Deutsches Biathlon im Umbruch:Attacken statt Harmonie

Evi Sachenbacher-Stehle

Hofft auf ein mildes Urteil in der Doping-Affäre: Eva Sachenbacher-Stehle

(Foto: dpa)

Das deutsche Biathlon steht nach der misslungenen Saison vor einem größeren Umbruch. Manche Trainer scheiden aus Altersgründen aus, manche womöglich unfreiwillig. Evi Sachenbacher-Stehle fühlt sich durch Beweise gestärkt und hofft auf eine milde Dopingstrafe.

Von Volker Kreisl

In Oslo ist Biathlon immer ein Fest. Zum Abschluss der Saison absolvieren die Biathleten nicht nur einen Weltcup, sie feiern ihn. Viele Anlässe gibt es, die kleinen Abschiede zwischen den Sportlern, die sich erst im nächsten Winter wieder treffen und die Abschiede von denen, die ihre Karriere beenden. Es kommen viele Zuschauer, die noch einmal hochklassigen Sport sehen, und hinterher dürfen die Sieger hinauf in die Loge zu Harald, dem König, was als Saisonabschluss-Ritterschlag verstanden wird.

Von den Deutschen durfte am Holmenkollen fast immer auch einer hinauf zur Audienz, früher. Die Besuche sind seltener geworden. Im Jahr 2014 ist wieder keiner oben gewesen vom Deutschen Skiverband. Aber der DSV hat zurzeit andere Sorgen, als hinaufzugehen in die Loge, er muss erst einmal schauen, dass unten, im Team, wieder alles stimmt.

Die Vorstellung in Oslo spiegelte eine im Großen und Ganzen misslungene Saison wider. Es gab keinen Podestplatz, mit dem Kampf um den Gesamtweltcup hatte keiner etwas zu tun. Das hatte unterschiedliche Gründe. Darunter waren Verletzungen, Krankheiten, Pannen und hier und dort wohl auch das falsche Training. Es gab Lichtblicke wie die Silbermedaille von Erik Lesser bei Olympia, die guten Leistungen dort von Simon Schempp, den zweiten Staffelplatz der Männer.

Zudem erfreuten die überraschend starken Leistungen der jungen Läuferinnen Franziska Preuß und Laura Dahlmeier in der ersten Saisonhälfte. Die Enttäuschungen aber überwogen, und die Rückschläge steigerten sich im Laufe der Saison. Am Ende traten Risse im Frauenteam zutage, und das auch noch in einer Zeit, in der es gerade einen Dopingfall aufzuarbeiten gab - den Tiefpunkt im deutschen Biathlon in dieser Saison, vielleicht der gesamten vergangenen Dekade.

Zwar kam am Samstag ein wenig Klärung in den Methylhexanamin-Fund bei der 33-jährigen Evi Sachenbacher-Stehle während der Olympischen Spiele. Sie hatte sich auf ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel berufen, das sie von einem persönlichen Berater erhalten hatte. Diese Version sei nun bestätigt worden, offenbar war das Stimulanzmittel in anderen Verpackungen desselben Präparats auch gefunden worden.

"Unabhängig nachbestellte Vergleichsproben haben ein positives Ergebnis erbracht", sagte Sachenbacher-Stehle am Samstag in Salzburg. Dort war sie vom Weltverband IBU angehört worden, ein Urteil wird in ein paar Wochen erwartet. Sachenbacher-Stehle hofft auf Milde, der deutsche Verband muss sich unterdessen überprüfen, ob er dieses Dopen aus Dummheit nicht vielleicht doch hätte verhindern können.df

Neuner kritisiert fehlendes Feingefühl der Trainer

In jedem Fall beginnt mit dem großen Saisonfinale von Oslo für die Personalabteilung erst richtig die Arbeit. Ohnehin steht ein Umbruch an, weil Chef-Bundestrainer Uwe Müssiggang und Männer-Coach Fritz Fischer ihre Trainerarbeit beenden. Zugleich aber waren in den Wochen nach Olympia die Frauen-Trainer Gerald Hönig und Ricco Groß attackiert worden, in einer Weise, wie es im sonst auf äußere Harmonie bedachten deutschen Biathlon noch nie vorkam.

Kathrin Lang, die in dieser Saison weitgehend im zweitklassigen IBU-Cup lief, beschwerte sich offen darüber, in der Olympia-Saison keine wirkliche Chance bekommen zu haben. Ebenso wie Nadine Horchler klagte sie über die festgefahrene Meinung von Hönig und Groß. Die Art der Kritik, sagte Hönig später, "hat uns schon weh getan".

Gemeint war damit vor allem auch die Äußerung der Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner, die im bayerischen Fernsehen ein weiteres Fass aufmachte. Sie attestierte dem Trainerstab mangelndes Feingefühl bei der Aufstellung der unerfahrenen Dahlmeier und Preuß während der Spiele. Vor allem Preuß hatte ja einen Debütantinnen-Albtraum erlebt. Sie war auf der extrem anspruchsvollen Loipe im langen Einzelrennen nach drei Runden überfordert gewesen und von den Trainern aus dem Rennen genommen worden. In der Staffel erlitt sie eine ähnliche Niederlage. Als Startläuferin stürzte sie und musste vor den Augen der Sportwelt am Schießstand erst einmal Schnee aus dem vorderen Visierloch pusten, was insgesamt drei Minuten Rückstand bedeutete.

Neuner, die nach wie vor gute Kontakte zu ihren jungen Nachfolgerinnen hat, bescheinigte den Trainern zu wenig "Einfühlungsvermögen". Preuß sei "mehr oder weniger dazu genötigt" worden zu laufen, obwohl sie es nicht wollte. Vom Vorwurf des Verheizens waren Neuners Worte nicht weit entfernt.

Hönig sagt, vielleicht sei man bei Olympia "an der einen oder anderen Stelle ein zu hohes Risiko eingegangen". Preuß' Leistungen zu Beginn der Saison hätten aber ihre Einsätze gerechtfertigt. Insgesamt hielten sich beide Trainer mit öffentlicher Rechtfertigung zurück und verwiesen auf die große Abrechnung und Aufarbeitung im April. Dann treffen sich die Trainer wie immer zur Klausur, und im Führungsstab wird entschieden, wer das Gesamtgebilde leiten soll und wer an welchen Stützpunkten die Sportler betreut.

Gerüchte vom Wochenende, wonach der Ruhpoldinger Ricco Groß gehen müsse, wollte Müssiggang nicht bestätigen. "Es gibt zurzeit viele Gerüchte, die Gespräche finden noch statt." Andererseits ist Müssiggang ja selber nicht mehr lange dabei und womöglich auch nicht mehr in alle Planungen eingeweiht. Neuner jedenfalls hatte noch gesagt, dass der ganze Ärger womöglich nun dazu führe, dass ein "Ruck durch das Ganze geht". Dass das Trainingssystem von Grund auf neu eingestellt wird, erscheint durchaus möglich. Ein klares Bekenntnis zu den Trainern hat es vonseiten des Verbandes nach den Attacken jedenfalls nicht gegeben.

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