Deutscher Tennis Bund:Ruine im Grunewald

Deutsches Tennis in Existenznot: Die Katarer lassen Berlin fallen, kein Kompromiss im Rechtsstreit um Hamburg.

Josef Kelnberger

Im Jahr 2007, als in Berlin bereits Zweifel kursierten, ob die Katarer an Bord bleiben würden, behalfen sich die Männer aus dem Orient mit einem Hit der Band Wir sind Helden: "Gekommen um zu bleiben". Diesen Spruch ließen sich die Vertreter des katarischen Tennis-Verbandes zur Pressekonferenz auf der Tennisanlage im Grunewald auf ihre Hemden drucken. Gekommen seien sie, um die Tradition der German Open fortzuführen - und nicht, um Steffi Grafs einstiges Lieblingsturnier auszuschlachten.

Deutscher Tennis Bund: Das Steffi-Graf-Stadion am Berliner Grunewald: 2009 wohl kein Ort für Spitzentennis.

Das Steffi-Graf-Stadion am Berliner Grunewald: 2009 wohl kein Ort für Spitzentennis.

(Foto: Foto: ddp)

Turnierdirektor Ayman Azmy erklärte sogar, sie wollten die kulturellen Errungenschaften der Deutschen lernen. Als Beispiel nannte er das rücksichtsvolle Verhalten der Berliner Autofahrer. Jetzt weiß man, dass die Katarer immer noch sehr rücksichtslos ausscheren. Die Rechte an den German Open der Frauen, die ihnen der Deutsche Tennis-Verband 2004 verkaufte, haben sie ein Jahr vor Vertragsende an die Frauen-Tour WTA zurückgegeben. In Berlin hinterlässt der katarische Verband Schulden in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro, die aus dem Vorjahr stammen, und die German Open der Frauen: am Ende.

Zumindest in diesem Jahr 2009 werde es das Turnier wohl nicht geben, erklärte WTA-Chef Larry Scott in einer E-Mail an Josef Minderjahn, den Präsidenten des Veranstalters LTTC Rot-Weiß. DTB-Präsident Georg von Waldenfels eilte gestern nach Berlin, um mit Minderjahn das Vorgehen zu besprechen. Man schrieb einen Brief an Larry Scott mit der Bitte, das Turnier 2009 auf jeden Fall auszutragen und sich auch Gedanken über die langfristige Perspektive der German Open der Frauen zu machen.

Bezeichnend für den Zustand des deutschen Tennis: Waldenfels war am Dienstag erst von einer dreitägigen USA-Reise zurückgekehrt. Er versuchte dort, den Rechtsstreit mit der Männer-Tour ATP um die Zukunft der German Open der Männer in Hamburg zu regeln. Ohne Erfolg.

Die ATP lehnte einen Kompromiss ab und will zudem vom DTB die 17,5 Millionen Dollar Anwaltskosten aus der ersten Instanz erstattet haben. Im Vergleich dazu sind die Probleme mit dem Berliner Turnier fast eine Lappalie. In den kommenden Monaten muss nun wohl ein Gericht in Delaware in der Berufungsverhandlung darüber entscheiden, ob die Rückstufung des Sandplatzturniers am Rothenbaum in die zweite Kategorie wirklich rechtens ist.

Das Verfahren, das den DTB schon 2,5 Millionen Euro gekostet hat, könnte sich bis 2009 hinziehen und wird noch mehr Geld verschlingen. Waldenfels wähnt den DTB weiterhin im Recht, sowohl in der Sache selbst als auch in der Frage der Gerichtskosten; denn eine Satzungsänderung, die nationale Verbände im Falle eines Rechtsstreit zur Übernahme sämtlicher Kosten verpflichtet, habe die ATP erst 2008 verabschiedet, als die Klage des DTB schon lief. Allerdings hat Waldenfels jetzt auch einen Brief an den neuen ATP-Chef Adam Helfant geschrieben.

Ruine im Grunewald

Er gratuliert Helfant zum Amt und regt an, sich auf gütlichem Wege zu einigen, statt weiterhin Millionen von Dollar und Euro aus dem Tennissport in Anwaltskanzleien umzuleiten. Ob er nicht schon früher den politisch-diplomatischen Weg hätte beschreiten sollen? Das sei mit Helfants Vorgänger Etienne die Villiers, dem radikalen Erneuerer der Tour, nicht möglich gewesen, sagt Waldenfels.

Die Rückstufung des Rothenbaum-Turniers komme einer "Enteignung" gleich, die er ohne Kompensation nicht habe hinnehmen können. Und was würde es bedeuten, wenn der DTB wirklich dazu verurteilt würde, die horrenden Anwaltskosten der ATP zu zahlen? Das Ende des Verbandes? Georg von Waldenfels will dazu nur so viel sagen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der DTB jemals auch nur einen Cent davon bezahlt."

Die Karawane lässt Deutschland zurück

Es wirkt jedenfalls wenig beruhigend, wenn Wohl und Wehe des DTB nun von amerikanischen Gerichten und katarischen Tennismanagern abhängen. Der Pakt, den Waldenfels mit den Katarern schloss, schien damals ein Geniestreich zu sein. Er erlöste den DTB von dem Millionen-Minus, welches das Turnier jährlich schrieb, und beließ es doch in Berlin; zugleich beteiligten sich die Katarer am Hamburger Rothenbaum-Turnier.

Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, Geld gegen Knowhow. Mittlerweile haben die Katarer aber offenbar genug vom Tennisgeschäft gelernt. In Doha richten sie zu Jahresanfang ein hochkarätiges Männerturnier und am Jahresende das Saisonfinale der Frauen aus. Mit den deutschen Turnieren ist nicht mehr viel Staat zu machen. Wegen des in diesem Frühjahr erstmals im Programm stehenden Männer/Frauen-Turniers in Madrid wurden beide German-Open-Turniere von ATP und WTA um eine Kategorie zurückgestuft.

Spitzenprofis sind nicht zum Start verpflichtet und müssten mit Antrittsgeld gelockt werden. Die neue Führung des katarischen Verbandes hat auf das Berliner Spielzeug offenbar keine Lust mehr. Sie zahlt der WTA lieber die Vertragsstrafe in Höhe des vorgesehen Preisgelds, das sind 600.000 Dollar. Präsident Waldenfels hat keine Hinweise, dass die Katarer auch am Rothenbaum aussteigen. Aber er will nichts ausschließen, nachdem sie ihm vor zwei Monaten erst versprachen, in Berlin an Bord zu bleiben.

Die Macht im Tennis liegt dort, wo das Geld ist, die Karawane lässt Deutschland zurück. In Berlin bleibt zurück eine für viele Millionen Mark erweiterte Anlage und wie eine Ruine im Grunewald das Steffi-Graf-Stadion.

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