Deutschland:Der Mann für Tempo und Taktung

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Kann es mit links wie mit rechts: Spielmacher Dennis Schröder verteilt die Bälle im deutschen Team.

(Foto: Tilo Wiedensohler/imago)

Von Dennis Schröder hängt der Erfolg der Deutschen ab. Der 25-Jährige ist selbstbewusst: "Wir müssen niemanden fürchten."

Von Jonas Beckenkamp, Shenzhen/München

Dennis Schröder fällt auf: 1,88 Meter groß, blondierte Haarspitzen, ein Millionär, der gerne zeigt, was er hat. In der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA, in der Schröder seit sechs Jahren spielt, gehört das "Bling Bling" dazu, in Deutschland aber staunt so mancher, wenn Schröder, wie in diesem Sommer wieder, mit seiner "Flexgang" durchs Land zieht. Familienmitglieder, Freunde, Geschäftskollegen umgeben ihn fast so eng wie Verteidiger auf dem Parkett. Wie Schröder seine Freizeit verbringt, war bis vor kurzem auf Instagram zu sehen: mit Sportflitzern in Tarnfarben, dicken Sonnenbrillen, Glitzerklamotten, gerne auch mal mit Diamantenkette. Er ist das, was landläufig als Styler durchgeht.

Noch immer umgibt den NBA-Profi Dennis Schröder die Aura eines dollarschweren Rapmoguls, eines Streetballers, der es nach oben geschafft hat. Aber das ist nur der eine Teil seiner Persönlichkeit. Einen anderen offenbarte er in diesem Sommer: eine neue Ernsthaftigkeit. Seinen Instagram-Account hat er abgeschaltet, er hat geheiratet, sein Handy bleibt nun häufiger in der Hosentasche. Der Schlaks mit den Krakenarmen ist mittlerweile reifer, als es seine Outfits vermuten lassen - das Leben hat ihm etwas viel Größeres in die Hände gespielt: ein Kind. Bei der Geburt von Dennis Malick Junior war Schröder "14, 15 Stunden mit dabei. Das war der Hammer. Das muss man einmal fühlen", erzählte er. Und natürlich sei auch seine Hochzeit in Braunschweig "der Wahnsinn" gewesen: "Familie, Freunde - alle sind gekommen. Wir haben richtig gut gefeiert."

Zuletzt hatte der gebürtige Braunschweiger noch eine Menge private Dinge zu erledigen, doch nun steht der Sport im Vordergrund: die Basketball-WM in China mit der deutschen Nationalmannschaft, die an diesem Sonntag (14.30h Uhr/Liveticker auf SZ.de) zunächst gegen Frankreich ran muss. Schröder steht in der Verantwortung, er ist nach dem Rücktritt von Dirk Nowitzki aus der Nationalmannschaft im Jahr 2015 Deutschlands Körbewerfer Nummer eins. Er muss antreiben, organisieren, inspirieren, punkten und obendrein auch noch verteidigen. Eine Aufgabe, die er gerne auf sich nimmt.

Für den 25-Jährigen ist das Nationalteam eine Herzenssache, er hat - anders als viele NBA-Kollegen - sogar richtig Lust darauf. Das liegt auch daran, dass die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) so tief und breit und gut besetzt ist wie noch nie. "Wir können viel erreichen mit der Mannschaft", befand Schröder kürzlich, "wir haben so viel Potenzial, da können wir schon selbstbewusst an die Sache rangehen und müssen niemanden fürchten." Ehrgeiz, Korbdrang, Wettkampfhärte sind seine Qualitäten; "seine unglaubliche Schnelligkeit ist für uns sehr wichtig", ergänzt Nationalcenter Johannes Voigtmann, der mit Schröder schon zwei EM-Turniere spielte: "Sein Wurf hat sich in den letzten Jahren immer verbessert. Wenn er alles annimmt, kann er einer der besten Spieler der WM werden."

An Selbstbewusstsein hat es Schröder nie gefehlt, nun geht er auch als Motivator der Mitspieler voran. "Ich bin total begeistert, mit welcher Einstellung er hier angekommen ist", schwärmte etwa Bundestrainer Henrik Rödl in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur während der WM-Vorbereitung, die Schröder mit sehr guten Auftritten hinter sich brachte. Beim Supercup in Hamburg gelang ihm gegen Polen sogar ein Karrierebestwert mit 33 Punkten, im letzten Test gegen Australien waren es immerhin 15. Wege zum Korb findet er dank seiner Aggressivität fast immer, neuerdings glänzt er aber auch in der Abwehr, lobt Rödl: "Was mir am meisten Spaß macht, ist, dass er konstant verteidigt." Schröder habe "wieder einen deutlichen Schritt in seinen spielerischen Fähigkeiten gemacht".

