Deutscher WM-Gegner:Im Achtelfinale wartet Algerien

Algeria v Russia: Group H - 2014 FIFA World Cup Brazil

Seht her, wir sind im Achtelfinale: Torschütze Islam Slimani (links) jubelt mit Essaïd Belkalem über seinen Treffer zum 1:1.

(Foto: Getty Images)

Das gab es noch nie: 32 Jahre nach der "Schande von Gijón" erreicht Algerien erstmals ein WM-Achtelfinale. Dank des 1:1 gegen Russland treffen die Nordafrikaner nun auf die deutsche Elf. Belgien erwartet die Mannschaft von Jürgen Klinsmann.

Von Claudio Catuogno, Rio de Janeiro

Natürlich hatte auch Madjid Bougherra diesen Traum: zu jener Elf zu gehören, die als erste algerische Fußballmannschaft überhaupt die K.-o.-Runde bei einer WM erreicht. Und dann am Montag in Porto Alegre das Achtelfinale gegen Deutschland zu bestreiten. Deutschland, Algerien, da startet ein Film in jedem Fußballerkopf in dem nordafrikanischen Land. Der Film handelt von 1982, der WM in Spanien.

Von einem sensationellen Vorrundensieg gegen die Bundesrepublik, von einem weiteren gegen Chile. Bougherras Vorfahren hätten einen Auftritt in einem WM-Achtelfinale verdient gehabt. Aber am Schluss des Films war da dieses 1:0 zwischen Deutschen und Österreichern in Gijón, das beiden zum Weiterkommen reichte, und das fortan den Beinamen "Schande" tragen sollte, weil es für jeden erkennbar ein Nichtangriffspakt war. Und Algerien war raus, damals, 1982.

Aber diesmal, am Donnerstagabend in Curitiba, reichte ja ein Unentschieden gegen Russland, um all das vergessen zu machen. Der erste Traum ist geplatzt für den Kapitän der algerischen Nationalelf, der zuletzt beim Lekhwiya Sports Club in Doha sein Geld verdiente und nun vereinslos ist.

Er gehörte nicht zu der Elf, die in der Heimat nun auf ewig verehrt und verklärt werden wird. Am Mittwochmorgen nahm Vahid Halilhodžić, der bosnische Coach der Fennecs, der Wüstenfüchse, Bougherra zur Seite und offenbarte ihm, wo sein Platz sein würde im dritten Gruppenspiel gegen die Russen: auf der Bank.

Statt seines Kapitäns postierte Halilhodžić in die Viererkette Essaïd Belkalem. "Vahid hört nicht auf, uns zu überraschen", kommentierte in Algier die Zeitung La Gazette du Fennec. In einem so wichtigen Entscheidungsspiel auf den Kapitän zu verzichten, das "erscheint doch riskant". Doch der zweite Traum, der viel wichtigere - er erfüllte sich. Algerien gelang tatsächlich ein 1:1 (0:1) gegen die Russen.

Und jetzt kennt also auch deutsche Elf, die kurz vorher 1:0 (0:0) gegen die USA gewann, ihren Gegner im Achtelfinale am Montag in Porto Alegre. Er heißt nicht Russland. Er heißt Algerien. Die Sbornaja, die vom Italiener Fabio Capello trainiert wird, landete in der Gruppe H nur auf dem dritten Rang. Erster blieb Belgien, das zeitgleich in São Paulo mit seinem inzwischen bewährten Minimalismus 1:0 (0:0) gegen Südkorea gewann. Belgien trifft nun am Dienstag in Salvador auf Jürgen Klinsmanns US-Amerikaner.

Frisch und gut organisiert

Und Vahid Halilhodžić werden sie zu Hause in Algerien nun selbst die Entmachtung seines Kapitäns verzeihen. Zumal der Bosnier ansonsten ja schon vollumfänglich auf die öffentliche Meinung eingeschwenkt war, wonach die Fennecs ihr Heil in der bedingungslosen Offensive suchen müssen, wie schon beim eindrucksvollen 4:2 gegen Südkorea.

Da hatte Halilhodžić seine Defensivtaktik aus dem Auftaktspiel gegen Belgien (1:2) über den Haufen geworfen und fünf neue Spieler gebracht, vorwiegend offensive. Drei von ihnen trafen. Abgesehen von der Personalie Bougherra schenkte der Bosnier auch gegen Russland den gleichen Spielern sein Vertrauen.

Die Elf machte erneut einen frischen, gut organisierten Eindruck. Sie hatte zahlreiche gute Gelegenheiten - war aber im Abschluss meistens zu ungenau. Und so kam es zunächst, wie es Capello vorausgesagt hatte. Die Russen, die aus ihrer kompakten Deckung heraus relativ biedere, aber klare Angriffe vortrugen, waren in der ersten Halbzeit die abgebrühtere Mannschaft. Sie mussten gewinnen.

Und es sah lange so aus, als sollte ihnen das auch auf gewohnt schmucklose Art gelingen. Auch Capello hatte eine Veränderung in der Startelf vorgenommen: Linksaußen Kanunnikow musste auf die Bank, dafür begann der treffsichere Kerschakow.

Und tatsächlich ging die Sbornaja früh in Führung, schon in der 6. Minute: Kombarow nutzte seinen Freiraum auf dem linken Flügel, er adressierte eine Maßflanke auf Kokorin, der schraubte sich nach oben und wuchtete den Ball präzise in die Maschen.

Doch den Algeriern reichte eben ein Unentschieden, sie suchten beharrlich nach einer entscheidenden Aktion. Und die sah dann so aus: Yacine Brahimi führte einen Freistoß aus, der russische Keeper Akinfejew segelte am Ball vorbei.

Und Islam Slimani, der auch gegen Südkorea getroffen hatte, köpfelte den Ausgleich. In São Paulo reichte den Belgiern - in Unterzahl nach Steven Defours Platzverweis (44.) - auch eine gelungene Aktion: Jan Vertonghen traf in der 77. Minute.

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