DFB-Affäre:"Der ist mit meinem Geld gewählt"

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Beckenbauer übergibt Blatter im Jahr 1998 die Bewerbungsunterlagen des DFB für die WM 2006. (Foto: dpa)

Warum flossen zehn Millionen Franken von Franz Beckenbauer nach Katar? Aussagen legen nahe, dass es mit Blatters Wiederwahl als Fifa-Präsident 2002 zu tun hatte.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Die Unterstützer des Fifa-Präsidenten brachen in Geschrei aus, zu den entrücktesten Jublern zählten einige Vertreter der deutschen Delegation: DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder schmiegte sich gar als einer der ersten an Sepp Blatters glühende Siegerwange. Derweil blickte das Gros der europäischen Delegierten mit Uefa-Präsident Lennart Johansson an der Spitze geschockt drein; sie hatten Blatters Ära beenden und den Schweizer vor die Strafjustiz bringen wollen. Schon damals. Aber am 28. Mai 2002 in Seoul, als Blatter eine wüste Wahlschlacht gegen den Herausforderer Issa Hayatou (Kamerun) gewann, standen die Deutschen an seiner Seite: Mayer-Vorfelder und Franz Beckenbauer, damals Chef des WM-2006-Organisationskomitees. Heute fragt sich: Bestand der deutsche Beitrag zu Blatters Wiederwahl nur in Applaus?

Am Freitag präsentierte die Kanzlei Freshfields ihre Ergebnisse zur Sommermärchen-Affäre. Nun ist ein heikler Punkt zu klären: Warum wurde 2002 von einem Konto, das Beckenbauer und seinem langjährigen Manager Robert Schwan gehörte, ein Geldfluss initiiert, an dessen Ende die Firma Kemco des langjährigen Fifa-Funktionärs Mohamed bin Hammam in Katar zehn Millionen Franken mehr besaß?

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Zehn Millionen Franken wanderten nach Katar - die entscheidende Frage ist nun: Warum, und was passierte dort damit?

Beckenbauer gibt sich weiter ahnungslos. Er habe erst am Mittwoch von den Transaktionen und Weiterleitungen nach Katar gehört, sagte er der Bild am Sonntag. Die zehn Millionen hätte es halt als eine Art Sicherheitsleistung gebraucht, damit die Deutschen an einen WM-Organisationszuschuss des Fifa-Finanzkomitees von 250 Millionen Franken kommen. Was dann in Katar mit dem Geld geschah, wisse nur Bin Hammam.

Um die Details habe sich der im Sommer 2002, kurz nach der damaligen Zahlung, verstorbene Schwan gekümmert. Beckenbauer schafft es gar, sich als Retter darzustellen: "Sonst hätten wir keine WM in Deutschland gehabt. Stellen Sie sich vor, die WM wäre geplatzt - was für eine Blamage für Deutschland." Kann man sich tatsächlich vorstellen, dass ausgerechnet in Deutschland eine Fußball-WM wegen ein paar fehlender Millionen geplatzt wäre?

Zehn Millionen - an den steinreichen Mohamed bin Hammam?

Eine der vielen Fragen dazu lautet: Wieso gibt es keinen vertraglichen Hinweis auf die angebliche Sicherheitsleistung für den Kostenzuschuss, wie Freshfields festhält? Wieso floss das Geld nicht auf ein Fifa-Konto, sondern, getarnt über ein Schweizer Anwaltsbüro, an eine obskure Privatfirma in Doha? Zehn Millionen - an den steinreichen Mohamed bin Hammam? Schlüssig erscheinen zwei Varianten.

Nach der einen diente das Geld dazu, Wähler für die im Juli 2000 erfolgte WM-Vergabe an Deutschland nachträglich zu entlohnen. Eine konkrete Verbindung der zehn Millionen mit Stimmkäufen zieht Freshfields allerdings nicht (der Schluss, dass das Turnier nicht sauber nach Deutschland kam, liegt aus anderen Gründen nahe). Variante zwei: Die Zahlung hatte mit jenem Tag im Mai 2002 zu tun, als Blatter in Seoul mit den deutschen Freunden feierte.

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Der Bericht der Kanzlei Freshfields hat den Verdacht bestätigt: Vor der Fußball-WM 2006 ist es offenbar zu Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe gekommen. Der Geldfluss wurde von Franz Beckenbauer gestartet.

