1:1 gegen Italien:Nochmal gut gegangen

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(Foto: Andrea Staccioli /Insidefoto/Imago)

Im zweiten echten Härtetest spielt das Team von Hansi Flick erneut 1:1. Joshua Kimmich gelingt gegen Italien noch der Ausgleich und verhindert so die erste Niederlage unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick.

Von Thomas Hürner, Bologna

Hansi Flick legte die Hände an die Hüften und schaute, als müsse er erst einmal seine Gedanken sortieren. Was ihm wohl durch den Kopf gegangen ist? So genau weiß ja niemand, was der manchmal geheimnisvoll wirkende Bundestrainer denkt, aber der Samstagabend in Bologna ließ schon extrem viele Meinungsbilder zu. Zum Beispiel: Puh, nochmal gut gegangen! Oder: Hmm, das hat man schon besser gesehen von der DFB-Elf. Oder: Passt doch, die Italiener sind immerhin amtierender Europameister.

Ein 1:1 hat die deutsche Nationalmannschaft im Stadio Renato Dall'Ara errungen, es war ein zähes Spiel, in dem Joshua Kimmich per Rumpeltor den Ausgleichstreffer erzielte. Und es stellt sich in der Tat die Frage: Was lässt sich nun damit anfangen?

Seit Beginn seiner Expedition als Bundestrainer hat Flick eine blitzweiße Bilanz verfertigt, in welcher aber ein paar Schönheitsflecken sichtbar werden, wenn man sie etwas genauer durchleuchtet. Flick holte mit der DFB-Elf acht Siege aus neun Spielen, dazu weist die Tordifferenz ein Plus von 31 aus - da klappen im ersten Moment reihenweise Kinnladen runter.

Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass die meisten der damaligen Gegner eher der Kategorie "Fußballzwerg" zuzuordnen waren und der erste Härtetest mit einem 1:1 gegen die Niederlande endete. Bei den Italienern handelte es sich demnach um die zweite Probe auf hohem Niveau, wenngleich sich vor dem Spiel viele fragten, wie hart es denn wohl werden würde. Denn die Azzurri, das ist dem interessierten Fußballpublikum ja bekannt, haben es geschafft, in kurzer Zeit vom Himmelsthron bis auf den Meeresgrund zu stürzen: Vom Europameister zur verpassten WM-Qualifikation in nicht mal einem Jahr. Andererseits: Sind Fußballmannschaften, vor allem die Italiener, nicht besonderes gefährlich, wenn sie sich in die Enge gedrängt fühlen?

Die Italiener verteidigen geschickt und mit viel Körpereinsatz

Aus Versuchszwecken verzichtete Italiens Nationaltrainer auf einige der übrig gebliebenen Fußballer, die gehobenes Niveau verkörpern. Wie ernst Flick diese Aufgabe nahm, ließ sich hingegen seiner Aufstellung ablesen, die eine Art Stammelf für den Ernstfall darstellte. Es war jede Menge Physis auf dem Platz: Niklas Süle und Antonio Rüdiger bildeten die Innenverteidigung, im Mittelfeldzentrum spielten Joshua Kimmich und Leon Goretzka - das sind vier Spieler, die defensives Tagwerk verrichten und parallel nach vorne denken können.

1:1 gegen Italien: Italy's coach Roberto Mancini gives instructions to his players during the UEFA Nations League soccer match between Italy and Germany at Renato Dall'Ara stadium in Bologna, Italy, Saturday, June 4, 2022. (AP Photo/Antonio Calanni)

Italy's coach Roberto Mancini gives instructions to his players during the UEFA Nations League soccer match between Italy and Germany at Renato Dall'Ara stadium in Bologna, Italy, Saturday, June 4, 2022. (AP Photo/Antonio Calanni)

(Foto: Antonio Calanni/AP)

Ihnen gelang es aber nur selten, den Rhythmus des Spiels so zu verändern, dass sich jene Räume ergaben, in die Leroy Sané und Serge Gnabry so gerne hinein sprinten. Hin und wieder wechselten sie die Seiten, aber ohne nennenswerten Ertrag. Das frustrierte sogar Thomas Müller, der sich Räume gerne selbst schafft. Und noch mehr frustrierte das Timo Werner, der einige Quadratmeter Platz braucht, um auf seine Sprint-PS zurückgreifen zu können - und der fast alle seiner Gefahrenmomente einbüßt, wenn Tiefenläufe von der gegnerischen Defensive unterbunden werden. Die Italiener verteidigten geschickt. Und sie schreckten nicht davor zurück, ihre Körper einzusetzen.

