Einmal genau hingeschaut: Nein, Nico Sturm hatte sich nicht ein Bein auf den Rücken gebunden. Er war in vorgeschriebener körperlicher Verfassung zum vierten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Eishockey-WM angetreten. Das war die erste gute Nachricht. Die zweite: Der WM-Zweite besiegte Lettland deutlich mit 8:1 (2:0, 5:1, 1:0) und hat nun beste Chancen auf das Viertelfinale. "Wichtig war, dass wir den richtigen Ton setzen", sagte Bundestrainer Harold Kreis. Und der Ton saß.

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Hinter dem ordnungsgemäßen Zustand von Stürmer Sturm lauerten in den vergangenen Tagen stets bange Fragezeichen. Beim 6:4-Auftaktsieg gegen die Slowakei hatte sich der NHL-Profi von den San Jose Sharks eine Knieverletzung zugezogen und war gegen die USA und Schweden ausgefallen. Beide Partien gingen jeweils 1:6 verloren.
Gegen die mit drei Siegen ins Turnier gestarteten Letten stand Sturm wieder im Aufgebot, auch Verteidiger Maksymilian Szuber kehrte nach zwei Spielen Pause zurück. Welche Bedeutung vor allem der Augsburger Sturm, beim Silber-Coup vor einem Jahr Debütant und Führungsfigur zugleich, für die Mannschaft hat, beschreibt Kapitän Moritz Müller so: "Er ist von allen Spielern, mit denen ich hier zusammengespielt habe, der absolute Musterprofi. Wenn der in den letzten drei Jahren mal ein Snickers gegessen hat, dann war das der absolute Ausreißer."

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Sturms Körperspannung bekamen die Letten sofort zu spüren. Der 29-Jährige erarbeitete sich an der Bande die Scheibe, über Tiffels und Kälble wanderte der Puck zu Dominik Kahun: die frühe Führung (6.) für das DEB-Team. Prompt war das Selbstvertrauen zurück. Verteidiger Kai Wissmann fuhr im ersten Powerplay elegant wie ein Eistänzer zum 2:0 (19.) durch die lettische Abwehr, dann hatte das deutsche Team erstmals seit dem Sieg gegen die Slowaken wieder ein Drittel gewonnen.
Kreis hatte am spielfreien Dienstag taktische Grundlagen gepaukt - mit Erfolg
Kreis hatte am spielfreien Dienstag einige taktische Lektionen wiederholen lassen und dann seine Reihen umgebaut: Vier ausgeglichene Formationen sollten bei den Letten erst gar keine Spielfreude aufkommen lassen. Die Frage war, wie das Team von Harijs Vitolins aus der Kabine zurückkommen würde. Der WM-Dritte von 2023 versteht es durchaus, ein abschüssiges Spiel auf ein nickeliges Niveau zu verlegen. Aber die Deutschen beantworteten die Frage rasch selbst: Nach 48 Sekunden erhöhte Leo Pföderl mit seinem dritten Turniertreffer, Parker Tuomie traf zum 4:0 (23.). Was die Letten machen? Wurscht.
Die Letten wechselten dann erst einmal den Torhüter. Für den Bremerhavener Kristers Gudlevskis kam Elvis Merzlikins - und durfte direkt die Scheibe aus seinem Netz klauben. John-Jason Peterka, 28-Tore-Stürmer von den Buffalo Sabres, nutzte das zweite deutsche Powerplay zu seinem heiß ersehnten ersten Turniertor (26., das zweite sollte zum 7:0 folgen), und so ging es weiter: Powerplay, Tor, Marc Michaelis (31.). Spaß hatten längst nur noch die deutschen Spieler und Fans in Ostrava; der lettische Ehrentreffer (40.) störte die prächtige Laune nur unwesentlich.
Und dann war auch noch Nico Sturm dran. Nach einem Fehler von Merzlikins schubste der Mann mit der Nummer 78 den Puck geistesgegenwärtig zum 8:1 ins Tor. "Besser hätte es nicht laufen können", sagte Sturm bei Pro7. "Am wichtigsten ist, dass wir mit Selbstvertrauen hier rausgehen." Vielleicht gönnt er sich am spielfreien Tag vor der Partie gegen Kasachstan mal einen schönen, fetten Schokoriegel.