DFB-Team:"Ich merke, da ist ein Teamgeist da"

Euro 2020 Qualifier - Group C - Germany v Northern Ireland

Ein 6:1 zum Jahresabschluss: Die DFB-Spieler Toni Kroos (r.) und Marc-André ter Stegen.

(Foto: REUTERS)
  • Die DFB-Elf zeigt beim 6:1 ein starkes Spiel gegen Nordirland, holt den Gruppensieg in der Qualifikation und bekommt nun drei Heimspiele bei der EM.
  • DFB-Direktor Oliver Bierhoff spart sich zu forsche Töne. Er lobt aber die Stimmung in der Mannschaft.
  • Das Team kommt aber erst in vier Monaten wieder zusammen. "Die Pause tut uns weh", sagt Bundestrainer Joachim Löw.

Von Martin Schneider, Frankfurt

Es war eine kleine Falle für Oliver Bierhoff. Auf der Tribüne, fragte ein Reporter den Manager der Nationalmannschaft, hätten Fans ein Banner mit dem Schriftzug "London20" gehisst - ob er an dieses Ziel glaube. Bierhoff überlegte kurz. In London finden im kommenden Jahr die Halbfinal- und Finalspiele der EM 2020 statt und Oliver Bierhoff hat das ja schon einmal gemacht, ein Turnier vom Ende her gedacht. In Russland wählte er das mittlerweile legendäre Quartier Watutinki auch deswegen aus, weil der Weg zum Finalstadion Luschniki in Moskau so kurz war. Deutschland schied dann bekanntlich im 800 Kilometer entfernten Kasan in der Vorrunde aus.

"Bei einem Turnier, das auch Griechenland schon gewonnen hat, da darf man nie was nicht glauben", setzte Bierhoff an und merkte direkt, dass er es in diesem Moment vielleicht ein bisschen zu gut meinte mit der Demut. "Wir haben Potential", schob er nach. "Aber wir werden nicht als Favorit reingehen."

Bloß nicht beim ersten guten Auftritt übermütig werden - das war das unausgesprochene Motto des DFB-Teams nach dem 6:1 gegen Nordirland in Frankfurt. Es war seit langer Zeit mal wieder ein Spiel, das uneingeschränkt Spaß machte. Man sah einen herausragenden Spieler (Serge Gnabry), ein paar sehr gute Spieler (Toni Kroos, Leon Goretzka), und es gab sogar Stimmung, wobei die hauptsächlich von den nordirischen Fans kam, die einfach sehr schön und sehr laut singen können.

Im großen Fußball-Lexikon steht so ein Spiel unter "versöhnlicher Jahresabschluss" und das war auch das intern ausgegebene Ziel des Abends: "Wir wussten, das ist der letzte Eindruck, den wir hinterlassen", sagte Leon Goretzka. "Entsprechend engagiert haben wir uns gezeigt. Es war wichtig, auch mal bei einem vermeintlich nicht mehr ganz so wichtigen Spiel abzuliefern." Obendrauf gab es den Gruppensieg vor den Niederlanden und drei Heimspiele bei der EM in München, weil Ungarn, der zweite Gastgeber der deutschen Gruppe, gegen Wales die direkte Qualifikation verpasste.

"Ich merke, da ist ein Teamgeist da", sagt DFB-Direktor Bierhoff

"Sehr schön" sei das das alles, sagte Oliver Bierhoff bei seinem inoffiziellen Fazit- und Ausblick-Gespräch. Aber für ihn sei entscheidend, dass man eine Entwicklung bei der Mannschaft sehen könne. "Noch gelingt nicht alles", Genaueres wisse man erst, wenn man im kommenden März gegen stärkere Gegner gespielt habe. Spanien steht als Sparringspartner schon fest, Portugal oder Belgien sind angedacht, wie Bundestrainer Löw verkündete.

Aber die Spiele werden erst im März kommenden Jahres stattfinden, bis dahin ist die EM nochmal ein bisschen näher gerückt, und auch, wenn es vorne mit einem Serge Gnabry in der Form ganz gut aussieht, ist die Abwehr weit davon entfernt, als eingespielt durchzugehen. Gegen Nordirland testete Löw das Innenverteidiger-Duo Jonathan Tah und Emre Can - es darf als nahezu ausgeschlossen gelten, dass sich dies bei einem Turnierspiel wiederholen wird.

