Ein Deutsches Haus gibt es bei Olympischen Spielen schon seit 1988, es soll ein Treffpunkt sein für die Athletinnen und Athleten, für die Vertreter des Sports und ihre Gäste, für die Sponsoren und Fans. 2016 in Rio war das Deutsche Haus in einem Beachclub am Strand untergebracht, 2012 in London in einer Außenstelle des Museum of London in den Docklands; 2008 in Peking empfing der deutsche Sport im Hotel Kempinski, 2004 in Athen in der Deutschen Schule. Aber ein ganzes Stadion gemietet, umgebaut und schwarz-rot-gold umgestaltet, das hatten die deutschen Olympiavermarkter noch nie. Bis jetzt in Paris.
Das Stade Jean-Bouin, im 16. Arrondissement direkt neben dem Prinzenpark von Paris Saint-Germain gelegen, ist normalerweise die Heimat des Rugbyklubs SF Paris, Teamfarben: Pink und Lila. Bis zum Ende der Paralympischen Spiele ist das Stadion nun eine Art deutsche Enklave, bewacht von 150 Bundespolizisten im Schichtbetrieb. Und weil die Teamfarben des „Team D“ – anders als die der Fußballnationalelf – auch weiterhin nicht Pink und Lila sind, haben die Deutschen allein 1900 Quadratmeter „Brandingfläche“ nach Paris verschickt, schwarz-rot-goldene Folien, Banner und Aufkleber. Neben all dem anderen, was in 50 Vierzigtonner-Lkws so reingeht.
Am Mittwochmittag hat Claudia Wagner, die Geschäftsführerin des DOSB-Ablegers Deutsche Sportmarketing, Journalisten einen ersten Blick ins Deutsche Haus gewährt, das längst kein Haus mehr ist. Im mehrstöckigen VIP-Bereich wurden noch die letzten deutschen Bierzapfanlagen installiert, in der Fanzone im Stadion-Innenraum stand zwar schon die riesige Bühne, aber es harrten noch mehrere Hundert Grünpflanzen auf ihre Verteilung. Damit das deutsche Publikum die deutschen Brezen, den deutschen Leberkäse und den Auftritt des „Team-D-Artists“ Clueso in angenehmer Atmosphäre genießen kann, wenn dann mal alles fertig ist. Unten im Keller, im sogenannten „Team-D-Performance-Hub“, waren aber schon die Hockeyspielerinnen auf den Spinningfahrrädern zugange, und im sogenannten Wohnzimmer hatte jemand bereits liebevoll die Sportlernahrung bereitgelegt: Reiswaffeln in den Sorten Zartbitter und Joghurt, Pistazien-Beeren-Mix, Erdnüsse „Asia Style“.

An Selbstbewusstsein, so viel lässt sich schon vor dem ersten Wettkampf eindeutig festhalten, fehlt es den Deutschen nicht in Paris: Platz für 1500 geladene Gäste jeden Abend haben sie geschaffen, dazu 7000 Quadratmeter „Fanzone“ für bis zu 3000 weitere Fans, die die Spiele gerne im schwarz-rot-goldenen Ambiente erleben möchten (Eintritt: 20 Euro). Keine andere Nation hat so groß aufgefahren in Paris, nicht mal die US-Amerikaner, wie am Mittwoch nicht ohne Stolz bemerkt wird. Deren Dependance macht übrigens auch schon um Mitternacht zu. Die Deutschen hingegen: feiern bis zwei Uhr morgens!
Was das alles kostet? Allein die 1200 Leute, die mit dem Aufbau, Betrieb und Abbau des Deutschen Hauses beschäftigt sein werden, dazu die Stadionmiete, die schwarz-rot-goldene Komplettumgestaltung, die Logistik? Das will die Sportmarketing-Chefin Wagner nicht verraten – muss sie aber auch nicht, es ist ja alles durchfinanziert von den Partnern und Sponsoren des Olympiateams. Die womöglich auch diese Hoffnung haben: dass der ganz große Auftritt der Deutschen in Paris auch einzahlt auf eine künftige deutsche Olympiabewerbung. „Wir wollen gute Gastgeber sein“, sagt Claudia Wagner. Vorerst eben im Rugby-Stadion, und auf so großem Fuße wie nie zuvor.

Komplett neu ist trotzdem etwas anderes: dass die Deutschen ihr eigenes Kraft- und Regenerationszentrum mit zu den Spielen bringen, während die meisten anderen Nationen sich um die Slots in den Gyms des Olympischen Dorfes streiten müssen. Eine Ringermatte, eine Judomatte, ein Boxring, eine Sauna (mit zwei schicken Team-D-Liegestühlen davor), ein Entmüdungsbecken, ein angenehm dezent beleuchteter „Recovery Room“ mit Betten drin (falls mal ein Mittagsschlaf fällig ist), eine eigene Ärztin, eine eigene Physiotherapeutin – alles da. Jetzt muss zum Performance-Hub nur noch die Performance bei den olympischen Wettkämpfen kommen. An der Motivation dürfte auch das nicht scheitern: Sobald ein Athlet sich durch den Spielertunnel dem Performance-Hub nähert, um zu trainieren oder zu recovern, startet eine Lightshow, und aus den Boxen dröhnt Guns N’ Roses: „Welcome to the Jungle“.