Deutschland-Achter holt EM-Gold:Mit cleveren Ruderern statt baumlangen Kerlen

European Championships 2018 - Rudern

Der deutsche Achter strahlt.

(Foto: Darko Bandic/dpa)
  • Der Deutschland-Achter gewinnt Gold bei der EM in Glasgow.
  • Die Deutschen zeigen, dass es im Mannschaftsrudern auf so viel mehr ankommt, als nur auf das Prinzip, baumlange Kerle im Boot zu haben.
  • Der schwere Teil steht ja erst noch bevor: nämlich diese Überlegenheit bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio zu retten.

Von Volker Kreisl, Glasgow

Das sei jetzt bitte nicht verächtlich gemeint, im Gegenteil, es ist ein Kompliment. Über die deutschen Achter-Ruderer sagt der Londoner Weltklasse-Ruderer Mohamed Sbihi, wenn man die als Kerle so ansehe, dann wirkten die nun wirklich nicht furchterregend. Aber: "Wenn du sie in ein Boot setzt und die dann auf dem Wasser sind, dann wissen sie genau, was sie tun müssen. Die sind clever und effizient, und kriegen es immer hin."

Dabei sage doch jeder im Rudern, man müsse ein baumlanger Kerl sein und vor Kraft strotzen, fügt der 2,04 Meter große und muskelbepackte Sbihi an, der seit vielen Jahren Mitglied im erfolgreichen Achter der Briten ist. Nur, in den vergangenen zwei Jahren, seit der Niederlage gegen Großbritannien bei Olympia in Rio, da haben die schmalen Deutschen wieder die Führung in der Welt übernommen. Kein großes Rennen, kein Finale haben sie seitdem verloren. Somit nun auch nicht jenes vom ersten Saisonhöhepunkt 2018.

Auf dem Strathclyde Loch bei Glasgow gewann die von Steuermann Martin Sauer geführte Besatzung die Europameisterschaft, abermals in souveräner Art. Im Ziel hatten die Deutschen eine Zwei-Drittel-Bootslänge Vorsprung, vor den Achtern der Niederlande und Rumäniens. Die Briten kamen abgeschlagen als Vierte an, waren aber auch krankheitsgeschwächt, ausgerechnet Sbihi fehlte. Sind alle fit, dann bleiben sie vermutlich weiterhin der erste Rivale um die Führung in der Welt, und auch um das Ziel, auf das alles Boote hin rudern: die Olympiaregatta von Tokio 2020.

Besonders ermutigend für die anderen war die Vorführung der neun Männer im Boot von Bundestrainer Uwe Bender allerdings nicht. Wie so oft lagen sie zunächst zurück, teilweise schon scheinbar deutlich, und zeigten dann, dass es im Mannschaftsrudern auf so viel mehr ankommt, als nur auf das Baumlänge-Prinzip. Nach einigen knappen Ausgängen in diesem Sommer hatten nun auch Niederländer und Rumänen auf eine über die Deutschen hereinbrechende Schwächephase gehofft, wie sie schließlich jedem Seriensieger irgendwann blüht. Aber nach 500 von 2000 Metern war klar: daraus wurde nichts.

Der schwere Teil steht erst noch bevor für die deutschen Ruderer

Die ganze Situation, der lasche deutsche Angang des Rennens war wieder einmal Teil des Planes. Es sei darum gegangen, die Gegner gegen Mitte des Rennens an ihre Grenzen zu bringen, um ihnen rechtzeitig vor dem Ziel den Mut zu nehmen. Die Deutschen zogen an, verschärften das Tempo, die Briten fielen schon bei der Kilometermarke zurück, Rumänen und Niederländer schrieben Gold etwa bei 1500 Metern ab. Als sie im Ziel waren, atmete die Rudergruppe vor Sauer ein paar Momente lang ordentlich durch, und ließ die Beine in den Strathclyde Loch baumeln. Vollkommene Erschöpfung sieht anders aus.

Dabei stimmt Martin Sauer mit Sbihi durchaus überein: "Rudern ist ein von der Physis bestimmter Sport." Dass das Team derzeit weniger furchterregend aussieht, dass es deshalb mehr über Technik und besonders synchrones Zusammenwirken erreichen muss, zudem über taktische Überlegenheit - das sei alles "der Not geschuldet", es fehlten zurzeit eben die großen Kerle. Und doch ist der Achter erfolgreich, und für die Gegner ist das ernüchternd. Die Besetzung Johannes Weißenfeld, Felix Wimberger, Maximilian Planer, Torben Johannesen, Jakob Schneider, Malte Jakschik, Richard Schmidt und Schlagmann Hannes Ocik muss sich vor jeder Saison der Konkurrenz aus Deutschland stellen. Der Disziplintrainer, Uwe Bender, verlangt im Spätwinter jeweils Spitzenplätze in den Ausscheidungsrennen, zudem eine Steigerung der physischen Werte im Vergleich zum Vorjahr.

Der schwere Teil steht ja erst noch bevor: nämlich diese Überlegenheit bis zu den Spielen in Tokio zu retten. Steuermann Sauer beobachtet mit Sorge, dass das allgemeine Niveau doch deutlich steige. In Glasgow war nur die Hälfte der Weltklasse vertreten. Wie stark Australier, Kanadier und der US-Achter sich entwickeln, wird man vielleicht schon bei der WM in Bulgarien im September sehen. Mit Sicherheit würden sich die Konkurrenten aus Übersee aber in den kommenden Jahren steigern. Sauer sitzt seit mehr als zehn Jahren im Bug und korrigiert seine Vorderleute, späht zur Konkurrenz hinüber und ordert Attacken, wenn er beim Gegner eine Schwäche sieht. Und so hat er auch die vierjährige Olympiade im Blick und sagt: "Der letzte Teil ist besonders anstrengend, da wird die Luft dünn."

Und die Briten hatten nun zwar eine Niederlage erlitten, aber die Rivalität mit den Deutschen bleibt, vor allem bei einem mittlerweile schon weit geruderten Athleten wie Mohamed Sbihi. Der war damals in London dabei, bei den Olympischen Spielen 2012, als er den großen Traum vom Achtergold in auf der eigenen Strecke in Eton geträumt hatte, als die Deutschen sie dann aber ausbremsten, mit einem taktisch perfekten, auf die Sekunde berechneten Endspurt.

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