Als Bierhoff gefragt wurde, ob er sich um die Abwehr sorge, sagte er nicht sofort "Nein", sondern meinte: "Hier und da lassen wir zu viele Chancen zu, der Fixpunkt Niklas Süle ist ausgefallen. Im neuen Halbjahr wird es für den Trainer darum gehen, Kontinuität reinzubringen."

Allerdings reichen die verbleibenden Einheiten nach Ansicht von Bierhoff eigentlich nicht aus. "Normalerweise brauchst du mehr Zeit, um als Team und Mannschaft zusammenzuwachsen", sagte der Manager und meinte das rein sportlich. Denn: "Ich merke, da ist ein Teamgeist da." Atmosphärisch, so das Urteil Bierhoffs, könnte das durchaus klappen.

Tatsächlich besteht diese Mannschaft zum Großteil aus Spielern der Jahrgänge 1995 und 1996. Leon Goretzka, Serge Gnabry, Joshua Kimmich, Timo Werner, Jonathan Tah und Lukas Klostermann, dazu die derzeit verletzten Niklas Süle und Leroy Sané. Matthias Ginter wirkt zwar älter, weil er schon ewig dabei ist, ist aber auch ein 1994er-Jahrgang. "Es ist wichtig, dass wir einen eingeschworenen Haufen zusammenbekommen", sagte Kimmich, Sprecher dieser Generation.

"Die Pause tut uns weh", sagt Bundestrainer Löw

Umklammert wird das Konstrukt von den verbleibenden Senioren Toni Kroos und Manuel Neuer, die beide auf ihre eigene Art nochmal einen neuen Zugang zu dieser Mannschaft finden. Vor allem Toni Kroos überzeugte in den Spielen gegen Weißrussland und Nordirland, als würde ihm seine Rolle als uneingeschränkter Mittelfeldchef durchaus gefallen. Wo, wie und ob die Halb-Routiniers Marco Reus und Ilkay Gündogan ihren Platz finden, wird sich zeigen - ebenso, ob Löw Ginter wirklich die Abwehrchefrolle zutraut oder ob er im letzten Moment doch noch Mats Hummels reaktiviert.

Bierhoff, der sich in jüngster Vergangenheit bei dem Thema wenig bewegte ("Hummels derzeit kein Thema") betonte allerdings, dass der Abschied des Borussen, ebenso wie die Abschiede von Thomas Müller und Jérôme Boateng, mitnichten endgültig gewesen seien. Ein winziges rhetorisches Hintertürchen nennt man das wohl. Auch nach dem Spiel gegen Nordirland betonte Bierhoff, entscheidend werde sicherlich die direkte EM-Vorbereitung.

Nun aber sieht Löw seine Mannschaft erstmal vier Monate lang nicht. "Die Pause tut uns weh. Danach müssen wir einiges aufarbeiten. Wir müssen sehen, wer zurückkommt, wer fit ist, wer Rhythmus hat. Wir hatten jetzt gemeinsam vier, fünf Trainingseinheiten. Das macht sich sofort bemerkbar", analysierte der Bundestrainer. Bis dahin könne man nicht viel mehr machen, als eigene Spieler und mögliche Gegner beobachten.

Ein bisschen schlauer wird man wohl am 30. November nach der Gruppenauslosung sein. Nach allem, was man weiß (oder ahnt, muss man bei dem quantenphysikalischen Auslosungsprozedere ja sagen), drohen als Gruppengegner im schwersten Fall Weltmeister Frankreich und der amtierende Europameister Portugal. Und zwar beide. Oder auch Tschechien und die Schweiz.

Wie es auch kommt, das Teamquartier für die drei Spiele in München ist diesmal in Herzogenaurach. Wenn eine Sache bei dieser immer noch in Teilen rätselhaften deutschen Nationalelf feststeht, dann die, dass diese Mannschaft dieses Turnier garantiert vom Anfang her denken wird.

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