Nun ist von Bedeutung, wie sich Wolfgang Niersbach dazu äußert. Als Anfang Juni 2015 die Sommermärchen-Affäre DFB-intern bekannt wurde, sprach der damalige Verbandschef mit seinem Vertrauten Stefan Hans (Vize-Generalsekretär, später gekündigt). Dabei soll Niersbach berichtet haben, was Beckenbauer ihm kurz nach Blatters Wiederwahl zugeraunt habe: "Der ist auch mit meinem Geld gewählt." Das erzählte Hans den Freshfields-Ermittlern. Er hatte nach dem Juni-Gespräch extra eine Notiz angefertigt: Niersbach sei erinnerlich, dass Beckenbauer 2002 eine Bemerkung gemacht habe, wonach Blatters Kür mit seiner Unterstützung zustande gekommen sei ("privates Darlehen eines Dritten für den Wahlkampf von Blatter").

Niersbach bearbeitete die Notiz bald darauf: Er strich die Worte über das Privatdarlehen - weil das eine "reine Vermutung" gewesen sei, rechtfertigte er sich später gegenüber Freshfields.

Doch als der Spiegel Mitte Oktober per Anfrage an die DFB-Zentrale die Affäre lostrat, trug Niersbach auch in ersten internen Reaktionen diesen Erklärungsansatz vor. Binnen zweier Tage habe er zweimal gesagt, "dass bin Hammam das von Robert Louis-Dreyfus 2002 zur Verfügung gestellte Geld zur Wahlkampffinanzierung von Joseph Blatter" erhalten habe, sagte sein Präsidialbüroleiter Friedrich Curtius zu Freshfields.

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Und Niersbach selbst erklärte bei seiner Befragung, Beckenbauer habe ihn 2002 beim Kongress gefragt, ob er wisse, wem Blatter seine Wiederwahl auch zu verdanken habe. "Als er dies verneint habe, habe Franz Beckenbauer auf sich gezeigt", sagte Niersbach laut Report.

Nun konfrontierte die Welt am Sonntag Niersbach mit seinen damaligen Erinnerungen. Er wies weder solche Aussagen zurück noch zweifelte er die Korrektheit des Zitats an, er sagte: "Das ist eine Spekulation. Aber wenn man bedenkt, dass die jetzt bekannt gewordenen Geldflüsse erst im August 2002 stattgefunden haben sollen, kann das ja eigentlich auch nicht stimmen. Der Fifa-Kongress war ja vorher." Hier wird es spannend - denn die Darstellung und damit auch die Schlussfolgerung Niersbachs sind nicht korrekt.

Was hatten Blatter und Bin Hammam eigentlich in der Hand, um die Deutschen zu so waghalsigen Manövern zu zwingen?

Die "jetzt bekannt gewordenen Geldflüsse" fanden keineswegs erst im August 2002 statt; zu dem Zeitpunkt kam lediglich Louis-Dreyfus ins Spiel. Geflossen waren da bereits sechs Millionen - und zwar ab Mai bis Juli 2002 - vom Konto Beckenbauer/Schwan über die Schweiz nach Katar. Erhärtet also der enge zeitliche Zusammenhang von Wahl, Zahlung und Beckenbauers angeblicher Aussage über seine Blatter-Hilfe nicht gerade den Verdacht auf eine Wahlkampfhilfe?

Beckenbauer weist zurück, je von einer solchen Hilfe für Blatter gesprochen zu haben. In dem Punkt funktioniert sie gut, die Erinnerung. Aber warum soll sich Niersbach so eine Story zwischen Juni und Oktober 2015 ausgedacht haben; damals noch in Unkenntnis des von Freshfields erst kürzlich gefundenen Geldflusses ab Ende Mai 2002 nach Katar?

Franz Beckenbauer bleibt die Schlüsselfigur. Er war es, der 2002 seinen Freund Fedor Radmann mit dem Kontakt zu Bin Hammam beauftragt hatte - was dann im Detail besprochen wurde und dass von einem seiner Konten Millionen gezahlt wurden, das ist ihm wenig später entgangen? Wer soll das glauben? Und nicht mitgekriegt hat der umtriebige OK-Chef auch, dass Monate später sechs Millionen auf sein Konto zurückflossen? Freshfields bekundet starke Zweifel an dieser Version.

Laut Prüfreport gab es keinen deutschen Vorschuss auf einen OK-Zuschuss der Fifa. Wanderten die zehn Millionen also via Katar in eine Wahlkasse Blatters? Die Anschlussfrage würde dann lauten, was Blatter und Bin Hammam eigentlich in Händen hatten, um Beckenbauers Deutsche zu so waghalsigen Manövern zu zwingen. Was wieder zur mysterienreichen Vergabe der WM 2006 zurückführen könnte.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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