Deutschlands Nachwuchs:Hinter dem Schutzgitter

Noch spannender als das Meisterschaftsrennen in der neuen DEL-Saison dürfte die Frage sein, welche deutschen Talente ihren Durchbruch in der Liga erleben.

Von Johannes Schnitzler

"Jay-Jay ist in Ordnung", sagt John-Jason Peterka. Natürlich spricht der 17-Jährige nicht über sich selbst in der dritten Person, sondern antwortet auf die Frage, ob er lieber mit seinem ersten Vornamen oder mit dem zweiten angesprochen wird. Am liebsten mit Jay-Jay, sagt Peterka also, der englischen Kurzform seiner beiden Vornamen, sprich: Tschay-Tschay. Die Person Jay-Jay Peterka ist ansonsten auch ganz in Ordnung, finden die, die ihn kennen. Beim EHC Red Bull München gilt er als das vielleicht größte Talent, das die Nachwuchsakademie bislang durchlaufen hat. Beim dreimaligen deutschen Meister steht er jetzt fix im Kader.

Adler Mannheim - EHC München

Wenn am Freitag die 26. Saison der Deutschen Eishockey Liga anbricht, wird Titelverteidiger Adler Mannheim von allen gejagt ...

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der Stürmer ist neben dem Teamkollegen Justin Schütz, 19, dem Mannheimer Tim Stützle, dem Berliner Lukas Reichel, beide 17, und dem Augsburger Marco Sternheimer, 21, Teil einer Generation, der in den nächsten Jahren Schlüsselrollen in der DEL und im Nationalteam zugetraut werden - oder mehr. In Verteidiger Moritz Seider, 18, dessen Stern bei der jüngsten Weltmeisterschaft in der Slowakei vieles überstrahlte, und Stürmer Lean Bergmann, 20, kämpfen zwei Mannheimer Jungprofis in den Trainingscamps noch um einen Platz in der nordamerikanischen NHL. Und während schon in den Tagen um den Saisonstart der Deutschen Eishockey Liga (DEL) die Frage nach dem kommenden Meister beantwortet zu sein scheint - die einen sagen, Titelverteidiger Mannheim vor München, die anderen München vor Mannheim -, ist die spannendere Frage, welches deutsche Nachwuchstalent in dieser Saison wohl seinen Durchbruch erlebt. "Das sind hoch talentierte Spieler, die die Zukunft des deutschen Eishockeys in der Hand haben", sagt der ehemalige Nationalspieler Philip Gogulla, Peterkas Teamkollege in München.

Alle drei deutschen Klubs sind stark in die Champions League gestartet - auch dank der Jungen

Die Zahl der deutschen Talente, die sich gerade in den Vordergrund spielen, steht im Gegensatz zur Klage über die immer noch stark unterschätzte Nachwuchsarbeit. In den DEL-Finalisten Mannheim und München sowie den Augsburger Panthern, als Dritte der vergangenen Saison erstmals im höchsten kontinentalen Wettbewerb dabei, stehen alle drei deutschen Klubs vor dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League. Ein Novum. Mannheim hat sich bereits für die Runde der letzten 16 qualifiziert, München steht in Gruppe G auf Rang eins, Augsburg ist in Gruppe C Zweiter hinter dem schwedischen Top-Team aus Luleå. Und die Jungen haben ihren Teil dazu beigetragen. Peterka stand in allen vier Partien für München auf dem Eis und gab eine Torvorlage, Sternheimer traf beim 3:2-Sieg in Belfast für Augsburg, der Mannheimer Stützle sammelte schon vier Punkte (zwei Tore, zwei Vorlagen). "Es ist schön, in der Champions League Eiszeit zu bekommen und zeigen zu können, was man kann", sagt Peterka.

John Jason Peterka RB HC Ambri Piotta Red Bull Muenchen Champions Hockey League Eishockey 07

... vor allem vom EHC München und John-Jason Peterka. Der 17-Jährige überzeugte zuletzt schon in der Champions League ...

(Foto: imago images / Pius Koller)

Was er kann, deutete der Stürmer in den vergangenen Jahren an. Mit 14 Jahren wechselte er vom EC Bad Tölz ins Nachwuchsprogramm von Red Bull. Mit dem Akademie-Team spielte er zuletzt in der tschechischen U-19-Extraliga, erzielte in 48 Spielen 45 Tore und war bester Scorer der Liga. Mit der deutschen U 18 gelang ihm bei der WM im Frühjahr der Aufstieg in die Top-Division. Stützle, einen Tag jünger als Peterka, sammelte in fünf WM-Partien neun Scorerpunkte. Peterka, Stützle und Reichel sind Spieler, die, weil sie noch nicht volljährig sind, noch ein Schutzgitter vor dem Gesicht tragen müssen. Und die jetzt, mit den letzten Zeichen der Pubertät im Gesicht, in der DEL und der Champions League gegen ausgewachsene Profis antreten. "Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl, hier mit der Profimannschaft zu trainieren und zu spielen", sagt Peterka. Der gebürtige Augsburger Marco Sternheimer beschrieb seine Gefühle vor seinem DEL-Debüt für die Panther in der letzten Saison genau so: "Eine Woche davor hat man diese Leute noch angehimmelt sich gesagt: Ich will mal so werden wie die. Und auf einmal stehst du da und spielst mit denen."

