Süddeutsche Zeitung

Deutsches Frauen-Skiteam:Rebensburg muss mit 16-Jährigen üben

Lesezeit: 3 min

Von Matthias Schmid

Viktoria Rebensburg hatte sich vor einigen Wochen in Chile über sich selbst gewundert. Die Olympiasiegerin von 2010 war zum Skifahren in Südamerika. Mit der Nationalmannschaft, wie fast jeden Sommer. Da das Wetter dort aber eher mit aprilartigen Kapriolen, mal zu viel Schnee, mal zu viel Regen, von sich Reden machte, schnallte Rebensburg sich zum Zeitvertreib kurzerhand ein Snowboard unter ihre Füße. Früher hatte sie das häufiger getan. Im Urlaub mit der Familie. "Das liegt aber mindestens zwölf Jahre zurück", erzählt Rebensburg, "ich wusste gar nicht mehr, ob ich das überhaupt noch kann." Sie konnte, sie fuhr elegant den Berg hinab, "auch Carven konnte man ganz gut damit."

Für Rebensburg hat dieser Sommer noch viel mehr Neues geboten. Sie hat sich umstellen müssen, vor allem im Training in Chile - nicht nur wegen des Wetters. Der Deutsche Ski-Verband (DSV) hatte die Kader bei den Weltcup-Frauen neu eingeteilt, das ist sogar noch untertrieben. DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier wagte nach der vergangenen enttäuschenden Saison - einzig Rebensburg war mit ihrer WM-Medaille und einigen guten Resultaten in den Speed-Disziplinen positiv aufgefallen - nichts weniger als eine Revolution.

"Wir hatten bei den Männern mit Felix Neureuther, Fritz Dopfer und Stefan Luitz historische Erfolge, aber bei den Frauen historische Niederlagen erlebt", gesteht Maier, es war also eine "historische Umstrukturierung nötig", wie er es ausdrückt. Alles ist nun neu, alles anders.

Künftig werden die besten Fahrerinnen des Landes gemeinsam in großen Gruppen trainieren, "unabhängig vom Alter", wie Maier vor dem Weltcup-Auftakt an diesem Wochenende im österreichischen Sölden sagt: "Sie sollen so schneller an die Weltspitze herangeführt werden." Rebensburg, Olympiasiegerin und WM-Zweite im Riesentorlauf, muss also künftig mit 16-Jährigen üben. "Das wird für Vicky auch eine soziale Herausforderung", findet Maier.

Die 26-Jährige allerdings empfindet das Experiment "nicht so schlimm", wie sie selber sagt. "Ich merke dadurch nur, dass ich älter werde." Nach Chile waren mit ihr sieben weitere Rennläuferinnen der Speedabteilung gereist, die Jüngste sieben Jahre jünger. Rebensburg hat das durchaus gefallen, "weil wir ein gutes Teamgefüge haben." Die jungen, unerfahrenen Sportlerinnen sollen von ihr lernen, zu ihr aufschauen. Aber nach Möglichkeit schon unter die besten 30 im Weltcup fahren.

Dass noch keine dabei ist, die sie in einem Trainingslauf mal besiegen kann, findet Rebensburg nicht tragisch. Sie kann sogar gute Seiten an der neuen Konstellation abgewinnen, obwohl das Training nicht mehr die Güte von früher hat, als sie sich noch mit der dreimaligen Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch oder Riesenslalom-Weltmeisterin Kathrin Hölzl messen konnte. "So kann ich auch mal in Ruhe an der Technik arbeiten", sagt Rebensburg, "das war sonst schwierig, wenn permanent Konkurrenzkampf da ist."

Doch ganz verzichten auf den direkten Vergleich mit den Besten im Weltcup kann sie nicht. Sie muss erst recht nach ihrem im März erlittenen Innenbandriss im Knie wissen, wie weit sie von den Konkurrentinnen entfernt ist und was sie noch verbessern muss. Aber auch in dieser Zwischensaison ohne Großereignis hat die Oberbayerin aus Kreuth wieder ehrgeizige Ziele: "Ich will versuchen, die Kugel im Riesenslalom zu gewinnen."

Deshalb hat sie in den Wochen vor dem ersten Rennen in Sölden das Aufeinandertreffen mit der internationalen Konkurrenz auf den Gletschern gesucht, sie ist die gleichen Trainingsläufe wie die Athletinnen aus Österreich, den USA oder Schweden gefahren. "Da pusht man sich, gibt Vollgas und will das Maximale herausholen."

Rebensburg bekommt einen neuen Techniktrainer

Rebensburg und DSV-Sportdirektor Maier war bei der Aufarbeitung der vergangenen Saison wichtig, dass die Vorzeigefahrerin trotz der radikalen Neueinteilung weiter mit höchster Qualität trainieren kann. Aus diesem Grund komplettiert die Speed-Gruppe künftig Rudi Soulard als Techniktrainer.

Vor allem Rebensburg profitiert von der Neuerung, weil sie nun nicht mehr zwischen Abfahrts- und Technikabteilung hin- und herfahren muss, die meistens in anderen Skigebieten trainieren. "Für mich gibt es keine bessere Lösung", sagt Rebensburg. Sie hofft, dass der Absturz bei den Frauen so aufgehalten werden kann und ihre Kolleginnen ihre Mängel schnell aufholen können. "Die Jüngeren haben schon Qualität", sagt sie fast großmütterlich.

In Sölden am Samstag wird es aber auf Viktoria Rebensburg ankommen. Wenn es läuft und sie unter die ersten Drei fährt, steigt sie vielleicht wieder häufiger aufs Snowboard. Als willkommene Abwechslung im Training.

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