Deutschland besiegt Österreich:Zu Null geht doch noch

Deutschland - Österreich

Sami Khedira, Thomas Müller, Miroslav Klose and Marco Reus: Freude über den Erfolg gegen Österreich

(Foto: dpa)

Die deutsche Mannschaft gewinnt gegen Österreich - und das sogar ohne Gegentor. Miroslav Klose, Toni Kroos und Thomas Müller sorgen für das 3:0 in München, die Abwehr wirkt stabiler als bei vergangenen Auftritten. Schon im nächsten Spiel könnte sich das Team für die WM 2014 in Brasilien qualifizieren.

Aus dem Stadion von Boris Herrmann

Darüber, dass die deutsche Abwehr zuletzt nicht unbezwingbar war, wurde in den vergangenen Tagen fast so aufgeregt diskutiert wie über das Kanzlerduell oder den modernen Trainer-Fünfkampf beim TSV 1860 München. Bundestrainer Joachim Löw hatte unter der Woche versucht, diese sogenannte Gegentor-Debatte mit einem Liebesschwur zum Angriffsfußball abzumoderieren. Als es dann aber ernst wurde am Freitagabend mit dem WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich, hat er sich plötzlich doch an dieser Debatte beteiligt - mit seiner Aufstellung.

Der Frage, ob wohl Per Mertesacker oder Jérôme Boateng in der Innenverteidigung von Beginn an spielen würden, begegnete Löw mit ja und mit ja. Sie standen beide in der Startelf. Stattdessen saß Mats Hummels auf der Bank. Nun könnte man argumentieren, dass dessen jüngste Leistungen bei Borussia Dortmund diese Maßnahme durchaus rechtfertigen. Sie ist trotzdem ein Politikum. Es ist kein Geheimnis, dass es unverkrampftere Verhältnisse gibt als das zwischen dem Bundestrainer und dem Dortmunder Klassensprecher.

Auf der sachlichen Ebene hatte dieses Experiment aber keine negativen Folgen. Die deutsche Abwehr wirkte beim 3:0 (1:0) gegen Österreich stabiler als bei den vergangenen Vorstellungen. "Wir haben diese Woche zwei, drei Tage mehr Zeit gehabt und unsere Hausaufgaben gemacht. Wir wussten, wie Österreich spielt, und haben ihnen den Zahn gezogen, weil auch unsere Abwehr gut gespielt hat. Die Null freut mich, aber letztlich zählt der Sieg", sagte Löw.

Erstmals seit den beiden Spielen im März gegen Kasachstan war sein Team ohne Gegentor in die Pause gegangen. Sie kam auch weitgehend unbeschadet wieder heraus - abgesehen davon, dass Marcel Schmelzer verletzt in der Kabine bleiben musste. Für ihn kam der Schalker Benedikt Höwedes. Hummels blieb draußen.

Das Spiel selbst driftete nach nervösem Beginn der deutschen Mannschaft schnell in die allgemein erwartete Versuchsanordnung. Die Österreicher zogen sich weit in die eigene Hälfte zurück und suchten ihr Glück in schnellen Kontern. Die deutsche Mannschaft bekannte sich zu Löws Überzeugung, dass die Offensivkräfte die ersten Abwehrspieler sind. Miroslav Klose, Thomas Müller, Marco Reus und Mesut Özil attackierten bereits am gegnerischen Sechzehner. Schon nach zehn Minuten hätte sich das beinahe ausgezahlt, als Sami Khedira anlässlich des 100. Länderspiels von Kapitän Philipp Lahm versuchte, dessen berühmtes Costa-Rica-Tor zu kopieren. Lahm hatte bei der WM 2006 allerdings noch einen Tick besser gezielt.

Umso genauer zielte Klose. Nach einer scharfen Hereingabe von Müller grätsche er den Ball nach 33 Minuten passgenau ins rechte untere Eck. Es war sein 68. Tor im Trikot der Nationalmannschaft. Und damit hat sich nun zumindest die Wann-holt-Klose-endlich-Gerd-Müller-ein-Debatte erledigt. Da Klose aber ausgewechselt wurde, ohne sein 69. Tor geschossen zu haben, dürfte nun die Wann-zieht-er-an-Müller-vorbei-Debatte anstehen. "Es ist gut, dass das Thema dann mal erledigt ist, er wird irgendwann das 69. schießen", glaubt hingegen der Bundestrainer.

Neuer klärt mit Tintenfischreflex

Apropos deutsche Debattenkultur: Im defensiven Mittelfeld, auch dieser sensible Bereich ist ja Gegenstand des Gegentor-Diskurses, durfte neben dem Chef-Sechser Sami Khedira der Bayer Toni Kroos ran, der beim DFB das Monopol auf die Position des Zwischenspielers genießt. Kroos machte seine Sache mehr als ordentlich, nicht nur in der Spieleröffnung und bei seinem herausragenden Gewaltschuss zum 2:0 (51.). er werkelte auch eifrig nach hinten.

Für die Defensivarbeit zeichnete sich an diesem Tag ferner der Bundestrainer höchstpersönlich zuständig. Löw coachte so engagiert wie er selten gecoacht hatte. Mit rudernden Armen und wilden Gesten. Er sah bisweilen aus wie ein Verkehrspolizist auf einer belebten Kreuzung. Es war ohnehin ein klassisches Löw-Spiel. Die Zuschauer sahen ein junges, hochbegabtes DFB-Team, das sich mit viel Ballbesitz viele Chancen heraustanzte, aber damit wie gewohnt etwas zu verkünstelt umging.

Die Zuschauer sahen auch ein DFB-Team, das sich trotz verbesserter Grundordnung immer wieder kleine Unaufmerksamkeiten leistete. Sie sahen aber auch Österreicher, die das nicht nutzen konnten, weil sie zu viel Respekt hatten. Auch nach der deutschen Führung blieb das Team von Marcel Koller dem Primat des Konterns treu. Das war manchmal gefährlich, etwa als Manuel Neuer nach 70 Minuten mit einem Tintenfisch-Reflex gegen Harnik klärte.

Erst in den letzten zwanzig Minuten erhöhten die Österreicher den Druck. Es war aber insgesamt zu wenig, um die deutsche Hintermannschaft an diesem Tag dauerhaft in Schwierigkeiten zu bringen. Für den Schlusspunkt sorgte zwei Minuten vor dem Ende Thomas Müller, der ein Zuspiel des erstaunlich offensiven Ersatz-Linksverteidigers Benedikt Höwedes in bester Müller-Manier über die Linie stocherte.

Löws Team dürfte mit diesem Sieg nicht nur ein paar Kritiker besänftigt haben, es hat auch einen großen Schritt in Richtung Brasilien gemacht. Am Dienstag bei der Kurzreise auf die Färöer-Inseln könnte schon der entscheidenden Schritt folgen - sofern Schweden in Kasachstan patzt.

Es gibt allerdings auch schlechte Nachrichten zu vermelden. Beim Versuch, den verletzten Schmelzer zu behandeln, rutschte Physiotherapeut Klaus Eder äußerst unglücklich auf dem gut gewässerten Rasen aus. Er musste zur Pause gemeinsam mit Schmelzer in der Kabine bleiben.

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