Somit verfügt Deutschland nach den Nowitzki-Jahren wieder über einen echten Anführer. Dabei ist Schröder lauter als Nowitzki, bestimmender. Diese Qualität hatte dem damals 21 Jahre alten Schröder bei seiner ersten EM 2015 noch gefehlt. Damals wollte er ganz allein gewinnen, er übertrieb es mitunter mit Alleingängen und wilden Dribblings ins Dickicht der Gegner. Heute zieht er laut Rödl "die anderen in allen Bereichen mit. Es ist ein Privileg, so einen Spieler dabei zu haben". Jetzt kommt es drauf an, etwas aus diesem Potenzial zu machen.

Wenn die Deutschen weit kommen wollen, muss Schröder ihnen den Weg zeigen. "Da er den Ball nach vorne trägt, ist er an jedem Angriff beteiligt. Natürlich ist das Spiel auf ihn zugeschnitten", sagt der Bundestrainer, der genau weiß, welche Freiheiten er Schröder gewähren muss. "Wir müssen das Beste nutzen, was wir haben", fordert Rödl: "Wir haben sehr, sehr viele gute Optionen, die er einzusetzen weiß."

Die Mitspieler haben akzeptiert, dass Schröder Tempo und Taktung im Angriff bestimmen wird, dass er vielleicht auch mal einen Wurf zu viel nimmt, um seinen Rhythmus zu finden. So hat man sich beim DBB offenbar darauf verständigt, dass im Grunde alle vom Fokus auf Schröder profitieren. Die Devise ist simpel: Wenn der Gegner nur Augen für Schröder hat, entstehen Räume und freie Wurfchancen für andere. "Dennis ist unser Schlüsselspieler, er wird die meiste Aufmerksamkeit von allen Teams haben", sagt der NBA-Kollege Maximilian Kleber und fügt hinzu: "Dennis muss die richtigen Entscheidungen für uns treffen."

Bei seinem Klub in Oklahoma City kam Schröder zuletzt hinter dem Überathleten Russell Westbrook zwar nur von der Bank, dennoch sei er ein "sehr dominanter Aufbauspieler", urteilte jüngst der frühere Europameister Henning Harnisch, der 1993 an der Seite von Rödl den bislang einzigen Titel für den DBB gewann. Genau darin könnte freilich auch eine Gefahr liegen: Was, wenn am Ende zu viel von Schröder abhängt? Wenn sich alle auf ihn verlassen und auf Eigeninitiative verzichten? Dann reicht es im Teamsport Basketball vielleicht noch gegen die weiteren Vorrundengegner Dominikanische Republik (am Dienstag, 10.30 Uhr) und Jordanien (Donnerstag, 10.30 Uhr), aber in der Zwischenrunde vielleicht schon nicht mehr gegen eingespielte Teams wie Australien, Litauen oder Kanada.

Aber: War das mit dem Fokus auf einen Mann zu Nowitzkis besten Zeiten nicht auch so? Dieser Vergleich hinkt. Nowitzki war individuell zwar noch besser als Schröder, als Flügelspieler aber auf einer ganz anderen Position. "Bei dieser Mannschaft hängt noch viel mehr von Dennis ab, wie er es schafft, individuell seine Leistung zu bringen und andere einzubinden", gibt zum Beispiel Marko Pesic zu bedenken, der Sportdirektor des FC Bayern München. Pesic muss es wissen: Der 42-Jährige gewann einst als Nebenmann Nowitzkis zwei Medaillen, Bronze bei der WM 2002 und Silber bei der EM 2005.

Solche Erfolge kann Dennis Schröder nur erreichen, wenn er seinen Reifeprozess bei dieser WM weiter vorantreibt. Am Tag des Finales und des Spiels um Platz drei wird er 26 - sollte die DBB-Auswahl es so weit schaffen, was die früheren Bundestrainer Svetislav Pesic, Henrik Dettmann und Dirk Bauermann nicht für ausgeschlossen halten, hätte Schröder sich einen weiteren Traum erfüllt: die Olympia-Teilnahme 2020. "Da spielen zu dürfen und dein Land zu vertreten, ist das Beste, was du machen kannst", sagt er. An ihm soll's nicht liegen.

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