Bayern-Derby zum Auftakt

1. Spieltag Kölner Haie - Iserlohn Roosters Fr. 19.30

Eisbären Berlin - Grizzlys Wolfsburg Fr. 19.30

Straubing Tigers - Krefeld Pinguine Fr. 19.30

Schwenninger WW - ERC Ingolstadt Fr. 19.30

Düsseldorfer EG - Bremerhaven Fr. 19.30

Augsburger Panther - EHC München Fr. 19.30

Nürnberg Ice Tigers - Adler Mannheim Fr. 19.30

2. Spieltag

Bremerhaven - Berlin So. 14.00

Wolfsburg - Schwenningen So. 14.00

München - Düsseldorf So. 16.30

Krefeld - Augsburg So. 16.30

Iserlohn - Straubing So. 16.30

Mannheim - Köln So. 17.00

Ingolstadt - Nürnberg So. 19.00

Genau darauf komme es an, sagt Bundestrainer Toni Söderholm: dass die Talente spielen dürfen. "Da kommt schon etwas, auch wenn wir auf die U 20 schauen", sagt der Finne - auch die U 20 hat gerade die Rückkehr in die Top-Division geschafft. Söderholm ist ein großer Befürworter, Talente möglichst früh in die Profiteams einzubauen. Bei der WM im Mai, als die Deutschen mit fünf Siegen die beste Vorrunde ihrer Geschichte spielten, vertraute er unter anderem auf Seider und Bergmann. Die NHL-Profis Leon Draisaitl (Edmonton) und Dominik Kahun (Pittsburgh) sind auch erst 23 und 24. "Aber wir müssen sehen, dass die Jungen jetzt auch in der DEL spielen", sagt Söderholm. In allen anderen bedeutenden europäischen Ligen sei das so. "Das ist schon beeindruckend, wenn man den Schweden ins Gesicht schaut", bestätigte der Augsburger Simon Sezemsky nach den Spielen gegen Luleå: "Da meint man zum Teil, man spielt gegen Kids."

Mannheim und München haben mit jeweils rund 16 Millionen Euro die größten finanziellen Mittel

In der DEL sind von dieser Saison an zwei U-23-Spieler pro Team Pflicht. Kritikern geht die Regel nicht weit genug, sie fordern mehr Startplätze für junge Spieler in der höchsten deutschen Klasse oder gar ein Draft-System wie in der NHL, wo die schwächsten Klubs als Erste aus dem großen Nachwuchs-Pool fischen dürfen. Hierzulande findet unterdessen gerade ein Verdrängungswettbewerb statt, der etliche gestandene Profis in die zweite Liga spülte oder zum Vereinswechsel trieb. Allein München hat in diesem Sommer in Jakob Mayenschein, 21 (Leihe nach Augsburg), sowie den Eder-Brüdern Tobias, 20 (Wechsel nach Düsseldorf), und Andreas, 23 (Leihe nach Nürnberg), drei junge Profis mit Länderspielerfahrung abgegeben, weil die Konkurrenz im Team zu groß war. Mannheim und München, mit jeweils rund 16 Millionen Euro die Klubs mit den größten finanziellen Mitteln, leisten sich neben ihren Nachwuchsakademien eben auch immer noch Profis von internationaler Qualität. Und die Zeit drängt für die Talente.

190829 Marco Sternheimer of Augsburger Panthers and Fredrik Styrman of Lulea during the CHL game be

... wie auch Augsburgs Marco Sternheimer (links im weiß-grünen Trikot).

(Foto: imago images / Bildbyran)

Wenn von 2020/21 an zwischen DEL und DEL 2 wieder ein Auf- und Absteiger ermittelt wird, werden gefährdete Klubs im Zweifel Routine vor Risiko wählen. Peterka, Stützle und die anderen wollen ihre Leistungen auf der internationalen Bühne deshalb in der Liga bestätigen. "Ich kann hier so viel lernen", sagt Peterka. "Das muss er auch", meint Routinier Gogulla. "Das ist ganz normal." Nur eines wird der gebürtige Münchner trotz seiner Jugend wohl nicht mehr schaffen: "Bairisch kann ich leider nicht", sagt Peterka. Und grinst.

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