So entstand eine Partie, in der es an Überraschung- und Unterhaltungsmomenten gleichermaßen fehlte. Der Ball wurde in der ersten Hälfte nur selten beschleunigt von der DFB-Elf, und es doch mal in die Vertikale ging, dann waren in der Regel italienische Beine im Weg. Echte Chancen waren daher selten. Gnabry wackelte nach 15 Minuten mal seinen Gegenspieler aus, doch der Schuss wurde abgewehrt. Selbiges Schicksal ereilte einer Müller-Chance, Goretzka zielte zweimal drüber, ein weiterer seiner Schüsse wurde geblockt.

Die DFB-Elf hat viel Kontrolle, verheddert sich aber zu häufig

Es mangelte an Ideen, aber die Italiener machten es auch clever: Sie entzogen dem Spiel Raum und Tempo und freuten sich darüber, dass sie selbiges hin und wieder zur freien Verfügung hatten. Die meisten italienischen Konterversuche konnte die DFB-Elf abfangen, aber wenn der Ball mal durchrutschte, wurde es brenzlig. Vor allem der so wuchtige wie wendige Stürmer Gianluca Scamacca war für Rüdiger und Süle nur schwer einzufangen; Scamacca war es auch, der kurz vor der Halbzeit mit einem Pfostenschuss die bis dahin beste Chance des Spiels hatte.

An diesem Bild veränderte sich auch in der zweiten Hälfte wenig. Die DFB-Elf hatte viel Kontrolle, verhedderte sich aber zu häufig in jenen Momenten, in denen man sich nicht verheddern darf. Das Spiel wurde nie richtig lebendig, auch dann nicht, als Flick in Jamal Musiala, Jonas Hofmann, Kai Havertz und Ilkay Gündogan frisches Personal einwechselte. Und das lag auch an den Italienern. Sie traten zwar nicht mit dem Selbstbewusstsein eines amtieren Europameisters auf, aber auch nicht mit der Beugehaltung eines Nicht-WM-Teilnehmers.

In in dieser Hinsicht gänzlich unbelastet Spieler ist zum Beispiel der 18-jährige Wilfried Gnoto, auch er eingewechselt, der mit viel Tempo Thilo Kehrer auswackelte und den italienischen Führungstreffer durch Lorenzo Pellegrini vorbereitete (70.). Das war eine Aktion, die man auch gerne vom ausgewechselten Sané gesehen hätte. Es passte ins Bild, dass der Ausgleich kurz darauf ein ziemliches Ping-Pong-Zufallsprodukt war, während dem der Ball geschossen, abgeblockt, geflankt und abgeblockt wurde - und schließlich vor Kimmich landete, der wuchtig zum 1:1 traf (73.). Die Italiener reklamierten zwar, dass Ball von Werners Arm vor Kimmichs Füße geprallt war. Allerdings wurde der Stürmer mehr oder weniger angeschossen und hatte den Arm nah am Körper. Das Tor zählte also. Und das Spiel erholte sich schnell von diesen Turbulenzen, indem es seinen gewohnten Rhythmus einnahm.

Am Ende konnten beide Mannschaften vielleicht trotzdem zufrieden sein. Flicks Elf, die aus ihrer Kontrolle wenig Zählbares erwirtschaftete, überstand ein weiteres Spiel ohne Niederlage - und die Italiener, das steht fest, haben schon Schlimmeres durchlebt als ein 1:1 gegen Deutschland.

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