Deutsches Ski-Team:Alles auf null

Germany's Hoefl-Riesch competes in the slalom run of the women's alpine skiing super combined event at the 2014 Sochi Winter Olympics

Letzte Bilder eine großen Rennfahrerin? Maria Höfl-Riesch will in den kommenden zwei Wochen bekannt geben, ob sie aufhört.

(Foto: REUTERS)

Ein Generationenwechsel bei den Athleten, wohl zwei neue Bundestrainer und die Höfl-Riesch-Frage: Die Alpinen des Deutschen Skiverbands stehen vor einem großen Umbruch.

Von Michael Neudecker

Für Günter Hujara haben sie in Lenzerheide das ganze Programm veranstaltet, wehmütige Musik, Spalier aus Skiern, stehende Ovationen. "Es fällt schwer", sagte Günter Hujara ins Mikrofon, die Menschen klatschten, die Geigen spielten, die Sonne schien, es war alles ein bisschen kitschig, aber so sind Abschiede. Hujara war 23 Jahre dabei, künftig macht seinen Job ein anderer. Ab jetzt ist Markus Waldner aus Südtirol der Renndirektor Männer im Ski-Weltverband Fis.

Technische Delegierte stehen eher selten im Zentrum der Bühne des Sports, Günter Hujara ist zwar manchmal kurz hineingesprungen, aber sein Name ist doch nur denen ein Begriff, die sich in der Alpin-Szene auskennen. Hujara, sagt Wolfgang Maier, sei aber ein gutes Beispiel: Dafür, was er, der Alpindirektor des Deutschen Skiverbandes, sich für die Zukunft des deutschen Skirennsports so alles überlegt hat.

Am Sonntag ist die Skisaison in Lenzerheide in der Schweiz zu Ende gegangen, für den deutschen Skirennsport hat sie ein eher unglückliches Ende genommen: Felix Neureuther hat die kleine Kristallkugel im Slalom an den Österreicher Marcel Hirscher verloren, und weil Maria Höfl-Riesch schon vor Tagen verletzt abreisen musste und so die große Kristallkugel für die Gesamtbeste an die Österreicherin Anna Fenninger verlor, fällt die Saisonbilanz des DSV überschaubar aus, wenn man sie an Titeln festmacht.

Eine kleine Kugel für die Abfahrtswertung an Höfl-Riesch, zwei Olympia-Medaillen für Höfl-Riesch und eine für Viktoria Rebensburg, das ist nicht schlecht, aber gemessen an den Ansprüchen in einem Land, das sich jedenfalls im Süden für eine Art Skination hält, nicht überwältigend. Besonders, wenn man die Frage berücksichtigt, die den deutschen Skirennsport seit ein paar Wochen begleitet: Wie ist die Bilanz, wenn man Maria Höfl-Riesch subtrahiert?

Es soll nicht mehr lange dauern, höchstens zwei Wochen, dann will Höfl-Riesch der Öffentlichkeit mitteilen, ob die Subtraktion im kommenden Winter vorgenommen werden muss oder erst einen Winter später. So oder so aber steht die Sparte Alpin vor einem ungewöhnlichen Sommer: einem Sommer des Umbruchs, so umfassend wie selten. "Es ist", so sagt es Wolfgang Maier, "ein Reset notwendig."

Bei den Athleten steht ein Generationenwechsel bevor, nicht nur Maria Höfl-Riesch denkt ja über ihre Zukunft nach, auch Felix Neureuther ist unsicher, wie es für ihn weitergeht. "Ich weiß nicht, ob ich noch mal diesen Aufwand betreiben will", sagt er, in den nächsten Wochen will er sich mit den Trainern überlegen, wie er kommende Saison weitermacht. Denkbar ist, dass er später in die Vorbereitung einsteigt als üblich, oder auch, dass er den Riesenslalom als zweite Disziplin weglässt.

DSV will Höfl-Riesch einen Individualtrainer stellen

Was Höfl-Riesch angeht, versucht der Verband gerade vieles, um sie zum Weitermachen zu bringen, er hat ihr zum Beispiel bereits zugesagt, ihr den bisherigen Techniktrainer der Frauen, den Österreicher Christian Schwaiger, als Individualtrainer zur Verfügung zu stellen. Das wäre für deutsche Verhältnisse einigermaßen revolutionär: Es gab noch nie einen deutschen Skirennfahrer, der einen eigenen Trainer im Verband hatte. "Das ist es mir wert", sagt Maier, er weiß, dass er Maria Höfl-Riesch braucht. Der Nachwuchs ist noch nicht so weit, um die Bilanzkurve ohne Höfl-Riesch einigermaßen auffangen zu können.

Aber auch ohne Höfl-Riesch wird sich für Schwaiger einiges ändern: Sollte sie ihre Karriere beenden, will Maier ihm anbieten, zu den Männern zu wechseln. Die Personalie Schwaiger wiederum führt zu einiger Bewegung im gesamten Trainerteam abseits des Weltcupkaders, denn seinen Posten will Maier intern nachbesetzen. Und das ist längst nicht die einzige Stelle im Trainerteam, die neu zu besetzen ist.

Da ist etwa der Posten des Nachwuchs-Cheftrainers, der bisherige Amtsinhaber Martin Oßwald beendet seine Laufbahn. Und da sind vor allem die beiden wichtigsten Posten im Gefüge: die Bundestrainer.

Karlheinz Waibel, seit fünf Jahren Bundestrainer der Männer, wird - wie vor längerer Zeit angekündigt - auf die Stelle des für alle olympische Sportarten zuständigen Wissenschaftlichen Koordinators im DSV wechseln, für seine Nachfolge deutet sich eine externe Lösung an. Tom Stauffer, seit zwei Jahren zuständig für die Frauen, sieht seine Zukunft zwar eher schon beim DSV, alles aber deutet darauf hin, dass sich die Wege trennen. Stauffer gilt als hervorragender Organisator, als angenehmer und fachkundiger Alpin-Spezialist, ein Cheftrainer aber muss ein Rollenspieler sein, der Ton und Ansprache variiert, Stauffer ist das offenbar nicht immer gelungen.

Maier will die Personalie Stauffer nicht kommentieren, er sagt nur: "Das gesamte Personal muss hinterfragt werden." Er will in diesen Tagen ein Gespräch mit Stauffer führen. Überhaupt redet Maier gerade mit vielen Trainern und Athleten, "ich will nicht nach Gutsherrenart entscheiden". Er will, dass sich das Personal in den Entscheidungen wiederfindet, dazu gehört auch eine neue Betonung der Trainingsphilosophie, die Maier vorschwebt. Er plant dazu eine Elite-Ausbildung für alle Trainer, und da käme nun der Rennleiter Hujara ins Spiel. "Ich will sein Know-How", sagt Maier, Hujara war früher selbst Trainer, durch seine Tätigkeit bei der Fis hat er einen umfassenden Blick auf den Skisport.

Maier würde gerne Leute wie Hujara als Berater engagieren, die die Trainer begleiten, bewerten und korrigieren. Die Umsetzung aber ist unsicher: Der DSV hat allen Sparten eine Etatkürzung prophezeit, die Alpinen wären davon im sechsstelligen Bereich betroffen. Spätestens bis zur Klausurtagung im April soll alles entschieden, sollen alle Positionen besetzt sein.

Ob er schlaflose Nächte habe? "Ja", sagt Maier, "klar". Aber er sieht das positiv: "Es ist eine extrem herausfordernde Phase", er nickt. Ein Umbau, der wie ein Neubau ist, kann anstrengend sein, aber auch: ziemlich aufregend.

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