Deutschland schlägt Brasilien 3:2:Ausrufezeichen der weißen Brasilianer

Eine phasenweise begeisternde deutsche Nationalelf gewinnt 3:2 gegen Brasilien - dabei glänzt Joachim Löws Team mit feinen Kombinationen und schönen Toren. Bei seinem starken Startelf-Debüt gelingt dem jungen Dortmunder Mario Götze ein Treffer, der Experten und Mitspieler schwärmen lässt. Die neu formierte Defensive der DFB-Auswahl agiert ordentlich - bis kurz vor Schluss.

Das erste Tor war ein Elfmeter, scharf geschossen von Bastian Schweinsteiger. Kühl, effizient. Wenig Kunst. Aber was danach geschah, hatte etwas brasilianisches, mit der Besonderheit, dass es die Männer in weiß und schwarz waren, die zauberten. 3:2 hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft Brasilien am Mittwochabend besiegt.

Länderspiel Deutschland - Brasilien

Einfach umkurvt: Mario Götze erzielt das 2:0 für die DFB-Elf, indem er den Ball locker an Brasiliens Torhüter Julio Cesar vorbeilegt.

(Foto: dpa)

Mario Götze und André Schürrle erzielten die weiteren Treffer für die DFB-Elf. Und das kam den Zuschauern in Stuttgart nicht nur brasilianisch vor, es hatte durchaus auch etwas historisches: Von zuvor 20 Aufeinandertreffen hatten die deutschen gerade mal drei gewinnen können, der letzte 1993. Der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw, der bis zur WM 2010 noch der Makel angehaftet war, zu selten gegen große Teams zu gewinnen, hat dieser Abend eine Menge gebracht. Es war ein Spiel fürs Selbstbewusstsein. Ein Ausrufezeichen. Ein Beleg für einen weiteren Qualitätssprung der Nationalelf. Das vor allem.

"Wenn man bedenkt, mit welcher Freude und welcher Lust gerade die Jungen heute gespielt haben, dann sieht man, dass solche Spiele die Mannschaft weiterbringen", bilanzierte Löw zufrieden. "Der Sieg gegen Brasilien ist ein großer Erfolg, aber wir müssen schauen, dass wir zur EM topfit sind", betonte Kapitän Philipp Lahm.

Ein Abschiedsspiel für den alten Capitano ist es ja bekanntlich nicht geworden, weil der aussortierte Michael Ballack aus einer Vielzahl von Gründen (vor allem Verbitterung, außerdem noch Verbitterung und durchaus auch ein bisschen Verbitterung) darauf verzichtet hatte, sich in diesem Rahmen, wenigstens halbwegs ehrenhaft, aus der Nationalelf zurückzuziehen.

Ein Eröffnungsspiel hingegen war es zweifellos: für Stuttgart und die Stuttgarter. Und da sich kluge Strategen dazu entschieden hatten, die Mercedes-Benz-Arena zwar zukunftsfähig umzubauen, die Spielzüge dort aber weiterhin oberirdisch über den Rasen zu bewegen, haben die Stuttgarter ihr neues Stadion offenbar gern. Keine Wutbürger jedenfalls weit und breit.

Und für Joachim Löw war das erste Aufeinandertreffen mit den Südamerikanern seit dem Confed-Cup 2005 vor allem Teil der neuen Strategie, seine Männer nicht weiterhin gegen die üblichen europäischen Nachbarländer Testspielpraxis zu verschaffen. Nicht gegen die Erstbesten also - sondern gegen die Besten. Und das sind die Brasilianer natürlich immer, jederzeit und grundsätzlich, auch wenn sie, wie gerade, in einer Selbtsfindungsphase feststecken.

"Alle können alles am Ball", so hatte Löw die Gäste vor der Partie charakterisiert. Und wenn alle alles können, ist das eben auch für einen wie Mario Götze, den 19-jährigen Ausnahmetechniker von Borussia Dortmund, eine Art Crashkurs auf höchstem Niveau. Götze gab in seinem siebten Länderspiel sein Debüt in der Startelf.

Als zweiter Spieler vom Meister durfte Mats Hummels, 22, in der Innenverteidigung neben Holger Badstuber beginnen. Auffällig war aber vor allem, dass Löw sieben Spieler des FC Bayern in die erste Elf beorderte (Neuer, Badstuber, Lahm, Schweinsteiger, Kroos, Müller, Gomez), so viele wie noch nie in der Länderspiel-Geschichte des DFB.

Beschäftigte Brasilianer

Niemand musste deshalb allerdings befürchten, dass die Nationalelf sich das 0:1 der Münchner vom Sonntag gegen Mönchengladbach zum Vorbild nehmen würde. Die Vorgabe war vielmehr, die Brasilianer von der ersten Minute an zu beschäftigen. Und das gelang lange eindrucksvoller, als es zu erwarten gewesen war.

Germany v Brazil - International Friendly

Elfmeter! Nein! Doch! Philipp Lahm im Rededuell mit dem gefoulten Dani Alves.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Im Mittelfeld jedenfalls stießen die Deutschen auf irritierend wenig Widerstand, die Brasilianer verkrochen sich vor dem eigenen Strafraum, als habe es "Jogo Bonito", das schöne Spiel, allenfalls als verblasste Erinnerung im Gepäck. Einzelne Konter durch Neymar, den Paradiesvogel - dabei blieb es lange.

Bei den Deutschen tat sich Hummels als kluger Passgeber hervor, zunächst auf den Wolfsburger Christian Träsch (5. Minute), später auf Thomas Müller (25.), Bastian Schweinsteiger tanzte im Mittelfeld auf ziemlich freche Art und Weise mehrere Brasilianer gleichzeitig aus. Doch obwohl sich die Deutschen häufig vors brasilianische Tor kombinierten - anfangs waren vor allem Weitschüsse gefährlich. Vor der Pause fielen keine Tore.

In der 58. Minute holte Toni Kroos den Elfmeter heraus, den Schweinsteiger verwandelte. Dann ging es Schlag auf Schlag. Götzes 2:0 nach sehenswertem Doppelpassspiel, dann der Anschlusstreffer: Philipp Lahm stellte sich beim Versuch, Dani Alves den Ball abzunehmen, ungeschickt an, wieder Elfmeter. Vier Strafstöße hatten die Brasilianer bei der Copa America gegen Paraguay verschossen. Doch Robinho traf, 2:1. Das 3:1 erzielte der eingewechselte André Schürrle, nachdem Schweinsteiger sich sehenswert den Ball erkämpft hatte. Das 3:2 in der Nachspielzeit sorgte nur noch kurz für Verunsicherung. Wobei ein cooler Jund wie Mario Götze dieses Gefühl ohnehin kaum kennen dürfte. "Ich habe heute jeden Moment genossen. Die Mannschaft hat gut gespielt und mir auch sehr geholfen. Es lief reibungslos, ich freue mich einfach," sagte der junge Dortmunder nach seiner Klasseleistung.

Es gab einmal einen recht talentierten Fußballer namens Bernd "Schnix" Schneider, der im Finale der WM 2002, gegen Brasilien, zum "weißen Brasilianer" wurde. Wegen ein paar sehenswerter Tricks. Aber das ist inzwischen Fußball aus einer lange vergangenen Zeit. Joachim Löws Elf funktioniert über das Kollektiv. Die "weißen Brasilianer" muss sie auch nach diesem Sieg niemand nennen. Ganz daneben läge man mit so einem Spitznamen aber auch nicht.

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