pro Jahr zu. Dafür wurde als Ausgleich vereinbart, eine früher vereinbarte Betriebsrente vorzeitig auszuzahlen. Zwanziger kritisierte das Salär und sprach von "Heuchelei". In der Tat sind viele Fragen rund um dieses Thema offen, die der DFB nie beantwortete. Das Präsidium stellte sich aber geschlossen gegen Zwanziger, und kurz darauf wandte sich dieser wegen Niersbachs Bezügen an die Fifa-Ethikkommission. Deren Prüfungsergebnis: Es habe alles seine Ordnung.

Die tiefe Kluft zwischen beiden Funktionären ist ungewöhnlich, und dennoch scheint es zu kurz gegriffen zu sein, dass hier nur eine alte Rechnung beglichen werde. Immerhin unterzeichnete Zwanziger selbst jene ominöse Überweisung von 2005 über 6,7 Millionen Euro an die Fifa. Zudem war er nach Darstellung des Spiegels Teil des Trios, das zuvor in einem Gespräch beim angeblichen Darlehensgeber Robert Louis-Dreyfuß versuchte hatte, um eine Rückzahlung des Geldes herumzukommen. Auch ist zentraler Bestandteil des Spiegel-Artikels nicht nur die Transaktion an die Fifa, sondern vor allem deren angebliche Weiterleitung auf ein Konto von Louis-Dreyfuß. Nur so kann sich der Vorwurf einer schwarzen Kasse abrunden.

Im Kampf um die personelle Führung der internationalen Verbände gibt es gerade vielfältige Interessen. Auch das Auftauchen der Zahlung über zwei Millionen Schweizer Franken aus dem Februar 2011, die Uefa-Chef Michel Platini auf Veranlassung von Fifa-Chef Sepp Blatter erhielt, ist in diesem Kontext zu sehen. Wegen der Zahlung droht beiden eine mehrjährige Sperre durch die Fifa-Ethiker. Die Ethiker sind keine Strafrechtler, sie können schon eingreifen, wenn sie eine Fahrlässigkeit oder einen Interessenskonflikt ausmachen. Mit dem Vorgang vertraute Kreise verweisen darauf, dass es für die Zahlung keine schlüssige Erklärung gibt, aber eine konkrete Verdachtslage - nämlich, dass Platini 2011 eine "Schlüsselfigur" im Präsidentschaftswahlkampf der Fifa war, den Blatter gewann.

Überträgt man das auf den vorliegenden Fall, könnte es unabhängig von strafrechtlichen Einschätzungen für Niersbach und andere damals Beteiligte sportjuristisch ebenfalls eng werden. Niersbachs Bild innerhalb des DFB wandelte sich übrigens zuletzt. Anfänglich galt der Kumpeltyp als gute Alternative zum Alleinherrscher Zwanziger, inzwischen scheint er weitgehend isoliert zu sein. Im Verband herrscht ungläubiges Erstaunen, dass das Präsidium erst Freitagmorgen von der 6,7-Millionen-Zahlung erfuhr. Insider sagen, dies sei nicht der einzige Punkt, in dem sie in jüngerer Vergangenheit vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Auch gab es keine Stellungnahmen pro Niersbach von den wichtigsten deutschen Fußballlenkern. Einst hieß es im DFB "Alle gegen Theo" - von einem "Alle für Wolfgang" ist er aktuell offenbar weit entfernt.

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SZ vom 19.10.2015/mane
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