Deutsches Team beim Confed Cup:Der Hunger der Halbstarken

Deutsches Team beim Confed Cup: Beinahe schon ein Routinier: Julian Draxler (r.), 23, Kapitän der deutschen Confed-Cup-Auswahl (hier im Duell mit dem Chilenen Aranguiz).

Beinahe schon ein Routinier: Julian Draxler (r.), 23, Kapitän der deutschen Confed-Cup-Auswahl (hier im Duell mit dem Chilenen Aranguiz).

(Foto: Sergei Grits/AP)
  • Schon 2014 beschloss der Bundestrainer, im Testturnier im Sommer 2017 ohne die Besten aufzulaufen.
  • Das Experiment hat sich nun besser entwickelt als erwartet.
  • Deutschland tritt an diesem Donnerstag im Halbfinale gegen Mexiko an.

Von Philipp Selldorf, Sotschi

Diesen einen Moment der Erleuchtung hat es nicht gegeben, es war nicht so, dass der Bundestrainer mitten in der Nacht aufwachte und ausrief: "Der Sami, der Toni, der Mats, die sollen endlich mal wieder richtig schön Urlaub machen, und dafür fahre ich dann mit dem Plattenhardt, dem Wagner und dem Demme nach Russland." Nein, so ist es nicht gewesen, wie Joachim Löw am Tag vor dem Halbfinalspiel gegen Mexiko im Confed Cup berichtigte. Aber es hat in den vergangenen Jahren durchaus immer wieder diese erhellenden Momente gegeben, in denen Löw schlagartig eine Ahnung von seinen Plänen bekam, obwohl er zu jener Zeit Marvin Plattenhardt, Diego Demme und auch Sandro Wagner allenfalls aus dem Sammelbilderalbum kennen konnte.

Tatsächlich begannen seine avantgardistischen Confed-Cup-Pläne bereits in den Monaten nach dem Gewinn des Weltpokals in Rio de Janeiro Gestalt anzunehmen, als seine Weltmeister von den ersten vier Partien nach dem WM-Turnier bloß eine gewinnen konnten. Verletzungen dezimierten das Aufgebot, Erschöpfungstendenzen und Motivationsverlust schwächten die Kräfte. "Da habe ich wieder gesehen, wie unglaublich anstrengend so ein Turnier für die Spieler ist", erinnerte sich Löw jetzt, zweieinhalb Jahre später, in Sotschi. Die Gegebenheiten, die er nach der WM antraf, bezeichnet er geradewegs als "negative Erfahrungen" - aus denen nun aber sehr positive Wirkungen hervorgehen, die in der Fußballwelt schon wieder ziemlich viel Eindruck machen.

Das Copyright gebührt Löw höchstpersönlich

"Die deutsche Mannschaft bewundern hier alle", hat Mexikos Trainer Carlos Osorio an diesem Mittwoch stellvertretend festgestellt. Nicht, weil er dem Gegner im Halbfinale schmeicheln wollte, sondern weil es ihm imponiert, wie dieser "mit anderen Modellen Erfolg hat".

Das Copyright für den laufenden Modellversuch im DFB gebührt Löw höchstpersönlich. "Der Trainer kam mit der Idee, und dann spricht man darüber. Und jetzt kann man sagen: Die Idee war wirklich gut", berichtet Markus Sorg, einer der beiden Assistenten des Bundestrainers. Am Anfang stand die Grundsatz-Entscheidung, den etablierten Größen aus den Champions-League-Klubs eine ausreichende Sommerpause zu verschaffen, damit sie noch bei der WM 2018 davon zehren können. Und daraus ging dann für den Trainerstab wiederum die Erkenntnis hervor, ganz neue Freiheiten gewonnen zu haben. "Das hat uns die Möglichkeit gegeben, Spieler zu berücksichtigen, die wir schon lange auf dem Schirm hatten, die wir immer interessant fanden, für die wir aber keinen Platz hatten", sagt Sorg. Der nächste Effekt war dieser: "Die Spieler, die jetzt dabei sind, tun sich leichter mit diesem Turnier, weil sie es wahrscheinlich mehr wertschätzen als die anderen."

