Deutschland Cup:Söderholms großes Olympia-Puzzle

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Deutschlands Eishockey-Nationalspieler feiern das zwischenzeitliche 3:2 gegen Russland. (Foto: Vedran Galijas/Just Pictures/Imago)

Der Auftaktsieg des DEB-Teams gegen Russland ist ein weiterer Beleg für die Qualität der Mannschaft. Nationaltrainer Söderholm steht vor der Herausforderung, aus der vielleicht besten deutschen Eishockey-Generation einen Kader zu formen.

Von Ulrich Hartmann, Krefeld

Es gibt kein Puzzle am Merchandising-Stand des Deutschen Eishockey-Bunds. An der Bude im oberen Umlauf der Krefelder Eishockey-Arena gibt es an diesem Wochenende Trikots, bedruckte Pucks, Kappen, Schlüsselanhänger und eine gelbe Bade-Ente, die Helm, Eishockeymontur und Schläger trägt. Das Puzzle, von dem im deutschen Eishockey derzeit gesprochen wird, ist streng limitiert, genau genommen ist es sogar exklusiv dem Bundestrainer Toni Söderholm vorbehalten. Es besteht aus einer Shortlist von 53 Spielern, die am Ende gar nicht alle verpuzzelt werden können. Nur etwa die Hälfte wird zum Olympia-Kader gehören, und die Frage wird sein, wie sauber die einzelnen Teile ineinander passen.

Der Finne Söderholm, 43, hat nicht das Glück, dass ihm sein Puzzle mit abgezählten Teilen in einem schönen Karton serviert wird. Er muss alles selbst zusammensuchen. Da sind Glitzerteile wie Leon Draisaitl, Moritz Seider und Philipp Grubauer aus der nordamerikanischen Spitzenliga NHL. Da sind die noch nicht so konturstarken Teile wie die Talente Leon Gawanke, John-Jason Peterka und Lukas Reichel aus der nordamerikanischen zweiten Liga namens AHL. Und da sind stabile, leicht zuzuordnende Teile wie die Routiniers Moritz Müller, Matthias Plachta und Korbinian Holzer aus der Deutschen Eishockey Liga. Sie alle sind bestens geeignet für Söderholms Olympia-Puzzle.

Sie alle sind aber nicht dabei an diesem Wochenende, an dem in Krefeld der Deutschland Cup ausgetragen wird. Das traditionsreiche Vier-Nationen-Turnier läuft diesmal unter dem inoffiziellen Motto "Deutschland sucht die Superergänzungsspieler". Dieses Eishockey-Casting der Kaderkomplettierer dient nicht nur für Olympia im Februar in Peking, sondern auch für die Weltmeisterschaft im Mai in Helsinki. Das macht es noch mal ein bisschen komplizierter.

27 Spieler kämpfen in Krefeld am westlichen Rand des Ruhrgebiets nicht nur gemeinsam um den Turniersieg, sondern gemeinerweise zugleich gegeneinander um die noch freien Plätze im Kader für Olympia im Februar in Peking. Die schicksalhaft vereinten Konkurrenten haben am Donnerstag zum Auftakt gegen Russland gespielt. Das ist ausgerechnet jene Nation, gegen die Deutschland im olympischen Finale 2018 in Südkorea den dramatischsten Moment der Verbandsgeschichte erlebt hat, als man 55 Sekunden vor Schluss noch 3:2 führte, dann aber den späten Ausgleich kassierte und den Olympiasieg in derVerlängerung verlor.

Vom derzeitigen Kader in Krefeld haben das Olympia-Drama von 2018 Jonas Müller, Marcel Noebels, Patrick Hager, Yasin Ehliz und Leonhard Pföderl miterlebt. Diese Erinnerung dürfte eine Rolle gespielt haben, als die deutsche Mannschaft nach katastrophalen ersten acht Minuten mit zwei Gegentreffern und demütigender Kalinka-Musik binnen 40 Sekunden (0:1 nach 7:30 Minuten, 0:2 nach 8:10 Minuten) plötzlich aufdrehte, den 0:2-Rückstand in eine 4:2-Führung umdrehte und am Ende 4:3 gewann. Der Münchner Ehliz hat das Tor zum 2:2-Ausgleich geschossen, der Berliner Pföderl jenes zur 3:2-Führung. "Wir haben den Favoriten weggeputzt", jubilierte der 1:0-Torschütze Lean Bergmann aus Mannheim. "Das war eine super Mannschaftsleistung", lobte Rückkehrer Torsten Ankert aus Iserlohn. "Wir haben die letzten 50 Minuten echt super gespielt", sagte der gebürtige Krefelder Daniel Pietta über die wahrlich ausschweifenden 50 Schlussminuten der insgesamt ja nur 60-minütigen Spielzeit.

Mit anderen Worten: Die 27 Nationalspieler in Krefeld haben sich vorgenommen, dem Bundestrainer Söderholm die Entscheidung aber mal so richtig schwer zu machen. Sollten sie am Samstag gegen die Schweiz und am Sonntag gegen die Slowakei (jeweils 14.30 Uhr, Sport1 und Magentasport) womöglich sogar den ersten Deutschland-Cup-Triumph seit 2015 perfekt machen, dann könnte es sein, dass Söderholm nicht mehr aus noch ein weiß, dass er seinen Olympiakader losen muss oder unter Zuhilfenahme von Räucherstäbchen und skandinavischen Beschwörungen die Geister des Eishockeys anruft. Söderholms Luxusproblem ist, dass das deutsche Eishockey zurzeit die vielleicht beste Generation seiner Historie hat. Und der Finne muss es ausbaden. Immerhin kann er dazu eine gelbe Bade-Ente mit Helm, Eishockeymontur und Schläger mit in die Wanne nehmen.

"Die Puzzleteile müssen halt irgendwie passen", bringt Söderholm sein Projekt auf den Punkt. Das impliziert, dass die Teile noch geordnet werden müssen. Allerdings hat der Finne den Vorteil, dass er Härtefälle, die für Olympia nicht in Frage kommen, auf die WM im Mai vertrösten kann. Er kann seine 53 Teile also gewissermaßen auf zwei Puzzle verteilen. Das macht die Sache insgesamt zwar komplex, in Einzelfällen aber auch erleichternd.

Noch keine Rolle spielt bei diesen Überlegungen, was aus Söderholm selbst wird nach Olympia und der WM. Sein Vertrag läuft aus. Er ist noch unschlüssig, ob er bleiben oder sich um eine Stelle im nordamerikanischen Klubeishockey bemühen will. Seine Chancen für diesen amerikanischen Traum könnten auch davon abhängig sein, wie erfolgreich er in den nächsten Wochen in Deutschland puzzelt.

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