Deutschland bei der Basketball-EM:Doch nur eine Luftnummer

EuroBasket 2013 Slovenia

Tibor Pleiß (re.): Nächster Dämpfer bei der EM

(Foto: dpa)

Zu nervös, zu ungenau und mit zu vielen Ballverlusten: Nach dem frustrierenden 83:88 gegen die Ukraine können die deutschen Basketballer die EM-Zwischenrunde kaum mehr aus eigener Kraft erreichen. Der Überraschungssieg gegen Frankreich bleibt ein einsamer Ausreißer nach oben.

Von Ralf Tögel, Ljubljana

Nein, das brauchten sie jetzt wirklich nicht. Bloß keine Ausreden. Schon gar nicht Robin Benzing, der bis dahin beste Korbschütze der gesamten Europameisterschaft: "Man muss einfach eingestehen, dass die Ukraine besser war. Sie haben vor allem in der Schlussphase die richtigen Dinge gemacht." Schon die Vorzeichen waren schlecht: Die deprimierende, weil unglückliche Niederlage gegen Belgien in den Köpfen, die blöde Verlängerung in den Beinen. Heiko Schaffartzik und Benzing, die beiden Fixpunkte im deutschen Team, mussten wieder fast durchspielen.

Für eine effektive Entlastung fehlen Bundestrainer Frank Menz gleichwertige Alternativen. Deutschland hat das vorentscheidende Spiel gegen die Ukraine mit 83:88 (30:39) verloren, der Einzug in die Zwischenrunde ist damit kaum noch zu schaffen. Der Überraschungssieg zum Turnierstart gegen die Franzosen hat sich damit als Luftnummer erwiesen.

Aufgeben will das Team aber noch lange nicht: "Natürlich haben wir noch Hoffnung", sagte Benzing trotzig, "aber jetzt müssen wir erst einmal ein bisschen weg vom Basketball. Es ist gut, dass wir einen Tag frei haben." Es war zu spüren, was auf dem Spiel stand. Die deutsche Mannschaft startete nervös in das so wichtige Spiel, die Anfangsphase war geprägt von Ballverlusten und Fehlwürfen. Zum Glück starteten die Ukrainer noch schlechter, und als Niels Giffey, der keine Nerven zu kennen scheint, seine Kollegen mit zwei Dreiern aufweckte, lief es nach Wunsch. Plötzlich klappten die Aktionen, angeführt vom einmal mehr überzeugenden Kapitän Heiko Schaffartzik, der mit 22 Punkten auch Topscorer war, legte Deutschland in der Hala Tivoli einen 8:0-Lauf aufs Parkett.

Aber auch die Ukraine hatte ihr Erweckungserlebnis in Form von zwei Dreiern, die der eingebürgerte US-Amerikaner Eugene Jeter in der deutschen Reuse versenkte. Der Point Guard legte seine Anfangsnervosität schnell ab, gab dem Spiel seiner Mannschaft immer wieder entscheidende Impulse und hatte mit 19 Punkten großen Anteil am Sieg. Den knappen 15:16-Rückstand nach dem ersten Viertel wandelte die Ukraine langsam, aber sehr sicher in eine Führung um.

Zu hoher Rückstand

Wie schon zu Beginn des Spiels entwickelte sich auch im zweite Viertel ein wilder Schlagabtausch mit vielen Fehlwürfen und Ballverlusten, dieses Mal aber fand die Ukraine schneller den Rhythmus. Drei Dreier von Sergij Gladyr, dem an diesem Tag überragenden ukrainischen Topscorer (25), bedeuteten eine 39:30-Führung zur Pause. Gladyr machte laut Schaffartzik an diesem Tag den Unterschied: "Ich weiß nicht, wie man den Namen richtig ausspricht, aber er hat zum Schluss alle Dinger reingemacht."

Nach dem Wechsel bauten die Ukrainer die Führung ohne große Mühe aus. Vor allem dank ihrer physischen Überlegenheit: Acht Spieler im Team der NBA-Trainerlegende Mike Fratello, der ähnlich wie Frank Menz ein Team für die Zukunft aufbauen soll, sind zwei Meter oder länger und sehr robust. Das deutsche Team schaffte es immerhin dranzubleiben, auch dank Benzing, der sich im zweiten Abschnitt enorm steigerte und 18 Punkte erzielte. Philip Zwiener verkürzte mit fünf Zählern in Serie den Rückstand zum Ende des dritten Viertels auf sieben Punkte (57:64).

Doch der Gegner ließ sich nicht mehr aus der Ruhe bringen, entscheidender Vorteil der Ukrainer war die Tiefe ihres Kaders - das deutsche Spiel ist zu sehr von den Akteuren der Startformation abhängig. Und wenn einer dieser fünf Spieler einen schlechten Tag erwischt, ist dieses Defizit auf diesem internationalem Niveau schwer wettzumachen. Das galt besonders für Lucca Staiger, der seine starke Leistung beim Überraschungssieg gegen die Franzosen weder gegen Belgien noch gegen die Ukrainer wiederholen konnte. Zwiener sprang zwar in die Bresche und erzielte in seinem bisher besten EM-Spiel acht Zähler, insgesamt aber war das zu wenig.

Kämpferisch war dem deutschen Team erneut kein Vorwurf zu machen, allein: Die spielerischen Mittel fehlten. Was nicht für Giffey galt, er war erneut ein Lichtblick im Team und holte dreieinhalb Minuten vor dem Ende mit einem Dreier die letztmalige Führung (74:73). Letztlich wurde den Deutschen der große Substanzverlust der ersten beiden Partien zum Verhängnis. Was in den Teufelkreis zurückführt, dass die Mannschaft in der Tiefe zu schwach besetzt ist. Der sichtlich angefasste Bundestrainer brachte es auf den Punkt: "Wir können nicht konstant auf höchstem Level spielen", sagte Frank Menz. Seine Mission hat nach dem so verheißungsvollen Start ins Turnier einen üblen Dämpfer erhalten, das Minimalziel der Titelkämpfe ist so gut wie verpasst.

Der 16-Punkte-Vorsprung der Ukraine im letzten Viertel war eine zu große Hypothek, wie Schaffartzik analysierte, schon gegen Belgien waren die Deutschen einem ähnlichen Rückstand hinterhergelaufen. "Da haben wir diese Spiele verloren, nicht in der Schlussphase." Wie man das ändern könne? Schaffartzik überlegte, dann sagte er entwaffnend offen: "Weiß ich nicht."

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