Die vom Leben verwöhnten Weltmeister

Auf die vom Leben verwöhnten Weltmeister zu verzichten, trifft nicht zuletzt im Tross der Betreuer und Bediensteten auf Dankbarkeit. Im Kreis der Mitarbeiter hatte man durchaus Angst vor der schlechten Laune lustloser Stars. Ein Bundesligamanager mutmaßt, dass sich die üblichen Stammspieler wahrscheinlich spätestens am zweiten Spieltag der Vorrunde Gedanken gemacht hätten, wie sie das Erreichen des Halbfinales vermeiden könnten. Löw habe durch die Zusammenstellung des Confed-Cup-Kaders "die mit Abstand beste Entscheidung getroffen, die er überhaupt treffen konnte".

So könnten sie spielen

Deutschland - Mexiko ARD / Do. 20.00

Deutschland: ter Stegen (FC Barcelona) - Rüdiger (AS Rom), Mustafi (FC Arsenal), Süle (1899 Hoffenheim) - Kimmich (FC Bayern), Can (FC Liverpool), Rudy (1899 Hoffenheim), Hector (1. FC Köln) - Goretzka (FC Schalke), Draxler (Paris St. Germain) - Stindl (Borussia Mönchengladbach). - Trainer: Löw.

Mexiko: Ochoa (FC Granada) - D. Reyes (Espanyol Barcelona), Araujo (Santos Laguna), Moreno (PSV Eindhoven), Layun (FC Porto) - J. dos Santos (FC Villarreal), Herrera (FC Porto), Guardado (PSV Eindhoven - Vela (Real Sociedad San Sebastian), "Chicarito" Hernandez (Bayer Leverkusen), Jimenez (Benfica Lissabon/26/55). - Trainer: Osorio.

Schiedsrichter: Pitana (Argentinien)

Dabei ist die deutsche Mannschaft, die gegen Mexiko antreten wird, selbstverständlich mehr als eine Ansammlung von Halbstarken. Spieler wie Joshua Kimmich, Emre Can, Leon Goretzka oder Julian Draxler sind in jungen Jahren schon beinahe Routiniers, es überanstrengt sie nicht, tragende Rollen zu übernehmen. Trotzdem konnte natürlich keiner der Verantwortlichen wissen, ob das Experiment aufgehen würde, zumal in dieser maximalen Kurzfristigkeit: mit lediglich zwei Spielchen vorneweg und mit minimaler Trainingsarbeit.

Besser entwickelt, als sich das die Strategen vorher ausgedacht hatten

"Die wichtigste Frage war: Wie findet diese Mannschaft zu einer Gemeinschaft?", sagt Sorg, "und wenn man bedenkt, wie wenig Zeit wir hatten, dann muss man sagen: Dass die Spieler hier als Mannschaft funktionieren, das zeichnet sie am meisten aus."

Die Reise nach Russland hat sich nun sogar besser entwickelt, als sich das die Strategen vorher ausgedacht hatten. In dieser erfreulichen Erkenntnis sah sich Löw während der ersten Halbzeit des Spiels gegen Kamerun bestätigt, obwohl gerade diese 45 Minuten seinen Ansprüchen in keiner Weise gerecht wurden. Löw entdeckte "Verkrampfung und Anspannung" in seiner Elf - genau das, was er sehen wollte. "Solche Situationen wie hier, in Wettkampfspielen mit K.-o.-Charakter, die kann man nicht in Testspielen simulieren", sagt er.

Fünf Spiele zu spielen, das war das große Ziel, als die DFB-Delegation aus Frankfurt nach Sotschi aufbrach. "Wir wollten so lang wie möglich mit der Mannschaft zusammen sein und wir wollten den Spielern so viele Einsätze wie möglich geben", erzählt Sorg. Jetzt sehen die Prioritäten ein wenig anders aus. "Unsere Spieler sind hungrig und heiß", sagt Joachim Löw, "wir wollen jetzt ins Endspiel."

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