Deutschland besiegt Belgien 3:1:Dranbleiben! Bloß nicht nachlassen!

Die Nationalelf gewinnt auch das finale Qualifikationsspiel gegen Belgien und sendet eine eindeutige Botschaft aus: Souveräner geht es in Europa derzeit nicht. Joachim Löw hat zudem 20 bis 25 Spieler, die für den EM-Kader in Frage kommen - für den Bundestrainer eine "sehr, sehr gute Situation".

Am Sonntag hatte Mesut Özil noch die halbamtliche Verlautbarungsplattform dfb.de in Anspruch nehmen müssen, um Zweifel an seiner fußballpatriotischen Gesinnung zu zerstreuen. Wer sportlich keine Sorgen hat, macht sie sich eben auf anderem Gebiet, und so sah sich der türkischstämmige Nationalspieler zur Klarstellung genötigt, dass er im jüngsten EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei (3:1) tatsächlich von einer Achillessehnenreizung außer Gefecht gesetzt war.

Türkische Medien hatten berichtet, in Wahrheit habe Özil den Bundestrainer um Außer-Dienst-Stellung gebeten, weil er sich dem Druck in Istanbul nicht gewachsen gefühlt habe. Wenn er so etwas höre, übermittelte Mesut Özil also, könne er nur "mit dem Kopf schütteln".

Am Dienstagabend nun stand Özil wieder auf dem Fußballplatz, und zwar nachweislich nicht in Istanbul, wo die Türkei gegen Aserbaidschan um den zweiten Platz in der Gruppe A kämpfte. Sondern in Düsseldorf. In der letzten Qualifikationspartie der deutschen Elf gegen Belgien. Man sah zunächst nicht viel vom Mittelfeld-Regisseur des spanischen Rekordmeisters Real Madrid, Özil blieb, was Fußballexperten "blass" nennen.

Bis zur 30. Minute. Ein Eckball von Toni Kroos flog heran, über Sami Khedira landete der Ball bei Özil. Und wenn es noch eines Beleges für die Kalenderweisheit bedurft hätte, dass ein Schuss manchmal mehr sagen kann als tausend Worte auf dfb.de, dann war es dieses kanonenartige Geschoss, dass Mesut Özil nun zum 1:0 unter die Latte des belgischen Tores abfeuerte. Erstaunlicherweise, ohne dass später der Geruch von Schwarzpulver in der Düsseldorfer Stadionluft lag. Womöglich hatte Özil seine wiedergenesene Achillessehne als eine Art lautlose Ballschleuder benutzt.

Später am Abend, als die Deutschen - Achtung, DFB-Rekord! - auch dieses zehnte von zehn Qualifikationsspielen gewonnen hatten, ebenfalls 3:1, wollte dann auch Joachim Löw diesen Sieg als "Botschaft nach außen" verstanden wissen. "Es war wichtig, dass wir nach neun Siegen auch dieses Finish durchziehen, um zu zeigen: Die Deutschen lassen nicht nach, die Deutschen bleiben dran", kommentierte der Bundestrainer.

Und auch der zuletzt griesgrämige konnte sich wieder freuen, nicht nur über seine inzwischen erstaunliche Effizienz beim Torabschluss (vier Tore in den letzten drei Länderspielen). Sondern auch für seine "vielen Freunde, die für die Türkei spielen oder der Türkei die Daumen drücken": Durch ihr 1:0 im Parallelspiel haben die Türken die zuvor so hoffnungsfrohen Belgier noch von Rang zwei verdrängt und die Playoff-Spiele erreicht.

Fast überall auf dem Kontinent ging es am Dienstagabend um Qualifikation oder Scheitern, um EM oder Sommerurlaub. Für Löw, der angesichts der längst gebuchten Reise nach Polen und in die Ukraine vor allem ein "seriöses Spiel" gefordert hatte, ging es um Facetten. Um die sich festigende Gewissheit zum Beispiel, dass seine Elf inzwischen auch Spiele, in die sie sich zunächst mühsam hineinackern muss, durch ein, zwei prägnante Szenen unwiderruflich an sich reißen kann.

Özils Kanonentor

Durch Szenen wie Özils Kanonentor etwa - nach dem es dann nur drei Minuten dauerte, ehe André Schürrle einen Hochgeschwindigkeitskonter über Torwart Manuel Neuer, Özil, Khedira und Mario Gomez per Präzisionslupfer zum 2:0 abschloss. Der Stürmer Gomez war es dann auch, dessen satter Schuss gleich nach Wiederanpfiff die Führung zementierte. Fast 45 Minuten waren da noch zu spielen.

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Die drei Torschützen im Bild: Mesut Özil, Mario Gomez and André Schürrle (von links).

(Foto: AFP)

Vor 13 Monaten, am 3. September 2010, hatte die Runde ebenfalls gegen Belgien begonnen, da hatte es noch eines Aussetzers des (diesmal gelb-gesperrten) Innenverteidigers Daniel van Buyten bedurft, um Miroslav Klose ein enges 1:0 zu ermöglichen. Es war ein Kampfspiel damals in Brüssel - das war es diesmal nur in den ersten 20 Minuten, in denen die Gäste mit Leidenschaft und Risiko vor Neuers Tor drängten.

Den Ball brachten sie allerdings nicht hinein, Jan Vertonghen hatte die beste Gelegenheit der Belgier erst in der 42. Minute: Da jagte er die Kugel, abgefälscht von Benedikt Höwedes, so knapp am Pfosten vorbei, dass selbst Joachim Löws berühmter Erfolgs-Pullover allenfalls im gebügelten Zustand noch in die Lücke dazwischen gepasst hätte. Beinahe wäre an diesem Abend in Düsseldorf sogar die wunderliche Serie von zuvor acht Länderspielen zu Ende gegangen, in denen der beim FC Bayern seit Lichtjahren unbezwungene Keeper Neuer nicht mehr zu Null gespielt hat.

Doch dann fingen sich die Deutschen auch diesmal ein spätes Gegentor: In der 86. Minute, als Marouane Fellaini nach einer Ecke höher sprang als Mertesacker und den Ball mit dem Kopf (samt darauf befindlichem Vogelnest) ins Netz nickte. Worüber Neuer sich ärgerte, wenngleich er einräumen musste: "Der Spieler von Belgien war auch sehr groß."

Joachim Löw ärgerte sich nicht. Er wird im Frühjahr seinen EM-Kader benennen und behauptete nun sogar: "Noch nie war die Nominierung für mich so leicht wie diesmal." Er werde manchen wehtun, manche enttäuschen müssen, aber "20, 25 Spieler zu haben, von denen ich weiß, dass ich sie jederzeit ohne Qualifikationsverlust bringen kann, diese Situation ist für mich sehr, sehr gut".

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