Dritte Liga:95 Prozent fürs Weiterspielen

Extraordinary Virtual DFB-Bundestag

Reichlich Abstand: Die sechs obersten DFB-Funktionäre in der Schaltzentrale in Meckenheim während des ansonsten virtuellen Bundestags.

(Foto: Getty Images)

Der virtuelle DFB-Bundestag ebnet den Weg für den Neustart der dritten Liga: Schon am Wochenende soll es losgehen - doch befriedet ist das Aufregerthema damit nicht.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Abbruch. Als das markante Wort, das über diesem ersten digitalen Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schwebt, das erste Mal in einer Abstimmungsfrage auftaucht, gibt es klare Verhältnisse und viel Zustimmung für den Plan der Verbandsspitze. 232 Delegierten votieren mit Ja, keiner mit Nein, neun enthalten sich. Aber bei dieser Abstimmung geht es zum Leidwesen der Führungsriege nur um das Abbruchszenario für den Fall, dass sich bei dieser Veranstaltung technische Probleme ergeben - und noch nicht um das große Aufregerthema der vergangenen Wochen: den weiteren Umgang mit der tief gespaltenen dritten Liga.

Es ist eine ungewöhnliche und technisch beeindruckende Veranstaltung, die der DFB am Montagnachmittag durchführt. Nur die sechs obersten Verbandsfunktionäre um den Präsidenten Fritz Keller sitzen in einer Schaltzentrale in Meckenheim nahe Bonn zusammen, mit reichlich Abstand auf einem ausgeleuchteten Podium, die anderen der 262 Delegierten machen lediglich per Video mit. Sie hören vor dem Monitor die Vorträge und klicken sich in einem Abstimmungsmodul durch die Anträge, die der Stadionsprecher der Nationalelf mit spannungsgetränkter Stadionstimme moderiert, als läge wirklich Großes in der Luft. Und das stimmt sogar, als es nach knapp zwei Stunden noch einmal um einen möglichen beziehungsweise zu verhindernden Abbruch geht - und diesmal tatsächlich um die dritte Liga.

Aber auch dieser Punkt fiel am Ende sehr deutlich und im Sinne der Verbandsspitze aus. 94,87 Prozent der Delegierten stimmten für eine Fortsetzung der dritten Liga, nur 5,13 Prozent dagegen. Damit soll die Saison für die 20 Teams am 30. Mai weitergehen, die ausstehenden elf Spieltage sollen in fünf aufeinanderfolgenden englischen Wochen durchgepeitscht werden. Die Verbandsspitze hatte zuletzt sehr für ein solches Votum gekämpft. "Wir haben gelebte Demokratie erlebt und Handlungsfähigkeit bewiesen. Ich hoffe, dass alle dieses demokratische Votum akzeptieren", sagte Präsident Keller nach dem Bundestag: "Und das klare Votum zeigt auch, dass nicht immer die Lautesten Recht bekommen."

"Ich befürchte, dass die Anwälte der Unterlegenen sich umgehend auf den Weg zu den Gerichten machen werden"

Aber das klare Votum des Video-Bundestages heißt nicht, dass das komplizierte Thema nun automatisch befriedet ist. Diverse Drittligisten hatten sich in den vergangenen Wochen heftig gegen eine Fortführung gewehrt. Dazu gehören vor allem abstiegsbedrohte Klubs - und insbesondere solche aus Thüringen und Sachsen-Anhalt, wo die Landespolitik Teamsportarten immer noch kein Training und keine Spiele erlaubt. Die Vereine finden die Fortsetzungspläne des DFB ungerecht.

"Ich befürchte, dass die Anwälte der Unterlegenen sich umgehend auf den Weg zu den Gerichten machen werden", sagte der oberste DFB-Vizepräsident Rainer Koch schon vor der Abstimmung. In der Tat wurde am Montag bereits der Hallesche FC aktiv. Er teilte mit, er habe durch seinen Anwalt "die bestehende Wettbewerbsverzerrung" beim DFB angezeigt - und diesen aufgefordert, "gleiche Bedingungen für alle mit mindestens 14 Tagen Mannschaftstraining zu schaffen".

Dem DFB drohen gravierende wirtschaftliche Konsequenzen

Noch nicht geklärt ist, was mit Auf- und Abstiegen passiert, falls die Saison - anders als nun geplant - doch nicht zu Ende gespielt werden kann. Der Bundestag ermächtigte den DFB-Vorstand (eine Art erweitertes Präsidium mit gut 40 Mitgliedern), darüber im Zweifel zu befinden. Zugleich soll nun eine Task Force eruieren, wie sich in der dritten Liga wirtschaftliche Stabilität gewährleisten lässt. Dazu gehört laut Vize Koch auch explizit die Frage, ob eine zweigeteilte dritte Liga möglich ist. Ein entsprechender Antrag des Saar-Verbandes, eine solche zweigleisige Liga mit 36 Teams schon ab Sommer zu installieren, wurde am Montag zwar eindeutig abgelehnt. Aber mit Blick auf spätere Spielzeiten könnte es wieder ein Thema werden.

Der Umgang mit der dritten Liga war zwar seit Tagen der entscheidende öffentliche Disput rund um den Bundestag. Zugleich standen aber auch bedeutende andere Entscheidungen an. So beschloss das Video-Plenum, dass das Haftungsrisiko für die verantwortlichen Funktionäre an der Verbandsspitze für Entscheidungen, die aus der Corona-Krise folgen, beschränkt wird. Schatzmeister Stephan Osnabrügge wiederum warnte vor den gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie für den Verband. "Der DFB befindet sich in der tiefsten wirtschaftlichen Krise der jüngeren Vergangenheit", sagte Osnabrügge. Schlimmstenfalls könnte die Krise den Verband in eine "potenziell existenzbedrohende Situation" bringen. Zu diesem Worst-Case-Szenario gehört allerdings, dass bis Jahresende keine Länderspiele stattfinden können und der Verband daher um zentrale Einnahmen gebracht wird. Die bisherigen Absagen von geplanten Länderspielen seien zwar versichert gewesen, jedoch würde bei einem weiteren Ausfall eines Länderspiels diese Versicherung nicht mehr greifen.

Bei diesem Szenario könnte es auf ein Minus von 77 Millionen Euro hinauslaufen; 13,8 Millionen Euro davon wären nicht durch Rücklagen gedeckt. Laut Osnabrügge wäre der Verband dann aber nicht insolvent, sondern müsste einen Nachtragshaushalt aufstellen und gravierende Einsparungen in dieser Größenordnung durchsetzen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der DFB seine für Herbst geplanten Länderspiele zumindest vor leeren Tribünen auch ausrichten kann.

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