Süddeutsche Zeitung

DFB:Angriff auf die Kontrolleure

Nächster Affront im DFB: Das Präsidium soll über eine Neuaufstellung der Ethikkommission entscheiden - die pikanterweise gerade rund um Interimspräsident Rainer Koch ermittelt.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Wenn es darum geht, zu demonstrieren, wie man sich als Chef eines wichtigen Sportverbandes unangenehmer Aufpasser entledigt, gibt es keinen besseren Lehrmeister als Gianni Infantino. Als dem umstrittenen Boss des Fußball-Weltverbandes 2017 die Chefs des Fifa-Ethikkomitees bedrohlich auf die Fersen gerückt waren, ließ er sie handstreichartig abservieren. Die Amtsinhaber erfuhren von ihrer jähen Abberufung erst bei der Landung am damaligen Kongressort Bahrain - sie konnten gleich zurückfliegen.

Nun steht dem deutschen Fußball, an dessen Spitze in Rainer Koch derzeit ein Funktionär agiert, der Infantino außerordentlich schätzt, ein vergleichbar merkwürdiger Vorgang ins Haus: Für seine Sitzung an diesem Mittwoch wurde dem Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes der Punkt "Bestimmung Vorsitz Ethikkommission" auf die Agenda gesetzt. Auf dem Tisch liegt nach SZ-Informationen ein Vorschlag, der dazu führen kann, den bisherigen kommissarischen Vorsitzenden Bernd Knobloch abzulösen. Denn der Antrag ans Präsidium lautet nicht, den Münchner Juristen im Amt zu bestätigen. Vielmehr werden drei Kandidaten genannt, die dafür zur Verfügung stünden.

Der Zeitpunkt der Maßnahme ist bemerkenswert. Denn das vierköpfige Ethikgremium führt unter Knoblochs Regie in diesen Tagen eine heikle Untersuchung, die sich mit einem möglichen Fehlverhalten von Interimschef Koch, 62, befasst. Es geht um dessen Agieren rund um die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr", die den Verband - auch personell - reformieren will. Die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb, die der Gruppe angehört, beklagte öffentlich ungebührlichen Druck aus dem DFB, damit sie sich nicht an der Initiative beteiligen solle, und berichtete in der Folge von "irritierenden" Telefonaten mit Interimschef Koch und einem zugeschalteten Journalisten zu dem Thema. Koch weist alle Vorwürfe des Fehlverhaltens zurück, der Multifunktionär spricht von "beidseitigen Irritationen" und sagt, er habe Steinhaus-Webb nur gebeten, ihre Expertise intern einzubringen.

Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund für die plötzliche Eile

Jetzt sind Untersuchungen zu Kochs Verhalten voll in Gang. Da wirkte es nicht nur für Insider stark irritierend, dass ausgerechnet in der Gemengelage die DFB-Spitze plötzlich die Leitung der unabhängigen Ethikkommission infrage stellt.

Formal ist es zwar so: Der Bundestag wählt die Ethik-Mitglieder, das Präsidium schlägt den Vorsitzenden vor. Aber tatsächlich gibt es keinen Grund, warum der seit mehr als einem halben Jahr kommissarisch geleitete Stab ausgerechnet jetzt so jäh auf die Agenda muss. Denn Knobloch führt das Gremium seit Herbst 2020 interimistisch; darauf hatten sich nach dem Tod des gewählten Vorsitzenden, des SPD-Politikers Thomas Oppermann, die verbliebenen Ethiker verständigt: Neben Knobloch sind dies der Theologe Nikolaus Schneider, die Korruptionsexpertin Birgit Galley und die Personalberaterin Irina Kummert. Auch schon zuvor - 2019 starb der damalige Ethikchef, Ex-Außenminister Klaus Kinkel, Monate vor Ende der Legislaturperiode - gab es an der Spitze des Rats eine Interimslösung bis zum nächsten Bundestag. Insofern fällt die Frage von Formalitäten, die ja schon seit Herbst hätten geklärt werden können, hinter den delikaten Sachverhalt zurück, dass das von Rainer Koch und Liga-Vertreter Peter Peters geleitete DFB-Präsidium das Thema ausgerechnet zu einem Zeitpunkt verhandeln soll, an dem die Ethiker Kochs Verhalten in der Causa Steinhaus durchleuchten.

Die Präsidialen sollen zwischen Knobloch, Kummert und Schneider wählen

Der DFB teilt mit, die Berufung des Ethik-Chefs habe nach Oppermanns Tod "bereits vor einigen Sitzungen auf der Tagesordnung des Präsidiums" gestanden, "konnte aber bislang nicht abschließend abgearbeitet werden". Das ist umso merkwürdiger: Die Frage stand schon einmal, Anfang des Jahres, auf der Agenda. Warum wurde sie damals nicht entschieden? Der DFB erklärt weiter, nachdem die Ethik-Mitglieder eingebunden wurden, könne das Präsidium nun entscheiden, "um diese wichtige Kommission wieder vollständig arbeitsfähig zu machen. Mit laufenden Verfahren besteht kein Zusammenhang."

Wieder "arbeitsfähig" machen? Tatsächlich hat das Gremium nur im vergangenen Halbjahr rekordreife fast 20 Fälle abgearbeitet - und eine bedeutende Rolle speziell im Machtkampf zwischen Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius gespielt. Beide sind nicht mehr im Amt. Einige Fälle brachten die Ethiker vors Sportgericht - etwa, als Keller seinen Vize Koch in Anspielung an einen hohen Nazi-Richter "Freisler" nannte. Nun aber geht es um Koch und die Vorwürfe der Frauen-Initiative, es laufen Anhörungen. Das wirft nicht nur für Insider die Frage auf, ob diese Untersuchung bei der DFB-Spitze auf Unbehagen stößt.

Knobloch teilt mit, eine Ernennung des Vorsitzenden sei satzungsgemäß; er denke, dass das "jetzt nachgeholt" werde. Und: "Ich gehe davon aus, dass es sich hier um eine formale Bestätigung handelt." Ein Irrglaube. Am Montag wurde den Präsidiumsmitgliedern die Vorlage unterbreitet, dass sie sich zwischen Knobloch, Schneider und Kummert entscheiden sollen. Knobloch rückt also auf den Prüfstand, und es ist kaum vorstellbar, dass er die Causa Koch fortführt, falls er am Mittwoch ein Misstrauensvotum erhält. Das dann noch etwas Bemerkenswertes zeigen würde: Der DFB darf bis zum Bundestag 2022 problemlos interimistisch geführt werden, der Ethikrat besser nicht.

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