Deutschland - Argentinien:Neuer Leibwächter für Ballack

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Frings aussortiert, Rolfes verletzt, Hitzlsperger auf der Bank: Gegen Argentinien deutet alles auf das spannende Projekt mit dem offensiven Bastian Schweinsteiger als Ballack-Partner hin.

Thomas Hummel

Michael Ballack kam mit einem dicken blauen Strich unter dem linken Auge. Ob er denn die Fragesteller mit einem derartig spektakulären Veilchen überhaupt sehen könne? "Ja, ja, kein Problem", antwortete der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. In der Champions League gegen Inter Mailand habe er einen Schlag bekommen, doch das behindere ihn nicht. Womit auch die Frage geklärt war, ob Ballack am Mittwochabend gegen Argentinien seinen neuen Partner in der Mittelfeldzentrale erkennen kann. Ja, er kann.

Bislang sah es Michael Ballack, 33, ja am liebsten, wenn sein gleichaltriger Kumpan Torsten Frings in der Mitte des Spielfelds rackerte. Wenn Ballack, der vielleicht torgefährlichste Mittelfeldspieler der Welt, bei Ballgewinn schnurstracks nach vorne in den Strafraum rennen konnte, ohne dabei überlegen zu müssen, ob da jemand für ihn hinten bleibt. Torsten Frings blieb immer hinten und stand seinen defensiven Mann, wenn es plötzlich wieder in die andere Richtung ging. Vielleicht war auch das ein Grund für die vielen Ballack-Tore im DFB-Team.

Dass Bundestrainer Joachim Löw den Bremer Frings aus dem Kader gestrichen hat, tut Ballack bis heute weh. Doch da waren immerhin noch die bei der Europmeisterschaft 2008 so anständigen Frings-Ersatzleute Simon Rolfes und Thomas Hitzlsperger. Die wirken zwar bei weitem nicht so knurrig wie der Bremer, hielten Michael Ballack aber auch gewissenhaft den Rücken frei. Doch Rolfes ist schwer verletzt und wird es zur WM wohl nicht schaffen. Und Hitzlsperger sitzt inzwischen beim italienischen Abstiegskandidaten Lazio Rom auf der Bank.

Also muss da ein neuer Ballack-Partner gefunden werden. Was das Spiel der deutschen Elf wie auch das Spiel des Michael Ballack nachhaltig verändern könnte. Denn der einzige im DFB-Kader, der als Ausputzer duchgehen könnte, ist Christian Träsch. Doch der Stuttgarter ist wohl noch zu unerfahren. Und die anderen beiden Kandidaten interpretieren ihr Spiel auf der Sechser-Position vor der Abwehr wesentlich offensiver: Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger.

Paradigmenwechsel von Löw

Es läuft zumindest für den Test in München gegen Argentinien auf einen der beiden hinaus, und nachdem Bundestrainer Löw noch vor kurzem unentschlossen zwischen beiden hin- und herüberlegte, hat sich nun ein kleiner Vorteil für den Münchner Schweinsteiger gebildet. "Bastian im Wechsel mit Michael Ballack auf der Sechser-Position - das ist absolut vorstellbar", sagte Löw bei einer Pressekonferenz in München. Schweinsteiger spiele beim FC Bayern auf dieser Position eine sehr gute Saison.

Dieser Schritt ist auch ein kleiner Paradigmenwechsel im taktischen Gefüge des Joachim Löw. Während der WM 2006, als Ko-Trainer Löw die taktische Ausrichtung bestimmte, beorderte sich Ballack selbst zurück von einer offensiven Mittelfeld-Raute auf eine Linie mit Abräumer Frings. Das DFB-Team war einfach zu offensiv ausgerichtet, und mit der Doppel-Sechs Frings/Ballack klappte es ganz gut.

Im Vergleich dazu wird Deutschland gegen Argentinien wesentlich offensiver aufgestellt sein. Schweinsteiger lernt erst noch die Aufgaben eines defensiven Mittelfeldspielers und weiß bei Bayern Mark van Bommel neben sich, der sich in der Rolle des rustikalen defensiven Schreckgespents für die Gegner gefällt. Bei Bayern gibt van Bommel Schweinsteiger die defensive Gewissheit. Nun soll Schweinsteiger Ballack diese Gewissheit geben. Ein spannendes Projekt.

Löw zumindest ist zu der Überzeugung gelangt, dass dies kein Problem sei, sondern sogar neue Möglichkeiten eröffne. "Ich will auf der Sechser-Position Leute, die in die Offensive gehen können, die Torgefahr ausstrahlen", sagte der Bundestrainer. Er brauche in der Zentrale technisch gute Spieler, weil von dort aus viele Angriffe eingefädelt würden. Durch die Beförderung von Schweinsteiger zu Ballacks neuem Leibwächter müsste zudem das rechte Mittelfeld neu bestückt werden. "Thomas Müller und Toni Kroos sind Spieler, die diese Position besetzen können", stellte Löw ein Debüt der beiden Neulinge in Aussicht. Allerdings ließ er offen, ob der Münchner Müller und der Leverkusener Kroos schon von Beginn an eine Chance bekommen oder erst später eingewechselt werden

Abgewichste Argentinier

Ballack sagte zur neuen Konstellation - nichts. Man müsse sehen, wie es sich entwickle, noch könne man nichts sagen. Doch das ausbleibende Lob für seine neuen Partner lässt die Interpretation zu, dass der Kapitän mit Unbehagen vernimmt, dass ihm ein treuer Ausputzer wohl nicht mehr an die Seite gestellt wird.

Indirekt verwies auch Löw darauf, dass dem Experiment gegen Argentinien ein harter Prüfstein bevorsteht. "Wir müssen gegen diese hervorragenden Individualisten taktisch enorm klug agieren, bei Ballverlust brauchen wir alle Spieler in der Defensive." Löw befand, dass es kaum eine Mannschaft im Weltfußball gebe, die Fehler so gnadenlos ausnutze wie die Südamerikaner. "Wir dürfen ihnen nicht ins Messer laufen." Die Aufgabe, das zu verhindern, wird vornehmlich auf Bastian Schweinsteiger zukommen.

Immerhin, bei einer anderen Aufgabe wird Schweinsteiger mit Ballack einen treuen Helfer finden. Als sich der DFB-Kapitän an das WM-Viertelfinale 2006 in Berlin erinnerte, wo es nach dem Elfmeter-Sieg der Deutschen zu Handgreiflichkeiten auf dem Platz kam, sagte er: "Die sind eben mit allen Wassern gewaschen, sie reizen Dinge aus, die heute auch zum Fußball gehören. In der Fußballersprache heißt das: Abgewichstheit." In dieser Abgewichstheit, so Ballack weiter, beherrschten sie das komplette Repertoire, "ich weiß nicht, ob sie das schon als Kind lernen". Doch ein Michael Ballack, mit dickem Veilchen dekoriert, muss sich davor sicher nicht fürchten.

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